Rezensionen

Fables – 1001 schneeweisse Nächte

Fables – 1001 schneeweiße NächteEs war einmal ein erfolgreicher Fantasy-Comic … Nachdem Neil Gaimans Hit-Serie The Sandman Ende der Neunziger abgeschlossen war, suchte man bei dem DC-Erwachsenen-Label Vertigo lange nach einem würdigen Nachfolger. Inzwischen sieht es so aus, als hätte Vertigo sein neues Flagschiff mit Fables gefunden, der aktuellen Serie von Bill Willingham. Erneut geht es um Fantasywesen, die sich ins Hier und Jetzt verirrt haben, wenn gleich Willinghams Arbeit vielleicht etwas bodenständiger ist und mit weniger Pathos auskommt als einstmals Gaimans Werk.

In den USA erscheint im April die 72. Ausgabe von Fables. Hierzulande hinkt man den Erscheinungen wie immer etwas hinterher. Nichtsdestotrotz können Freunde der Fabelwesen dank Panini mittlerweile auf vier deutsche Sammelbände zurückgreifen, in denen die Geschichte von Snow White, Bigby Wolf, Rose Red, Prince Charming und den anderen Fables ihren Anfang nimmt. Zu der fortlaufenden Serie gesellt sich nun 1001 schneeweiße Nächte, ein optisch außerordentlich aufwendiger und üppiger Sonderband, an dem insgesamt elf verschiedene Künstler mitgearbeitet haben. Inhaltlich stöbert man in der Vergangenheit der Fables, vor dem Exil. Der Feind war nah, und wer den Krieg überlebte, nutzte seine Chance zur Flucht.

In dem vorliegenden Sonderband erfährt der Leser mehr über Snow Whites Ehe mit Prinz Charming und die Zeit, die sie davor bei den Zwergen verbracht hat. In einer anderen Geschichte rettet der listige Fuchs Reynard den Löwenkönig und dessen Gefolgschaft vor den Koboldscharen. Außerdem lernen wir mehr über die Hintergründe bekannter Fables, so z. B. über das Schicksal des verzauberten Frosches und seiner Familie, über Bigbys Herkunft und über das Engagement von König Cole während des Krieges. „1001 schneeweiße Nächte“ enthält eine farbenfrohe Zusammenstellung von acht kleinen und größeren Geschichten, die das Universum der Fables weiter ausleuchten. Die Geschichten werden von einer Rahmenhandlung ein- und ausgeleitet, in der Snow White einige Jahre bei dem Sultan verbringt, dem Herrscher über alle arabischen Fables. Während ihrer Gefangenschaft erzählt sie ihm Märchen, daher auch die Anlehnung des Titels an „Die Märchen aus 1001 Nacht“.

Müsste man den Sonderband mit einem einzigen Wort beschreiben, wäre „kurzweilig“ wahrscheinlich das richtige. Eingefleischten Fables-Fans bietet der Band Hintergrundinformationen zu Einzelfiguren, die Haupthandlungslinie wird jedoch nicht weiter verfolgt. Neueinsteigern vermittelt der Band die Vielseitigkeit und Farbenfreude von Fables und macht Geschmack auf mehr. Die meisten Geschichten leiden jedoch darunter, dass sie gegen Ende nicht mit einer Pointe aufgelöst werden, sondern zur Haupthandlungslinie abdriften und Fragen offen bleiben. Das dürfte insbesondere für Neueinsteiger ein Problem sein. Eine erfreuliche Ausnahme bildet hier die Geschichte „Fechtstunden“, in der das Märchen „Schneewitchen und die sieben Zwerge“ eine erfrischende neue Interpretation erfährt.

Inhaltlich ist der Sonderband also solide, aber kein Höhenflug. Anders hingegen sieht es mit dem Zeichnerischen aus. Die in diesem Band vereinigten Künstler zeigen, was sie können. Ihre Lösungen für die jeweiligen Geschichten fallen sehr unterschiedlich und zugleich qualitativ sehr hochwertig aus. Insbesondere die Geschichte „Aus der Froschperspektive“ sticht ins Auge. Hier beweist James Jean sein Geschick, der außerdem für die Cover von Fables verantwortlich ist. 2007 gewann er mit dieser Episode einen Eisner Award (sozusagen der Comic-Oscar) für die beste Kurzgeschichte sowie einen als bester Coverkünstler (im vierten Jahr in Folge). Außerdem hat Fables 2007 noch Eisner Awards als beste Anthologie, für das beste Lettering (Todd Klein) sowie für den besten „Painter/Multimedia Artist“ (Jill Thompson) und für das beste Team Zeichner/Tuscher (Mark Buckingham/Steve Leialoha) abgestaubt.

Bill Willingham erklärte kürzlich in einem Interview, er könne sich vorstellen, Fables weiter zu treiben als einst Dave Sim seine Serie Cerebus. Das würde 301 Ausgaben oder mehr für Fables bedeuten. So weit ist die Serie noch lange nicht, nicht einmal in den USA. Aber dass sie das Potential dazu besitzt, das hat Willingham längst bewiesen.

Fables – 1001 schneeweiße Nächte
Panini, Januar 2008
Text: Bill Willingham
Zeichnungen: Mark Buckingham, Brian Bolland, John Bolton, Charles Vess u.a.
Übersetzung: Gerlinde Althoff
Originalausgabe: Fables – 1001 Nights of Snowfall (DC Vertigo)
148 Seiten, Softcover, vierfarbig; 16,95 Euro
ISBN 9783866075482

www.billwillingham.com
Interview mit Bill Willingham auf sequentialtart.com

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Bildquelle: paninicomics.de