In Liebe und andere Lügengeschichten erzählt die herausragende Autorin Kiriko Nananan in dem zeitgenössischen Manga in unheimlich verdichteter Form über Sexualität, Gefühls- und Liebesleben von japanischen Jugendlichen und jungen Erwachsenen, meistens Frauen, in 23 Facetten.
Die 23 Episoden sind kurz und prägnant. Sie drehen sich um
– die Sehnsucht nach dem Ex,
– Sorgen beim Liebesspiel, ob es ihm wirklich um sie gehe,
– Eifersüchteleien, Bluffen und Wohlwollen zwischen Freundinnen beim Gespräch im Café und vieles mehr.
Chikada prostituiert sich bei über 60-jährigen Frauen, um Geld zu verdienen, das er mit Mädchen ausgibt. Shizuku verführt auf einer Party händchenhaltend einen Schwarm, während ihr Freund betrunken in einer Ecke liegt. Eine junge Frau merkt beim Fremdgehen, wie sehr sie ihren Freund liebt. Ein junger Mann wird vor die Entscheidung gestellt, sich zwischen seiner finanzstarken Freundin und einer attraktiven Nebenbuhlerin zu entscheiden und alles kommt anders. Manchmal werden einzelne Erzählstränge aufgegriffen und die Entwicklung der Beziehung weitergeführt.
Die Geschichten selber sind toll. Erstaunlich, wie schnell man in die jeweilige Gefühlslage und die komplizierten Umstände hineingezogen wird. Und das immer wieder aufs Neue. Obwohl 23 Geschichten erzählt werden, sind die Einfälle und Variationen der Japanerin Nananan unerschöpflich und originell, jenseits vieler Klischees. Sie gehen ans Herz, sind packend erzählt, machen nachdenklich. Es geht Schlag auf Schlag. Die Darstellung von Sex und Erotik ist genau richtig getroffen, nicht effekthaschend, nicht übertrieben prüde im US-American-Style, sondern so, wie es die Erzählung benötigt, offen und ohne falsche Tabus, nie voyeuristisch. Die Zeichnungen sind schwarz-weiß, schnörkellos und manchmal fügt Nananan Porträts ihrer Hauptfiguren ein. Die schnell in die Tiefe gehenden Episoden geben mir als Leser am Ende der Lektüre das Gefühl, das Buch müsste eigentlich dicker sein, so viel hat man beim Lesen erlebt.
Ein Mini-Manko: Ein mir nur schwer lösbares Problem war es, die Namen den handelnden Personen zuzuordnen. Da die Kurzgeschichten schnell zum Erzählen kommen, bleibt nicht viel Zeit, die mal weiblichen, mal männlichen Hauptpersonen langsam einzuführen. Und da mir die japanischen Vornamen (leider!) keinen Aufschluss geben, ob es sich um Männlein oder Weiblein handelt, musste ich höllisch aufpassen, um manche Dialoge korrekt zu verfolgen.
Fazit: Ein wirklich guter Manga für Erwachsene mit einem vielschichtigen Frauen- und Männerbild. Das Buch macht definitiv Lust auf mehr von der japanischen Autorin Kiriko Nananan, die auch Blue bei Shodoku veröffentlicht hat.
Liebe und andere Lügengeschichten
shodoku / Schreiber & Leser, September 2008
Zeichnungen/Text: Kiriko Nananan
212 Seiten, Softcover, schwarz-weiß
14,95 Euro
ISBN 978-3937102955
Bildquelle: schreiberundleser.de