Das in Düsseldorf beheimatete Magazin Herrensahne brachte diesen Sommer schon zum elften Mal eine Sammlung von Comics diverser Künstler heraus. Das Prinzip solcher Anthologien ist ja meistens die Vorgabe eines Themas, an dem sich dann jeder Zeichner auf seine Weise abarbeiten darf. So entstehen interessante Stilmixturen, die viele Leser jedoch oft nur teilweise begeistern können. Manches mag man, manches mag man nicht.
Die elfte Ausgabe von Herrensahne mit dem Titel „Neues Spiel“ macht es anders: Die elf beteiligten Künstler erzählen eine durchgehende Geschichte. Zwar hat man es auch hier mit einer großen Palette von zeichnerischen und erzählerischen Stilen zu tun: Die Bandbreite reicht von der wortlosen Bildgeschichte bis zum bilderlosen Prosatext. Aber alle arbeiten an der gleichen Story, alles gehört zusammen. Von der Handlung kann man sich als Leser auch dann durch ein Kapitel tragen lassen, wenn man zu dem jeweiligen Stil keinen Zugang findet (was durchaus vorkommen kann, denn „mainstreamig“ sind die Zeichnungen in den meisten Fällen nicht).
Erzählt wird die Geschichte eines namenlosen Wesens, das am Anfang recht unförmig aussieht und einer Socke oder einer Wurst ähnelt. Ihm schwebt das Bild eines schönen Mädchens vor seinem geistigen Auge, und von nun an hat er ein Ziel: Er muss dieses Mädchen finden. Dabei stolpert er ziemlich unbeholfen durch verschiedene Welten, bekommt es mit diversen Gegnern zu tun, sammelt Gegenstände und entwickelt sich selbst körperlich immer weiter, bis er gegen Ende zu einem stattlichen Krieger geworden ist.
Der Titel Neues Spiel deutet es schon an: Wir sind in einem Videospiel. Mit jedem Zeichnerwechsel betritt der Held ein neues Level, eine neue Welt. Das Buch spielt sehr schön mit bekannten Elementen von Videospielen, z.B. wird regelmäßig eine Liste der bereits gesammelten Gadgets eingeblendet.
Ich weiß nicht, ob der Inhalt der jeweiligen Kapitel vorher festgelegt wurde, oder ob jeder Künstler frei herumspinnen durfte. Die Geschichte hat jedenfalls, trotz einigen Schlenkern und Abschweifungen, einen klar erkennbaren roten Faden. Dazu passt dann auch, dass das Anfangs- und das Schlusskapitel (das mit einer herrlich traurigen Pointe aufwartet) vom gleichen Zeicher, Tobi Dahmen, stammt.
Aufmachung und Gestaltung sind, wie immer bei der Herrensahne, vom feinsten. Der silberglänzende Umschlag mit der aufgeklebten Produktbezeichnung erinnert an das Outfit einer Spielkonsole, auch bei Druck und Papier wurde nicht gespart. Alles in allem beweist Herrensahne zum wiederholten Mal, dass man sich dem Prinzip der Anthologie auf vielfältige Weise nähern kann und legt einen originellen Band vor, dem der Spagat zwischen Kunst und Unterhaltung sehr gut gelingt.
Herrensahne 11: Neues Spiel
Herrensahne, Juni 2006
von und mit: Tobi Dahmen, 18 Metzger, Wil Borgmann, Alex Jahn, Steffi Pohl, Jörn Rings, Michael Blomeier, Christian Lessing, Kai Christmann, Till Lassmann, Max Fiedler, Marc Ewert
120 Seiten, s/w, Softcover; 8,- Euro
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