Rezensionen

Marshal Law: Fear Asylum (US)

Vielleicht bin ich ja einfach zu blöd dafür. Mir wurde „Marshal Law“ als eine bissige Abrechnung mit dem Superheldengenre angekündigt, als geistreiche Dekonstruktion, die mindestens so gut funktioniert wie „The Dark Knight Returns“ oder „Watchmen“, die aber oft übergangen wird. Das habe ich hier nun wirklich nicht entdecken können.

Aber sobald ich diese Interpretation ablegen konnte, habe ich eine etwas andere Lesart entwickeln können, mit der ich viel besser fahre: Gewalt ist lustig und Gewalt gegen Superhelden sowieso. Ich weiß nicht, was sich Pat Mills zum Frühstück spritzt, aber „Marshal Law“ ist eine zynische, bittere, blutige, gewalttätige und geschmacklose Abrechnung mit Superhelden… und auf der Ebene richtig erfolgreich. Besonders die erste Geschichte, in der der Marshal es in einem Irrenhaus mit Analogen zu den Marvel-Superhelden zu tun bekommt, ist vollgepackt mit netten Seitenhieben (der Reed-Richards-Verschnitt spricht die ganze Zeit mit seiner Ehefrau, die natürlich nur er sehen kann, weil sie ja unsichtbar ist) und ausgefeilten Geschmacklosigkeiten. Wenn man gegen Ende der Geschichte sieht, was ein Haufen Kannibalen mit dem Human Torch- und dem Punisher-Analog anstellen, dann wird man unweigerlich halblaut sagen: „Nein, nein, bitte nicht… das kannst du nicht machen, Pat Mills!“ Und anschließend wird man den Comic entweder wirklich mögen oder wütend in die Ecke pfeffern. Bei mir war ersteres der Fall.

Die „Legion of Superheroes trifft Alien“-Geschichte fand ich persönlich ein wenig öde, was aber auch daran liegen könnte, dass der Geschmacklosigkeitslevel aus der ersten Storyline hier nicht aufrecht erhalten wird. Dafür legt Pat Mills sich in der dritten Story, in der Marshal Law auf die Maske trifft, so richtig ins Zeug. Gewalt, fetischistischer Sex und eine künstliche Gebärmutter dürften das zu der verstörendsten Geschichte machen, die ich seit verflixt langer Zeit gelesen habe. Dieses Element des Verstörenden wird noch dadurch unterstrichen, dass die Zeichnungen von Kevin O’Neill (“League of Extraordinary Gentlemen“) stammen, dessen Stil man hier im positivsten Sinne als bizarr und grotesk bezeichnen darf. Es passt eben hervorragend zur allgemeinen Stimmung, Mills und O’Neill arbeiten ausgezeichnet zusammen.

Ich würde „Marshal Law“ auf keinen Fall generell empfehlen, für diesen Comic sollte man schon einen etwas kranken Sinn für Humor haben, man sollte inflationäre und manchmal pubertäre Gewalt (die aber auch nichts anderes sein will) zu schätzen wissen und man sollte auch in der Lage sein, exzessiven Splatter zu ertragen… aber wenn man die Grundvorausetzungen mitbringt, dann ist „Marshal Law“ ein richtig schöner Headtrip, der auf guten Geschmack und Moral scheißt. Hey, DC, ihr denkt es wäre „gewagt“, die Wand mit dem Gehirn von Blue Beetle zu streichen? Ha… guckt erst mal hier rein.

Marshal Law: Fear Asylum
Titan Books
Text: Pat Mills
Zeichnungen: Kevin O’Neill
176 Seiten; $24,95