Rezensionen

Peepshow

 Der Amerikaner Joe Matt gehört zu jenen Künstlern, die in ihren Comics radikal autobiografisch sind und Szenen aus ihrem Leben zu Geschichten machen. Seit 1992 betreibt Matt in seiner Serie Peepshow Seelen-Striptease. Nun kommt ein erster Sammelband auch nach Deutschland.

Joe Matt ist ein Loser, soviel ist schon mal von Anfang an klar. Er lebt in einer kleinen Bruchbude in Toronto, hat kaum Geld und seine Freundin verlässt ihn. Kein Wunder, denn Joe ist nie zufrieden, hat ständig andere Frauen im Kopf, träumt von unerreichbaren Traumfrauen und konsumiert reichlich Pornos. Obwohl er kein allzu glückliches Leben führt, ist er trotzdem recht zufrieden. Schließlich weiß er mit wenig Geld auszukommen, außerdem hat er seine Kumpels Chester Brown und Seth, denen er jederzeit sein Herz ausschütten kann.

Wer sich im Bereich der nordamerikanischen Indie-Comics auskennt, erkennt die Namen: Seth (Clyde Fans, Eigentlich ist das Leben schön) und Chester Brown (Ed, the Happy Clown) sind ebenfalls Comiczeichner und auch sie arbeiten mehr oder weniger im autobiografischen Bereich. Dass Joe Matt die beiden einbaut, legt nahe, dass seine Geschichten „wirklich passiert“ und nicht frei erfunden sind. Doch ob die Episoden in Peepshow wirklich 1:1 „wahr“ sind, oder durch Auslassungen, Verfremdungen oder Ausschmückungen verändert wurden, spielt gar keine Rolle. Sie fühlen sich ehrlich an.

Joe Matt nimmt kein Blatt vor den Mund und zeigt Seiten von sich, die andere gerne verschweigen. Er stilisiert sich nicht zum Helden des Alltags, sondern geht dahin wo es wehtut, erspart sich und den Lesern auch äußerst peinliche Szenen nicht. Sein gezeichnetes Alter Ego ist ein egozentrischer, nicht sehr sympathischer Typ. Ein „poor bastard“, wie der Originaltitel des Bandes lautet. Auf der anderen Seite ist dieser Joe aber auch kein weinerlicher Kerl, der in Selbstmitleid badet. Er kennt seine Schwächen genau und kann auch mal über sich lachen.

 Vor allem aber ist diese Figur im Spannungsfeld zwischen Tragik und Komik interessant für den Leser. Joe Matt hat einen nach wenigen Seiten am Haken, bereitwillig nimmt man die voyeuristische Position desjenigen ein, der durchs Schlüsselloch guckt und diesen Mann beobachtet. Und man fühlt sich sehr gut unterhalten von dieser Peepshow. Das liegt zum einen an Joe Matts klarem, aufs Wesentliche reduzierten Schwarz-Weiß-Zeichenstil, bei dem man nie das Problem hat, bestimmte Figuren nicht auseinanderhalten zu können. Zum anderen ist Joe Matt auch ein cleverer Erzähler, der sehr genau weiß, wie er auf ca. 25 Seiten pro Kapitel einen Spannungsbogen ziehen kann.

Ein sehr schöner Meta-Effekt entsteht durch die Tatsache, dass Joe Matts Comics selbst in den Comics vorkommen. So kann es passieren, dass Joe im dritten Kapitel jemanden kennenlernt, der die Geschichte aus dem ersten Kapitel gekauft und gelesen hat und damit das gleiche Vorwissen über Joe hat wie der Leser auch. Vorzüglich gelungen ist übrigens auch die deutsche Übersetzung (von Kai Wilksen und Uli Pröfrock), die sich wirklich sehr frisch und natürlich liest. Das sind Sätze, wie Menschen sie tatsächlich sprechen.

Wer auf Filme von Woody Allen steht, wer Comics von Robert Crumb, Harvey Pekar oder Peter Bagge mag (die Joe Matt erkennbar als Vorbilder dienten), wird Peepshow mit Sicherheit lieben. Slice-of-Life-Geschichten, die mal weh tun und mal amüsieren, aber vor allem eines sind: zutiefst menschlich.

Peepshow
Edition 52
, Dezember 2007
Text und Zeichnungen: Joe Matt
Broschiertes Softcover; schwarz-weiß; 174 Seiten; 17,- Euro
ISBN: 978-3-935229-53-1

Tragikomische Alternative Comix

Jetzt bei Comic Combo anschauen und bestellen!
Jetzt bei amazon.de anschauen und bestellen!

Bildquelle: edition52.de