Rezensionen

Die Saga vom Dunkelelf 1: Heimatland

Panini hat sich Comicadaptionen aus der Rollenspielwelt angenommen und präsentiert mit der Vergessene Reiche-Saga um Drizzt, den etwas anderen Dunkelelf, nach Dragonlance 1: Die Legende von Huma bereits den zweiten Comic aus der Welt von Dungeons & Dragons (kurz D&D).
Die beiden Serien laufen inhaltlich unabhängig voneinander, so dass man hier in ein völlig neues Szenario geworfen wird.

Wer sich für Comics und Rollenspielillustrationen interessiert, sich aber nicht weiter auskennt im D&D-Reich (ergo: die Rezensentin), der hat erstmal ganz schön zu strampeln mit dem ungewohnten Szenario und den vielen exotischen Namen, die sich Fantasy-Autor R.A. Salvatore für sein Dunkelelfenuniversum ausgedacht hat.

Mit der Zeit gewöhnt man sich dann an diese feindliche Unterwelt namens Menzoberranzan, die die Heimat bildet für das matriarchale Dunkelelfenvolk, das seine Clans in so genannte „Häuser“ einordnet. Einziger Lebenszweck der Dunkelelfen scheint es zu sein, in der Rangfolge der Häuser aufzusteigen und somit mehr Macht zu erhalten. „Aufsteigen“ heißt konkret, dass man ein anderes Haus überfällt und sämtliche Clanangehörige tötet. Denn zimperlich geht es weiß Gott nicht zu in Menzoberranzan. Da wird skrupellos getötet, intrigiert und gelogen und selbst vor Brudermord nicht zurückgeschreckt. Alles scheint erlaubt zu sein, so lange man keine Gnade zeigt, Kompromisse anstrebt oder sonstige ehrenhafte Neigungen auslebt. Aus undefinierten Gründen erzürnt dies nämlich die Spinnengöttin Lolth, und ohne ihr Wohlwollen ist der Sieg in einer Schlacht nicht zu erreichen.

In diese heimelige Welt wird Drizzt hineingeboren, dritter Prinz des Hauses Do'Urden – und sollte eigentlich auch sofort wieder getötet werden, um Lolth gnädig zu stimmen für einen Sieg über das Haus Devir. Doch da kurz zuvor der ältesteste Prinz von seinem jüngeren Bruder ermordet wurde, ist das Opfer eines Prinzen aus dem Hause Do'Urden bereits vollzogen und rettet somit Drizzts Leben. Dass er ungewöhnlich ist, bemerken seine Mutter, die Herrin Malice (sic), und Schwestern sofort – er hat violette Augen, wie man sie noch nie gesehen hat.
Drizzt wächst in dieser von Frauen beherrschten Welt auf und wird darauf gedrillt, seine hervorragenden Talente in der Kampfkunst auszubauen und seiner Mutter ohne nachzufragen zu gehorchen. Allerdings zweifelt er immer mehr an dem skrupellosen System und scheint nicht wirklich hineinzupassen. Leise Unterstützung erhält er von seinem Lehrer, dem Waffenmeister Zaknafein. Allerdings sind die unbarmherzigen Regeln zu mächtig, und so wird Drizzt zur Vervollkommnung seiner Kampfkünste an die Akademie geschickt, an der er sich in neun Jahren als bester Kämpfer behauptet. Zaknafein hat die Befürchtung, dass die Akademie den jungen Prinzen gebrochen hätte, was erstaunlicherweise doch nicht der Fall ist. Als Malice mal wieder in den Krieg gegen ein anderes Haus ziehen will, muss sich Drizzt endgültig entscheiden, wo er steht…

Das war im Schnelldurchlauf die Zusammenfassung des Comics, der auf 148 Seiten knapp 30 Jahre im Leben von Drizzt Do'Urden abdeckt. Sehr viel Zeit lassen sich die Macher mit der Vorgeschichte um die Geburt des Prinzen, während seine Jugend und die neun Jahre an der Akademie recht schnell abgehandelt werden. Das bringt einen manchmal etwas aus dem Takt, aber irgendwie muss man ja wohl die Geschichte raffen.

Was mich mehr störte waren diverse Logiklöcher. Zum Beispiel ist Waffenmeister Zaknafein besorgt um Drizzt und will ihn nicht verderben sehen durch die restlichen Dunkelelfen. Allerdings animiert er ihn, sein Bestes zu geben, als seine Mutter den Fortschritt ihres Jüngsten begutachten will. Diese ist sehr angetan und schickt ihn daraufhin zur Akademie, um seine Talente auszuweiten, was Zaknafein gar nicht gefällt. Seine Bitte, ob Drizzt noch bei ihm bleiben könne, wird harsch abgewiesen. Er sei schon gut genug für die Akademie. Die große Frage – warum instruierte Zaknafein Drizzt nicht, seine Künste zu verbergen? Er wusste doch, dass ihm sonst die Akademie blühen würde.

Das ist nur ein Beispiel für diverse Handlungsstränge, bei denen man sich doch mal den Kopf kratzt und leise wundert. Die bösartige Gesellschaft und das Drumherum scheint mir nicht konsequent genug durchdacht worden zu sein. Störend fällt mir auch auf, dass über die dreißig Jahre hinweg bis auf wenige Ausnahmen alle Personen, besonders die oft in Pose gesetzten Frauen, immer dasselbe anhaben – vermutlich, damit sie man sie eindeutig voneinander unterscheiden kann. Dummerweise haben nämlich alle Dunkelelfen weiße Haare, so dass man auch dessen Farbe nicht zur Absetzung der einzelnen Figuren nutzen kann. Was alles nicht gerade für die Fähigkeiten des Zeichners spricht, ordentliche Einzelpersonen auszuarbeiten.
Noch ein Punkt: Ich kenne mich wie gesagt nicht aus in der Welt der Dunkelelfen und weiß deshalb nicht, wie sich das so mit dem Altern verhält. Aber etwas verwundert war ich schon, dass Drizzt ganz normal heranwächst, während die anderen in drei Jahrzehnten keine einzige Falte bekommen haben…

Trotz dieser einzelnen Kritikpunkte ist der 1. Band von Die Saga vom Dunkelelf im Ganzen gesehen ein recht zufriedenstellendes Stück Comic. Der Zeichenstil von Tim Seeley (G.I. Joe und Autor von Loaded Bible) erinnert an gute alte Image-Zeiten, ist bis auf einige kleinere Kritikpunkte sehr ordentlich und bietet kaum Ausfälle – allerdings auch noch keinen wirklich eigenen Stil. Wer sich ein wenig für Rollenspiele und Fantasywelten interessiert, der bekommt hier ein ordentliches Stück Gegenwert, das dank der dichten Handlung für längeren Lesespaß sorgt. Abgerundet wird der Sammelband durch ein Vorwort des Dunkelelfen-Erfinders und Autors R.A. Salvatore, die Coverabbildungen der US-Einzelbände und, nicht zu vergessen, den angenehm anzufassenden Einband.
Ich freu mich jedenfalls auf die Fortsetzung im August 2006. Und so etwas ist ja immer ein ganz gutes Zeichen.

Die Saga vom Dunkelelf 1: Heimatland
(aus Vergessene Reiche – Forgotten Realms)
Panini Deutschland
Buchvorlage: Robert A. Salvatore
Skript: Andrew Dabb
Zeichnungen: Tim Seeley
148 Seiten, komplett farbig, Softcover; 16,95 Euro
ISBN: 3833213884

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