Rezensionen

Marsu Kids 1 – Frisch geschlüpft

Cover Marsu Kids 1 Comics für Kinder: längst keine Selbstverständlichkeit mehr, sondern eher die Ausnahme, wie der Besuch eines beliebigen Comic-Shops beweist. Wieso sollte sich ein 11-jähriges Kind gegen Smartphone und Videospiel und für einen Comic entscheiden? Ein Manga oder ein Superhelden-Heft pro Monat liegt noch im Taschengeld-Budget. Aber da sind ja dann noch die Eltern und Großeltern, die den lieben Kleinen mal etwas Hübsches und Sinnvolles schenken wollen. Die greifen dann, gerade bei Kindern zwischen 5 und 8 Jahren, eher zum Bewährten, gerne auch zu Dingen, mit denen sie bereits groß wurden: Lego, Playmobil oder Asterix. So ungefähr, könnte ich mir vorstellen, wurde die Reihe Marsu Kids ersonnen: Wir nehmen eine knuffige, bewährte Figur von früher, gestalten sie kindgerecht und geben ihr durch das Hardcover den Anstrich eines pädagogisch wertvollen Geschenks.

In diesem Fall ist es das Marsupilami, jene Fantasiegestalt aus dem Dschungel von Palumbien, die seit den Fünfziger Jahren regelmäßig in André Franquins Spirou und Fantasio-Comics auftauchte und später ihre eigene Serie bekam, die bis heute fortgeführt wird. Im Spin-Off Marsu Kids geht es nun vor allem um den Nachwuchs des Marsupilami.

Anders als Asterix und Lucky Luke, die durch die verschiedenen Ebenen ihrer Geschichten für Kinder und Erwachsene gleichermaßen funktionieren, dürfte Marsu Kids für Leser über 9 Jahren einzig zeichnerisch interessant sein. Die Dialoge hingegen bestehen, ich übertreibe nicht, fast ausschließlich aus: „Bi“, „Ha! Ha! Ha““ oder auch aus „Bi! Ha! Ha! ha!“. Es wirkt so, als hätte ein palumbianischer Diktator alles Subtile, Kluge und Interessante aus Franquins Comic zensiert. Zurück bleibt ein Gaga-Büchlein. Konnte man den Kindern früher mehr zutrauen? Die Abenteuer von Pu dem Bär oder Filme wie Findet Nemo funktionieren doch auch für die ganz Kleinen und die Großen. 

Seite aus Marsu Kids 1 Band 1 der Serie begleitet den jungen Indianerkrieger Ptipo und ein kleines Marsupilami-Baby bei ihren Streifzügen durch den Urwald Palumbiens. Dort lauert eine Vielzahl von Gefahren, wie wilde Tiere oder auch der „Weiße Mann“, der etwas von den Schätzen der Ureinwohner anhaben möchte.

Gemeinschaft, Freundschaft und Hartnäckigkeit zahlen sich aus – das ist wohl eine Botschaft dieses Comics. Mit viel Slapstick und überaus niedlich gezeichneten Figuren erleben die kleinen Leser hier Abenteuer in einer detailliert gestalteten Naturkulisse. Für die ganz Kleinen bis 4 Jahre dürfte die Schlange vielleicht zu gruselig sein. Etwas bedrohlicher als Disneys Dschungelbuch wirkt dieser Comic schon.

Der Titel „Frisch geschlüpft“ ist durchaus, unfreiwillig, passend. Lasst den Kids Zeit und schickt sie nicht zu früh raus in den Dschungel. Dort draußen lauern Sailor Moon, der BVB, Doodle Jump, die verspeisen euer drolliges Marsu zum Frühstück. Marsu Kids ist durchaus eine Oase der Unschuld, in der man nicht mit überraschenden Gewaltszenen rechnen muss. Die Idee, auf Kinder als Zielgruppe zu setzen, ist grundsätzlich zu begrüßen, aber traut dem Nachwuchs ruhig mehr zu als Hubba Hubba und Bi, Bi. So wie sich Band 1 präsentiert, ist es ein Rückschritt. Die franko-belgischen Klassiker werden nach wie vor nachgedruckt – warum den Kindern einen lahmen Ersatz vorsetzen?

 

Wertung: 5 von 10 Punkten,

Allzu kindgerechte Variante von Franquins Kultfigur, der man leider das Subtile, Kluge und Interessante ausgetrieben hat

 

Marsu Kids 1 – Frisch geschlüpft
toonfish, Mai 2012
Text: Wilbur, Didier Conrad
Zeichnungen: Didier Conrad
Übersetzung: Monja Reichert
48 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 12,95 Euro
ISBN: 978-3-86869-920-3
Leseprobe

Jetzt bei amazon.de anschauen und bestellen!

Abbildungen: © der dt. Ausgabe: Splitter/toonfish