Normalerweise haben wir bei Comicgate seit jeher das ungeschriebene Gesetz, keine Rezension über Comics von Mitarbeitern zu verfassen.
Da ich aber erstens nichts von der Entstehungsgeschichte mitbekommen habe (Blut, Schweiß und Tränen würden den Rezensentenblick vielleicht trüben… 😉 ) und zweitens noch die Meinung eines völlig Unbeteiligten eingeholt habe, erlaube ich mir, das Gesetz zu brechen.
Miguel Fernandez, Cartoonist bei uns und bei INKplosion, legt mit Felsfest Open Air seinen ersten Comic vor.
Der Einstieg in die Geschichte kommt einem erstmal reichlich bekannt vor:
Frederik, unglücklich verliebt in die beste Freundin aus Kindertagen, trifft sich in einem Café mit ihr und hat seinen ganzen Mut zusammengenommen, um ihr endlich seine Liebe zu gestehen. Aber dummerweise kommt der schüchterne Brillenträger nicht zu Wort, denn Clair ist ihrerseits frisch verliebt, und zwar in Bon Jochen (!), ein Musiker, dessen Band am nächsten Tag auf dem riesigen Felsfest Open Air spielen wird.
Frederiks bester Freund Delli, Festivalgänger erster Güte, bekommt die ganze Szene mit, und so beschließt Frederik, dass er sich an Delli und seine Kumpels dranhängt und mit auf’s Felsfest kommt, um Clair nicht kampflos aufzugeben.
Ab hier beginnt dann der eigentliche Spaß und das Innovative an diesem Comic. Besonders Festivalgänger werden ihre wahre Freude haben bei den ganzen Szenen, in denen es um Zeltaufbau, Dixieklos, Essensbeschaffung und Vorglühen geht. So bekannt kommt einem das alles vor, dass man immer wieder breit grinsen muss. Auch sprachlich dreht Miguel auf und kann so manchen verdammt guten Schenkelklopfer raushauen. Er hat einfach ein ausgezeichnetes Gespür für gute Pointen und knackigen Wortwitz.
Leider verliert er sich an anderer Stelle aber manchmal in den Dialogen. Die kommen dann etwas langatmig und steif daher. Und auch wenn es der Story dienlich ist, man nimmt es Clair einfach nicht ab, dass sie sich einen solchen Typen wie Bon Jochen ausgesucht haben soll. Da ist dann doch etwas zuviel Ratlosigkeit auf Seiten des Lesers.
Im zweiten Teil des Comics rutscht die Geschichte dann etwas weg vom Festivalgeschehen und rückt wieder Frederiks Werben um Clair in den Vordergrund. Nach einigen teils herzigen, teils verrückten Verzweiflungstaten und Zwischenfällen wird die Geschichte dann recht konventionell beendet.
Die Zeichnungen sind prima. Sie wirken schön locker, und jede Figur sieht unverwechselbar aus; das ist ja des öfteren ein Manko bei Zeichnern. Der Stil ist noch nicht ganz einheitlich, was aber nicht besonders störend wirkt.
Außerdem kann er recht gut karikieren, wie man links sehen kann.
Felsfest Open Air ist der gelungene Einstand eines talentierten Comiczeichners. Wenn Miguel noch ein wenig an seinen Dialogen und dem Handlungsfaden feilt, dann stehen uns da noch einige interessante Sachen bevor. Ich freu mich drauf.
Das dickste Lob gibt es aber indirekt von meinem Freund, der sonst alle Comics (außer Rudi) mit demselben Gesichtsausdruck beehrt wie schimmelige Salami kurz vor’m Flüssigwerden.
Er hat Felsfest in einem Rutsch durchgelesen, zwischendurch feist grinsen müssen und es dann mit einem „Das ist ja richtig nett!“ zurück auf den Tisch gelegt. Das will was heißen…
Felsfest Open Air
Schwarzer Turm
Autor und Zeichnungen: Miguel Fernandez
48 Seiten, farbig, Softcover; 10,- Euro
ISBN: 3934167241
Felsfest bei Schwarzer Turm (inkl. 10-seitiger Leseprobe)