Rezensionen

Marvel Graphic Novels: Shanna

 Ein Comic, zwei Rezensenten: In einer gemeinsamen Besprechung in Dialogform tauschen sich Thomas Kögel und Benjamin Vogt über Shanna, the She-Devil aus, eine Miniserie, in der Zeichner und Autor Frank Cho (Liberty Meadows) eine fast vergessene Marvel-Dschungelheldin wiederbeleben durfte.

 

Thomas: Es ist ziemlich selten, dass sich eine 168seitige Story in fünf Worten zusammenfassen lässt: Ein Babe und viele Dinos. Viel mehr ist es eigentlich nicht, oder?

Benjamin: Stimmt, darauf könnte man es grob gesehen reduzieren. Wobei die Thematik für Marvel an sich ja schon eher atypisch ist, heißt es doch sonst statt „Babe und Dinos“ vielmehr „Strumpfhosen und Prügelei“. Ich für meinen Teil bin über ein wenig Abwechslung bei Material von Marvel auch mal froh. Aber um auf den, zugegeben schnell erfassten, Inhalt der längeren Geschichte um Shanna zurückzukommen: viele viele Dinos und ein hübsches Mädel, das Erlernen der Menschlichkeit und Nazi-Wurzeln. Ein bisschen mehr steckt also doch noch drin, wenn man genauer sucht. Unterhaltsam ist's allemal, oder?

Thomas: Auf jeden Fall! Mir hat das schon richtig Spaß gemacht beim Lesen. Die Geschichte gaukelt weder Tiefsinn noch Bedeutung vor, sondern will nur unterhalten. Pulp Fiction im besten Sinne, nur nicht so billig produziert, sondern schon recht aufwendig. Frank Chos Zeichnungen sind ja wirklich eine Pracht.

Benjamin: Mal von Chos ganz feinen Konturen und Shanna als gelungenem optischen Hingucker abgesehen, imponieren mir besonders seine Szenen mit den Dinosauriern. Diese sind eigentlich Nebendarsteller, werden aber aus ganz interessanten Blickwinkeln immer wieder eingespielt. Neben einigen Massenszenen ist mir besonders die eine Stelle in Erinnerung geblieben, in der ein T-Rex einen Kadaver findet, kurz bevor er im Todeskampf selbst sein Leben lassen muss. Eigentlich unwichtig für die Story, aber symptomatisch für das ruhige Umgebungsbild, das Frank Cho nebenbei laufen lässt, denn allein diese Passage erstreckt sich über mehre Seiten. Das ist dann schon nett gemacht…

Thomas: Ein bisschen ist Shanna die Erwachsenen-Variante von Jurassic Park. Also ohne nervige Kinder, dafür mit reichlich Blut und einem üppigen Bikini-Babe. Im Kino wäre sowas praktisch unmöglich. Höchstens als trashiges B-Movie, aber dann hätte man nicht genug Geld für vernünftige Special-Effects. Frank Cho hat sich hier vermutlich einfach einen pubertären Jungs-Traum erfüllt. Und das erstaunliche ist: Es funktioniert. Diese simplen Elemente, aufgepimpt durch die tollen Zeichnungen, ergeben ein sehr leckeres Comic-Fastfood. Auf Tiefgang muss man, wie gesagt, allerdings verzichten: Die Handlung selbst (Ein paar Soldaten müssen auf der Dino-Insel ein Gegenmittel gegen ein tödliches Virus finden) ist kaum der Rede wert.

Du hast vorhin schon das Stichwort „Nazis“ angesprochen. Shanna wird zu Beginn der Story von einem militärischen Forschungstrupp in einem verlassenen Nazi-Forschungslabor gefunden. Im Grunde ist das völlig unnötig, dass das ausgerechnet Nazis sein müssen, aber das ist eben gute alte amerikanische Pulp-Tradition, insofern passt es dann wieder. Ich habe ja das US-Paperback, wie hat denn Panini die Sache mit den Hakenkreuzen und den deutschen Sprachfetzen gelöst?

Benjamin: Ich nehme an, dass du die „deutschen Sprachfetzen“ Dr. Elsa zuordnest, die ja neben Shanna das einzige lebende Überbleibsel der ansonsten verlassenen Nazi-Station ist. Allerdings muss man in der Panini-Ausgabe die Tatsache, dass sie offenbar Deutsche ist, schon selbst erschließen, denn Dr. Elsa redet durchgehend in genau der selben Sprache (zumindest die geschriebene Form) wie die Soldaten. Komischer finde ich dagegen das leidige Thema der Hakenkreuze in Comics. Panini verwendet die übliche Ergänzungsmethode, bei dem das Kreuz quasi zu einem Viereck ergänzt wird, um das Symbol zumindest etwas unkenntlicher zu machen. Seltsam nur, dass in diesem Band die ergänzenden Balken ein leicht dunkleres Schwarz aufweisen und etwas verruckt platziert sind, so dass  das Hakenkreuz aus der Originalverfassung deutlich durchsehbar bleibt. Ich weiß nicht, ob das Absicht von Panini war, aber in der Form kann man das Retuschieren, wenn es denn eigentlich schon sein muss, auch gleich bleiben lassen.

Aber wo wir gerade von Eigenheiten reden: Typisch amerikanisch ist ja, dass die prallbusige Protagonistin ordentlich mit dem Leser kokettieren und ihr bezauberndes Aussehen ständig zur Schau stellen darf, aber bei den Nacktszenen zu Beginn des Heftes peinlich genau darauf geachtet wird, dass jeder entscheidende Millimeter auch unbedingt durch zufällig erscheinende Wasserbläschen oder Glassplitter verdeckt wird. Allerdings scheint es ja so zu sein, dass Frank Cho die Serie ursprünglich ohne diese eigenwillige Zensur beim erwachseneren Max-Label veröffentlichen sollte und er es dann wegen Marvel umändern musste. Hätte aufgund der vielen blutrünstigen Szenen aber auch gepasst, oder?

Thomas: Das ist eben Amerika. Angeknabberte Torsi, herumflliegende Organe und abgetrennte Köpfe sind kein Problem – aber wehe, wenn mal irgendwo ein Nippel zu sehen ist. Naja.

 Zusammenfassend würde ich sagen: Shanna ist ein netter, belangloser Trash-Spaß für große Jungs. Ich bin aber nicht traurig darüber, dass man hier nur eine Miniserie produziert hat und keine Ongoing-Reihe. Besonders viel Story gibt dieses Konzept nun mal nicht her – wenn man ehrlich ist, hätte man die Geschichte auch in zwei oder drei US-Heften erzählen können, statt in sieben.

Die US-Version gibt's übrigens sowohl als normales Paperback als auch als Hardcover-Sammelband im größeren Seitenformat. Die deutsche Version von Panini ist ebenfalls in diesem größeren Format und mit Hardcover-Umschlag.

Benjamin: Als einmaliges Projekt ist Shanna auch aus meiner Sicht gelungen, als fortlaufende Reihe hätten sich wohl tatsächlich die Ideen zu schnell wiederholt. Ich finde, dass man bei der deutschen Version ein glückliches Händchen bewies, indem man die von dir besagte größere Variante im Hardcover übernahm und in die Serie Marvel Graphic Novels eingliederte. Im Grunde handelt es sich beim Werk von Frank Cho um keine Graphic Novel im ursprünglichen Sinne, aber als Gesamtausgabe im Albenformat wirkt Shanna dort durchaus gut aufgehoben. Auf alle Fälle handelt es sich um ein interessantes Projekt, das eine Nebenfigur des Marvel-Universums mal wieder im würdigeren Rahmen brillieren lässt. Ob US- oder Panini-Version, eine Empfehlung gibts von mir allemal.



Marvel Graphic Novel: Shanna

Panini Comics (Marvel Deutschland)
Text und Zeichnungen: Frank Cho
168 Seiten, farbig, Hardcover im Großformat; 19,90 EUR
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Shanna, the She-Devil
Marvel Comics
Text und Zeichnungen: Frank Cho
168 Seiten, farbig, Paperback; 16,99 US-$
ISBN: 0785110380

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Shanna, the She-Devil
Marvel Comics
Text und Zeichnungen: Frank Cho
168 Seiten, farbig, Hardcover im Großformat; 24,99 US-$
ISBN: 0785119728
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Bildquellen: paninicomics.de, milehighcomics.com