Die ist die letzte Graphic Novel von Will Eisner, er verstarb 87-jährig im Januar dieses Jahres. Die Thematik war ihm ein besonderes Anliegen. Auf 152 Seiten zeigt Eisner ausführlich, wie die Protokolle entstanden sind und wie sie bis heute Einfluss ausüben.
Ihren Ursprung haben sie in einem Auftrag von russischen Aristokraten, die einen „Beweis“ für -angebliche – ehrgeizige jüdischen Pläne, die Welt zu erobern, benötigten. Zar Nikolaus II. wollte Russland modernisieren und sich dem Westen öffnen. Darunter hätte aber der Einfluss des Adels empfindlich gelitten. Mit den Protokollen, die 1905 erstmals veröffentlicht wurden, konnte man den antisemitischen Zaren leicht davon überzeugen, dass er damit den Juden Tür und Tor öffnen würde, und er nahm Abstand von seinen Ideen.
Danach verbreiteten sich die Protokolle rasend schnell und erschienen in diversen anderen Sprachen.
1921 wurde in der Times das erste Mal der Beweis geliefert, dass die Protokolle keine Mitschrift eines Treffens von jüdischen Verschwörern war, sondern eine umgeschriebene Kopie des Büchleins „Gespräche in der Unterwelt zwischen Machiavelli und Montesquieu“ von Maurice Joly. Dieses hat allerdings nicht die Juden zum Thema, sondern ist eine indirekte Kritikschrift an dem damaligen (1864) französischen Kaiser Napoleon III.
Der Fälscher und Autor der Protokolle, Matwej Golowinski, hatte damals das komplette Buch Jolys als Vorlage genommen und einfach Ausdrücke und Gesellschaftszustände Russland und der „Bedrohung durch die Juden“ angepasst.
Nach diesem eindeutigen Beleg, so sollte man denken, hätten sich „Die Protokolle der Weisen von Zion“ erledigt. Doch weit gefehlt. Als ob es nie die zahlreichen Beweise der offensichtlichen Fälschung gegeben hätte, wurden sie weiter verbreitet und gelesen – und zwar bis in die heutige Zeit hinein. Gerne werden sie von Regierungen ausgegeben und immer noch in der arabischen, asiatischen und europäischen Welt verlegt, wie Will Eisner in seinem Vorwort erläutert.
Und Umberto Eco ist in seiner Einführung der Ansicht, dass „trotz dieses mutigen Comics […] die Geschichte der Protokolle alles andere als vorüber ist“. Nachdem man Das Komplott gelesen hat, muss man ihm als Leser zögernd zustimmen. Es ist einem zwar völlig unverständlich, wie eine so offensichtliche Lüge immer noch als Wahrheit durchgehen kann.Dass sie es aber immer noch tut, auch das zeigt Eisner.
Das Komplott ist im wahrsten Sinne des Wortes eine bebilderte Geschichte, eine Graphic Novel. Die Zeichnungen sind nicht um ihretwillen da, sondern transportieren primär den Inhalt. So gibt es nicht viel Hintergrund, es wird sich auf die agierenden Personen konzentriert. Zwischendurch sind auch immer wieder erzählende oder erläuternde Textpassagen eingestreut. Zumindest bei mir funktioniert das Prinzip sehr gut, ich bin mir sicher, dass ich mir so mehr behalten habe, als wenn ich mir die Handlung nur durchgelesen hätte und keine Illustrationen vorhanden gewesen wären.
Man merkt Eisner sein Engagement, aber auch seine Souveränität auf jeder Seite an. Er muss keine offensichtliche Stellung beziehen; das Aufzeigen der Fakten reicht, um sprachlos zu sein vor solch weltweiter Ignoranz. Interessant ist auch, dass er, selber Jude, nie das jüdische Volk in den Vordergrund stellt, sondern sich auf die Untersuchung der Verbreitung einer Lüge beschränkt.
Am Ende des Buches stellt er sich dann selber als alten Mann dar, der in der heutigen Zeit Informationen über die Verbreitung der Protokolle hinterherjagt. Und an dieser Stelle empfinde ich Das Komplott als etwas belehrend. Vielleicht liegt es daran, dass man mit sehr viel Fakten konfrontiert wird, während es am Anfang eher ruhig zuging. Fast schon zu ruhig – ich hätte lieber etwas weniger über den Fälscher Golowinski erfahren und dafür am Ende mehr Luft gehabt.
Als erzählerischer Stolperstein erscheinen mir die 17 Seiten, auf denen die “Protokolle“-Abschnitte den entsprechenden der Vorlage „Gespräche…“ gegenübergestellt werden. Wenn dies nur zur Beweisführung eingebaut wurde, hätten es sicherlich auch vier oder fünf Seiten getan. Technisch gesehen aber ist es natürlich geschickt, den Leser selber eine Meinung bilden zu lassen, indem er die Gelegenheit bekommt, persönlich Vorlage und Kopie vergleichen zu können.
Die deutsche Ausgabe macht einen hochwertigen Eindruck. Hardcover, satinierter Einband, dickes Papier, stimmige Übersetzung und Lettering, Vorwort, Anmerkungen, Literaturverweise und ein kurzes Künstlerporträt tragen allesamt dazu bei.
Das Vorwort von Umberto Eco empfehle ich übrigens erst nach dem Comic zu lesen, da man sonst etwas überfordert ist von den ganzen neuen Namen und geschichtlichen Verknüpfungen.
Das Komplott lege ich jedem ans Herz, der sich neben Comics auch für die reale Welt interessiert. Nicht nur, dass man „Die wahre Geschichte der Protokolle der Weisen von Zion“ erfährt, die auch heute, 100 Jahre nach ihrer Erstveröffentlichung, nichts von ihrer Brisanz verloren haben, man lernt „so nebenbei“ auch einiges über die politischen Umstände Frankreichs und Russlands Ende des 19. Jahrhunderts.
Das Komplott
Will Eisner
Deutsche Verlags-Anstalt
152 Seiten, Hardcover, schwarz-weiß; 19,90 Euro
ISBN: 3421058938