Rezensionen

Der Wald der Jungfrauen 1 – Verrat

Cover Der Wald der Jungfrauen 1Wer bei dem Titel oder dem Cover erotische Bilder innerhalb einer historischen Kulisse im Kopf hat, wird enttäuscht sein. Nein, im Auftaktband „Der Verrat“ der Fantasy-Serie Der Wald der Jungfrauen gibt es keine aufreizenden Posen oder unschuldige Frauen zu sehen. Jean Dufaux (Kreuzzug, Splitter, 2008) und Béatrice Tillier (Fee, Splitter, 2008) inszenieren ein historisierendes Märchen- und Sagenepos, das vom unerbittlichen Kampf zwischen Menschen und Wölfen handelt.

Was so harmlos klingt, entpuppt sich als unterhaltsames Abenteuer – nicht zuletzt deshalb, weil Dufaux auf abgehobene Heroic-Fantasy-Elemente und abgedroschene Zaubereien verzichtet.

Eine Zweck-Hochzeit soll endlich Frieden zwischen Menschen und Wölfen stiften. Doch die Ehe zwischen den beiden adeligen Vertretern ihrer Rasse – Feuerwolf und Aube – dauert keinen Tag an: Es kommt zum Verrat – das überrascht ob des Titel dieses Bandes noch nicht unbedingt. Aber fortan wendet sich die Handlung. Anstatt einer – zugegebenermaßen erwarteten – Zauberwald-Abenteuer-Ballade rüsten die verfeindeten Parteien zum endgültigen Kampf auf. Und das geschieht auf höchst amüsante Weise – fast simultan, mit ähnlichen Strategien auf beiden Seiten, wodurch die Absurdität von Kriegen im Allgemeinen dargestellt wird. Denn beide Seiten suchen ihre verschollenen, aber umso schlagkräftigeren Helden – okay, ein bisschen Heroic-Fantasy ist doch dabei – auf. Trotzdem wirkt die Story im positivsten Sinn wie ein Märchen – vor allem bodenständiger und ruhiger als viele der zahllosen Fantasy-Comics. Das liegt auch daran, dass beispielsweise der verschollene Wolfkämpfer inzwischen eine Familie mit einer Füchsin gegründet hat und der Gewalt abgeschworen hat.

Seite aus Wald der Jungfrauen 1Atemberaubend. So kann die Illustration von Tillier umschrieben werden. Wer nichts mit der Story anfangen kann, der kann sich immer noch an dem mehr als gelungenem Artwork berauschen. Die Comickünstlerin verwendet abwechselnd filigrane oder kräftige Striche. Ihre Zeichnungen bestechen durch eine detailreiche, realistische Ästhetik, wobei sie teilweise auf schwarze Umrandungen verzichtet. Auf diese Weise entsteht ein schön anzuschauendes Spiel mit der Tiefenperspektive. Auch Tilliers Kolorierung muss als herausragend bezeichnet werden. Der Schwerpunkt liegt auf warmen, strahlenden Farbtönen, vor allem ein sattes, leuchtendes Orange. Überraschend sind auch die an historische Vorbilder angelehnten Kostüme, die detailliert und kreativ umgesetzt wurden.

Nach diesem überzeugendem Auftakt kann man sehr gespannt darauf sein, in welche Richtung Der Wald der Jungfrauen sich inhaltlich weiterentwickeln wird. Salleck Publications hat auf alle Fälle ein gutes Händchen bewiesen, indem der Verlag die Serie aus der Taufe gehoben hat. Die Nähe zum Märchen oder zur Mythologie – am Ende treten Zentauren auf – macht die Serie jedenfalls sympathisch und erfrischend anders. Man kann nur hoffen, dass Dufaux die Serie nicht in wildere Gewässer steuert, weil sonst die Einzigartigkeit verloren gehen würde.

Von diesem Band gibt es eine auf 300 Exemplare limitierte Vorzugsausgabe mit Skizzen und Druck für 59,- Euro.

Der Wald der Jungfrauen 1 – Verrat
Salleck Publications, Februar 2010
Text: Jean Dufaux
Zeichnungen: Béatrice Tillier
Hardcover, 56 Seiten, farbig; 12,90 Euro
ISBN: 9783899083408

Gut!
Wendungsreiche Story mit atemberaubendem Artwork

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Abbildungen © Béatrice Tillier, der dt. Ausgabe Salleck Publications