Rezensionen

Demo 1

Cover von Demo 1Wie mag es wohl sein, wenn man anders ist als die anderen? Also, so richtig anders. Kein Außenseiter, weil man den falschen Namen hat oder einen Sprachfehler. Nein, sondern weil man merkt, dass man wirklich anders ist. Autor Brian Wood (DMZ) entwirft zusammen mit der jungen Zeichnerin Becky Cloonan zwölf Geschichten über Teenager und junge Erwachsene, die irgendwie mit der Situation klarkommen müssen, dass sie eine besondere Gabe haben, sei es Unverwundbarkeit oder immense Stärke. Die Erzählungen kommen dabei so abwechslungsreich daher wie es Cloonans Zeichenstil ist.

Im ersten Band von Demo werden die ersten sechs Geschichten gesammelt. Da geht es um Marie, die von ihrer Mutter gezwungen wird, Pillen gegen ihre Andersartigkeit zu nehmen, von der sie noch nicht mal genau weiß, was „es“ eigentlich ist; Emmy schweigt meistens, seit sie bemerkt hat, dass alle anderen genau das machen, was sie sagt; Samantha lernt in „Böses Blut“ auf die harte Tour, dass sie wie ein Teil ihrer Familie nicht so leicht unter die Erde zu bekommen ist; der junge Fabrikarbeiter James muss sich entscheiden, ob ihm seine Kumpels, die ihn aufgrund seiner enormen Stärke zu schätzen wissen, oder seine uncoole Familie wichtiger ist; Kate hat keine eigene Identität, weil sich ständig ihr Äußeres ungewollt den Erwartungen ihrer Mitmenschen anpasst und Ken kehrt mit seiner frisch vermählten Braut auf eine Stippvisite an den Ort seiner Kindheit zurück, an dem er ein einziges Mal seiner Wut freien Lauf ließ und dabei seine Nachbarschaft fast dem Erdboden gleich gemacht hat.

Obwohl die Erzählungen also nur Superkräfte als gemeinsamen Nenner aufweisen, stehen diese nie im Mittelpunkt. Für die meisten Protagonisten ist es eher ein lästiges Anhängsel, denn es unterscheidet sie von den normalen Menschen. Wood erkundet in Ruhe ihre Unsicherheit und die Angst vor dem Unbekannten – vor einer Seite an sich, die man nicht einschätzen kann. Man wird sich selber unheimlich. Und das in einem Lebensabschnitt, in dem man eh nicht weiß, wohin mit sich.

Zeichnerin Becky Cloonan, mit Mitte zwanzig fast noch selber im Alter der Hauptfiguren, hat für jeden Abschnitt einen etwas anderen Stil parat. Mal experimentiert sie mit Rasterfolie, mal setzt sie scharfe Schwarz-Weiß-Kontraste, mal erinnert sie mit ihrem Tuschestrich an das Flatterhafte, Offene von Craig Thompsons Blankets. An einigen Stellen wirkt die Darstellung von Bewegung noch etwas steif, insgesamt aber überzeugen ihre ansehnlichen Zeichnungen und kommen frisch und sympathisch rüber.

Durch die ursprüngliche Veröffentlichungsform – jeweils abgeschlossene Einzelhefte – existiert jede Geschichte für sich, es gibt keine Verbindung. Das mag zwar ein Vorteil gewesen sein für die Erstvermarktung in den USA und ist dort gerade auch etwas in Mode, hat aber für neugierige Leser den Nachteil, dass nur kleine Fetzen aus dem Leben der Protagonisten gezeigt werden können. Es gibt keinen Ursprung der Kräfte, sie sind einfach da. Manche interessanten Punkte werden zwangsläufig nur in einem Satz oder Panel angerissen: wie geht die Familie oder generell die Umwelt damit um, welches Ausmaß haben die Kräfte, können sie irgendwann mal beherrscht oder sogar nützlich eingesetzt werden? Wood lässt jedes Ende offen. Das ist bei manchen der sechs Erzählungen okay, bei anderen, wie z.B. „Sei stark“, ist man nun aber neugierig geworden, wie es weitergehen würde.

Dies hat aber nichts mit der Qualität der Reihe an sich zu tun. Demo bietet einen zurückhaltenden und dennoch eindringlichen Blick auf etwas, das man meistens nur mit Kostümen, Höchstleistungen und Welt retten in Verbindung bringt. „Superhelden“ sind aber von den Personen in Demo genauso weit weg wie von uns. Die oftmals unsichere, fast scheue Art der jugendlichen Protagonisten lässt sie beinahe real erscheinen, während sie ihr ungewöhnliches Leben erkunden. Dementsprechend wurde die Serie 2005 für zwei Eisner-Awards (Serie: Best Limited Series; Demo Einzelheft 7: Best Single Issue (or One-Shot)) nominiert.

Den Lesern der zwei deutschsprachigen Sammelbände spendiert Modern Tales noch ein schönes Schmankerl: Jede US-Einzelausgabe enthielt zur jeweiligen Geschichte Skizzen, Kommentare und eine Playlist von Brian und Becky. Im US-Sammelband wurden diese nicht mitabgedruckt. Hier in dieser Ausgabe erhalten die Leser nicht nur diese interessanten Einblicke, sondern auch noch ein übersetztes Interview mit Becky Cloonan.

Der zweite und abschließende Band ist für Mai 2007 angekündigt.

Demo 1
Modern Tales, Februar 2007 (Leseprobe)
Text: Brian Wood
Zeichnungen: Becky Cloonan
184 Seiten, schwarz-weiß, Softcover; 15,90 Euro
ISBN: 9783939585008

Zurückhaltend und dennoch eindringlich

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© Demo: Brian Wood, Becky Cloonan