Rezensionen

Nemi – Band 3

Cover Nemi 3Nemi ist eine Stripreihe über ein aufgewecktes Goth-Girl und seine Freunde, gezeichnet von der Norwegerin Lise Myhre. Wie ich gehört habe, ist die Reihe in ihrem Heimatland ein Riesending. Auch in Frankreich, England und den USA liegen bereits Bücher vor, die US-Ausgabe sogar mit einem Vorwort von Tori Amos. Bei uns erscheinen die Strips in der Musikzeitschrift Orkus, außerdem liegt inzwischen das dritte Buch bei Ubooks vor, einem Nischenverlag für Bücher etwas abseits der Norm.

Vielleicht ist es kein Wunder, dass die Figur Nemi ausgerechnet aus Norwegen kommt und dort auch die meisten Anhänger hat, gibt es doch gerade dort eine besonders große – teilweise auch recht durchgeknallte – (Black) Metal-Szene. Wirklich durchgeknallt ist Nemi allerdings nicht, und Musik spielt auch keine allzu große Rolle in der Reihe, nur ab und zu fallen Namen und Zitate von bekannten und beliebten Oldschool-Typen wie Glenn Danzig oder Alice Cooper.

Strip aus Nemi 3Wichtiger als der Musikbezug ist aber zweifelsohne Nemis ausgeprägtes und sehr verschrobenes Weltbild und ihre sprühende Fantasie. Sie ist das Idealbild einer jungen Rebellin, intelligent und unangepasst und ohne Interesse daran, jemals ernsthaft berufstätig zu werden. Ihr Geld verdient sie mit Gelegenheitsjobs, unter anderem in einer Videothek. Sie ist nonkonformistisch aus Überzeugung und skeptisch gegenüber allem, was gerade Mainstream ist. So ist sie zum Beispiel eine große Tolkien-Verehrerin, kann aber mit den Filmen wenig anfangen.

Es ist Lisa Myhre sehr wichtig, dass Nemi ihre schrägen Ansichten unverblümt der Welt mitteilt, und das kann in der Tat manchmal etwas belehrend wirken. Öfter allerdings freut man sich als Leser, in pointierter Form zu lesen, was man selbst vielleicht ganz ähnlich sieht. Beeindruckend ist in diesem Zusammenhang auch die zweiseitige Adaption des Monologs Daughter der Goth-Poetin Nicole Blackman. Der Text ist ohnehin gut, aber als Grundlage zur Charakterisierung der Figur Nemi ist er äußerst passend und aufschlussreich. Nemi erhält dadurch Tiefe und Glaubwürdigkeit.

Strip aus Nemi 3Aber eine Figur alleine macht noch keinen Comic. Für einen Ausgleich in der Figurenkonstellation sorgt vor allem Nemis beste Freundin Cyan, die einer geregelten Büroarbeit nachgeht und oft auch Arbeit mit nach Hause nimmt. Sie holt Nemi stets aufs Neue auf den Boden der Realität zurück, wenn ihre Fantasie mal wieder vollends zu galoppieren beginnt.

Die Figuren sind prima dazu geeignet, sich mit ihnen zu identifizieren. Ein gewisses Verständnis für Nemis Verweigerungshaltung und ihren durchaus erkennbaren Hang zur Selbstzerstörung (Saufen, Rauchen) sollte man allerdings schon haben. Größtenteils handeln die Strips von typischen Alltagssituationen und oft wirkt die Reihe wie Zuckerfisch von Naomi Fearn, nur etwas schwärzer – in der Kleidung, nicht im Humor. Nicht jeder Gag zündet, aber Lise Myhre verschont uns dankenswerterweise mit blöden Witzen. Tatsächlich ist es eine große Stärke der Reihe, dass sie nicht auf Biegen und Brechen witzig sein möchte. Die Episoden sind immer nah am witzigen Alltag.

 

Wertung: 8 von 10 Punkten

Nemi überzeugt mit hintergründigem Witz, der sich oft weniger in Pointen ausdrückt als vielmehr in der versponnenen Gedankenwelt der Figuren.

 

Nemi – Band 3
UBooks, Februar 2013
Text und Zeichnungen: Lise Myhre
Übersetzung: Maren Kanopka
144 Seiten, schwarz-weiß, Hardcover
Preis: 14,95 Euro
ISBN: 978-3-939239-49-9

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Abbildungen: © der dt. Ausgabe: UBooks