Rezensionen

Burka

BurkaWenn man über Religionsgrenzen hinaus Humor betreibt, muss der jeweilige Künstler auf Kritik nicht lange warten: Der Vorwurf der Missachtung der kulturellen Besonderheiten oder gar Blasphemie kann einem vorgeworfen werden. Wir erinnern uns, nur welchen politischen Aufruhr die Mohammed-Karikaturen in der dänischen Zeitung Jyllands-Posten erzeugt haben. Nun hat die freischaffende Künstlerin Eva Schwingenheuer in ihrem Buch mit dem schlichten Titel Burka den Versuch unternommen, sich der Bekleidung der vollverschleierten Muslima von außen zu nähern. Sie lädt die Leser nicht nur zum Rätseln ein, was sich da für Konturen unter dem „großen Schwarzen“ abzeichnen, sondern kritisiert – wenngleich auch etwas ungestüm – diese Form der Vollverschleierung.

Der Aufbau des kleinen Büchleins erinnert stark an Nicolas Mahlers letzten Comic SPAM, bei dem jeweils eine Abbildung von einem kurzen Text begleitet wird. Es finden sich hier aber keine Seitenzahlen, keine kleinen Vignetten, die das gesamte Erscheinungsbild abrunden sollen. Einzig und allein das Bekleidungsstück und seine Bezeichnungen stehen bei den 45 Abbildungen im Mittelpunkt von Burka. So sehen wir auch keine Menschen (mit Ausnahme von ein paar Unterschenkeln), sondern nur die Hülle, den immergleichen Prototyp, der seiner Trägerin keinen Freiraum für Individualität lässt. Wir sehen dicke Burkas, dünne Burkas, kleine Burkas und auch quadratische Roboter-Burkas. Es wird so allein der Vorstellung überlassen, wie der Spagat der Primaballerina unter der Burka aussehen mag. Genau bei diesen Denkprozessen leuchtet dem Betrachter ein, dass er genau weiß, wie ein Spagat aussieht und er wird sich verwundert die Frage stellen, warum sollte das unter einer Burka anders aussehen. Was aber fehlt ist die Indiviualität der bekleideten Frau, denn sie wird „optisch und faktisch aus dem Alltag verbannt“.

YogaEben so sperrig wie das Kleidungsstück selbst, fügt sich der Begriff „Burka“ in die ergänzenden Texte ein, die die Pointen erzeugen sollen. Während einige Abbildungen, wie die „Baburka“, auch ganz alleine funktionieren, wird aus einer Ansammlung übereinander gestapelter Burkas erst durch die entsprechende Erläuterung der „Afghanische Staatszirkus“. Fast auf jeder Seite findet die Namensbezeichung des titelspendenden Kleidungsstückes ihren Weg in die pointierten Texte. Schwingenheuer versucht dabei erst gar nicht, die Burka durch Wortumstellungen besser anzupassen, sondern lässt den sperrigen Begriff so, wie er ist. Dadurch kann sich die Burka schön an Begriffen der westlichen Populärkultur wie Darth Vader (“Darth Burka“) und auch der Bundesliga (“Burka-Liga“) reiben. Reibung ist auf jeden Fall einer der Effekt, den dieses kleine in schwarz-weiß gehaltene Buch erzeugen soll. Gerade bei den alltäglichen Problemen fragt man, sich wie eine emanzipierte Burkaträgerin „Yoga“ machen soll, ohne sich dabei zu verheddern, wenn unsereins schon das Bein nicht über die Schulter bekommt.

SchüttelfrostWährend Schwingenheuer so Stück für Stück muslimischen Frauen aus der Umklammerung der Burka helfen will,  verbaut sie sich die Möglichkeit auf den nächsten Seiten selbst. Mit Karikaturen wie „Wollt ihr die totale Burka?“, bei der Schwingenheuer den bekannten Ausruf des Nazipropagandaministers Goebbels ummünzt und ihn mit einem einstimmigen „Ja“ der Burkas beantwortet, will sie die Burka als Symbol der Unterdrückung der Frau bloßstellen.  In einer weiteren Abbildung  mit dem Titel „Schwestern im Geiste“ sieht man drei Burkas bei einem Treffen mit Mitgliedern des Ku-Klux-Klans in ihren weißen Kutten. Dieses „satirisch verkürzte Nebeneinanderstellen von faschistoiden und rassistischen Geisteshaltungen“ soll den  Vergleich „zweier brutaler totalitärer Machtapparate“ ermöglichen, doch kann auch Schwingenheuer diese Ideologie nicht gewaltsam von den Frauen trennen, die in den Burkas stecken. Auch die Frauen trifft dieser satrische Weckruf, denn Schwingenheuers Verkürzung entbindet sie jeglicher Möglichkeit, trotz Burka „Nein“ zu sagen.

Das kleine SchwarzeMit Burka schlägt Schwingenheuer sicherlich den richtigen Weg ein, um unsere täglichen Begnungen mit  vollverschleierten Muslima zu artikulieren. Wie der Titel vermuten lässt, hinterfragt  die Autorin eine oktruierte Kleiderordnung und die „extrem konservativ-patriachale Auslegung des Korans“. Aber sie geht noch einen Schritt weiter: Gerade in dem Moment, in dem wir uns moralapostelgleich aufschwingen wollen, nutzt Schwingenheuer die Oberflächlichkeit der  Burka, um auch unserer westlichen Populärkultur den Wind aus den Segeln zu nehmen. Solange die Burka als Projektionsfläche für unsere Vorurteile genutzt wird, scheint Schwingenheuers Projekt aufzugehen, doch leider versperren die beiden oben angeführten Karikaturen – durch ihre gescheiterten Versuche einer kritischen Innenansicht – den Weg für einen Diskurs wie zwei schwarze Burkaschafe.

Burka
Eichborn Verlag, August 2009
Autorin/Zeichnerin: Eva Schwingenheuer
96 Seiten; Softcover; 7,95 Euro
ISBN:
978-3821860695

Ungestüm kritische Satire

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Abbildungen: © Eva Schwingenheuer/Eichborn Verlag