Rezensionen

Der Schatz von Wörgl

 Der opulente Titel-Schriftzug lässt zunächst vielleicht eine Abenteuergeschichte mit Heimatfilm-Deko vermuten, aber wenn man dann am unteren Rand den Schriftzug „Michael Unterguggenberger und das Freigeldexperiment“ liest, ahnt man schon, dass es möglicherweise doch um was anderes geht. Wer auf eine Geschichte hofft, die irgendwas mit einem Schatz zu tun hat, der wird schließlich enttäuscht: Es handelt sich bei dem Heft schlicht um eine Werbebroschüre für die Interessen der Humanwirtschaftspartei. Das klingt recht trocken, und so liest sich der Comic leider auch.

Die Handlung, sofern man sie als solche bezeichnen kann, spielt in der Stadt Wörgl in Tirol, zu Zeiten der Weltwirtschaftskrise Anfang der 1930er Jahre. Damals kam der Bürgermeister der Gemeinde, ein gewisser Michael Unterguggenberger, auf die Idee, ein alternatives Geldsystem basierend auf der Theorie von Silvio Gesell einzuführen, um seinen Bürgern aus der gröbsten Not zu helfen – was tatsächlich eine Weile funktionierte.

Idee und Text des Hefts stammen von Peter Zimmermann, der – wie man zwar auf der Website des Verlags erfährt, aber nicht im Heft – „Geschäftsführer des sächsischen Landesverbands der Humanwirtschaftspartei“ ist. Jener Partei wird dann auf den redaktionellen Seiten auch als Sponsor gedankt, ebenso wie der Initiative für Natürliche Wirtschaftsordnung, der Stadt Wörgl und diversen anderen Organisationen und Personen, denen daran gelegen ist, die Idee der Gesell’schen Freiwirtschaftslehre weiterzutransportieren.

 Mamei und Andreas Wehrheim schlagen sich in Anbetracht der Umstände zwar durchaus sehr stattlich darin, dem ganzen eine gewisse Dramaturgie zu verleihen und es auf 18 Seiten Comic zu reduzieren. Trotz der handwerklichen Qualität des Materials und des ansprechenden, frankobelgisch geprägten Stils der Zeichnungen vermag es der Comic allerdings nicht, den Mief eines mäßig interessanten Oberstufenreferats loszuwerden. Dazu bräuchte man vor allem faszinierende Figuren, und die kann man auf 18 Seiten nicht entwickeln, wenn es in erster Linie darum geht, komplexe wirtschaftliche Theorien zu vermitteln.

Da der Inhalt durch die vielfach vorhandenen Interessenkonflikte auch als Dokumentation nur mit Vorsicht zu genießen ist, bleibt unterm Strich eine ganz ordentlich gemachte, dabei aber einseitige Einführung in die Freigeldproblematik. Ob die Welt darauf gewartet hat, fünf Euro für die hübsch verpackte Infobroschüre einer Nischenpartei hinzulegen, wage ich allerdings zu bezweifeln.

Der Schatz von Wörgl. Michael Unterguggenberger und das Freigeldexperiment
Holzhof Verlag, 2009
Idee und Text: Peter Zimmermann
Szenario: Mamei
Zeichnungen und Farben: Andreas Wehrheim
18 Seiten, farbig, Heft; 5,00 Euro
ISBN 978-3-939509-93-4

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Abbildungen: myspace.com/unterguggenberger