Rezensionen

Ganz gleich

Einige von uns dürften das gut kennen: man hat vor ein paar Jahren die Schule abgeschlossen und seine ländliche Heimat Richtung Großstadt verlassen, um dort zu studieren. Dazu gehört natürlich auch ausgiebiges Abhängen mit den Kumpels, Herumphilosophieren und gegenseitiges Popkulturwissen-Abfragen. Aber immer wieder passiert es, dass man mit dem alten Leben, das man doch hinter sich lassen wollte, konfrontiert wird – und solche Momente können schön, peinlich oder richtig ätzend sein.

Davon erzählt Derek Kirk Kim in „Ganz gleich“. Simon trifft nach einigen Jahren eine frühere Freundin wieder, mit der es leider nie zu einer Beziehung kam, und erfährt, dass sie bald heiraten wird. Mittelpunkt der Handlung aber ist die Suche nach einem Unbekannten: Simons Kommilitonin Nancy bekommt seit ihrem Umzug jede Menge Liebesbriefe, die an ihre Vormieterin gerichtet sind, die aber von Nancy gesammelt, gelesen und sogar beantwortet werden. Gemeinsam mit Simon beschließt sie, den mysteriösen Schreiber dieser Briefe ausfindig zu machen. Die Suche führt überraschend in das Dorf, in dem Simon aufgewachsen ist.

Die vordergründige Handlung ist aber nicht das Wichtigste an „Same Difference“ (so der Originaltitel): vielmehr geht es um die Darstellung von Befindlichkeiten und Stimmungen, die man in dieser Phase des Lebens hat. In den vielen kleinen Dialogen um eigentlich unwichtige Themen entstehen glaubwürdige Charaktere, in denen man durchaus sich selbst oder andere Menschen aus seinem Umfeld wiedererkennen kann. Eine Alltagsgeschichte also, mit einem autobiographischen Touch und melancholischen Momenten. Aber im Gegensatz zum Schwermut in manch anderen Comic-Selbstbespiegelungen (“Blankets“, „Eigentlich ist das Leben schön“) ist „Ganz gleich“ im Grundton sehr positiv und bietet auch viele lustige Szenen. Humor und Ernsthaftigkeit halten sich hier angenehm die Waage. Kim hat einen sehr stimmigen Erzählton für seine Geschichten gefunden, der übrigens auch in der deutschen Übersetzung von Björn Laser und Andreas Wieland sehr gut rüberkommt. Die zahlreichen Popkultur-Referenzen, z.B. Anspielungen auf obskure Filme oder Promis, die in Deutschland keiner kennt, werden dankenswerterweise von den Übersetzern in einem eigenen kleinen Anhang erklärt.

Dass Derek Kirk Kim, ebenso wie seine Hauptfiguren Simon und Nancy, aus Korea stammt, sieht man ein wenig an seinen Schwarz-Weiss-Zeichnungen: ein sehr hübscher Stilmix aus dem, was man von US-Indiecomics kennt, und einigen kleinen Manga-Anleihen, die zwischendurch aufblitzen. Kim erhielt im letzten Jahr den Eisner Award als „Talent Deserving A Wider Recognition“, also als Talent, das größere Aufmerksamkeit verdient. Genau das ist ihm zu wünschen.

Ganz gleich
Reprodukt
Text und Zeichnungen: Derek Kirk Kim
88 Seiten; 12 €