Juan Solo ist ein vom Leben geschundener Mann, der nach eigener Aussage so heißt, wie er ist. Solo eben. Selbst am Ende seines Lebensweges, welches man zu Beginn bereits ohne Hintergrundwissen vorgesetzt bekommt, am Kreuze hängend, einsam in der Wüste zurückgelassen, meint er zurückblickend, schon immer allein gewesen zu sein.
Die Geschichte des Juan Solo beginnt in Huatalco City, irgendwo in Südamerika, wo er von seinen Eltern, wahrscheinlich aufgrund seiner anatomischen Besonderheit (er hat einen Hundeschwanz), auf einer Müllkippe ausgesetzt wird. Aufgezogen von einem zwergwüchsigen Transvestiten gelingt ihm eine beachtliche kriminelle Karriere, vom talentierten Killer zum Leibwächter eines korrupten Ministers. Juan Solo ist ein Mann mit Prinzipien, der sich zur Elite der illustren Garde des machtvollen Politikers hocharbeitet, eine Position in die er als Mann mit Schwanz hineingeboren zu sein scheint. Nicht nur, dass sich seine Kollegenschaft aus ziemlichen Freaks zusammensetzt, auch der Umstand, die Frau seines Bosses regelmäßig befriedigen zu dürfen, lässt eine schnelle Eingewöhnung zu.
Der schnelle und äußerst tiefe Absturz folgt, als Juan Solo mit seiner Vergangenheit konfrontiert wird und eine gänzlich absurde Familienbande zufällig ans Tageslicht befördert wird. Vertrieben aufgrund seiner Taten und verfolgt vom rachsüchtigen Bruder landet er in Armut und Depression. Im Kampf ums Überleben ist vom einstig selbstbewussten Killer nicht mehr viel übrig. Wenig später wird er ohne sein Zutun in die Rolle eines Heiligen gedrängt wird und sieht schließlich seine Chance auf Vergebung für ein einsames Leben voller Sünde.
Juan Solo ist eine ursprünglich vierbändige Albenreihe, die von Splitter in zwei dicken Doppelbänden komplett veröffentlicht wurde. Und nach dem Lesen mus ich sagen, dass ich recht zwiegespalten bin, wie das Werk von Alexandro Jodorowsky (u.a. Meta-Barone, John Difool) und Georges Bess nun einzuschätzen ist. Zum einen ist es absolut erstaunlich, wie komprimiert die Geschichte geraten ist: Gerade noch war man Zeuge der frühesten Kindheit, am Ende des zweiten Bandes wurden im Verlauf nicht nur zig Menschen getötet und Frauen gevögelt, nein, auch Juan Solos Aufstieg und Niedergang ist bereits komplett vonstatten gegangen und die Story kulminiert schlussendlich in der Dokumentation seines recht erbärmlichen Todeskampfes. Das ist Jodorowskys großer Verdienst, dass er eine eigentlich unvorstellbare Schicksalsgeschichte so schnell extremen Höhen und Tiefen auszusetzen vermag, dass im Grunde das ohnehin absurde Dasein des Protagonisten durch das Erlebte zusätzlich pervertiert wird. Die Figur des Juan Solo ist deshalb gut gelungen, weil sie mit ihrem grotesken Äußeren jene Hässlichkeit repräsentiert, die sie durch ihre Brutalität und Gewissenlosigkeit nach außen hin verkörpert. So ist sie für den Leser je nach Situation abstoßend oder mitleidserregend, in jedem Fall aber faszinierend. Am Ende sollte man in ihr dann vermutlich eine Art Antihelden sehen.
Gegen diese Faszination könnte man aber durchaus argumentieren, dass innerhalb des Plots plausible Motive zu vermissen sind, bzw. werden diese für meine Begriffe zu stark auf Kosten der sehr rasch ablaufenden Erzählung vernachlässigt. Warum erfährt Juan Solo eine so rasche Charakterwende, so dass er sogar seinen Körper für Geld zur Verfügung stellt? Für mich ist das einer unter mehren Punkten, die mich an den Beweggründen und der Persönlichkeit der Figur zweifeln ließen.
Allerdings gelingt es Jodorowsky trotz aus meiner Sicht kleinen Logikschwächen erstaunlicherweise gut, den Brückenschlag zum Anfangsgeschehen zu schaffen. Somit ist die Handlung rund und in sich schlüssig. Die Story beginnt und endet beim einsamen Mann in der Wüste, der die Wandlung zum Heiligen vollzogen hat. Rückblickend ist dieses Leitmotiv sicherlich ungewöhnlich und gut umgesetzt worden.
Juan Solo wartet mit allerlei schrägen Ideen auf, die regelmäßig ins Absurde abdriften und liefert ein lateinamerikanisches Gangsterdrama, das nicht mit Gewalt und offen praktiziertem Sex als stilsetzende Mittel geizt. Atmosphärische Dichte entsteht durch Bess‘ dreckigen Zeichenstil, der durch gediegene Farben in seiner expliziten und radikalen Darstellungsform etwas abgefedert wird. Seine Bilder wirken stimmig zur Mexiko-affinen Thematik und zum Charme der dortigen rauen Gangart.
Juan Solo
Splitter; Juli/September 2008
Text: Alexandro Jodorowsky
Zeichnungen: Georges Bess
Je 112 Seiten; farbig; Hardcover; 22,80 Euro
Band 1: ISBN: 978-3-940864-14-7
Band 2: ISBN: 978-3-940864-16-1
Band 1: Sohn einer Hündin
ISBN: 978-3-940864-14-7
Leseprobe
Band 2: Heiliger Schweinehund
ISBN: 978-3-940864-16-1
Leseprobe
Bildquelle: splitter-verlag.de
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