Rezensionen

Bunte Welt des Frohsinns 1

CoverEs gibt Zeichner und Autoren, von deren Werken man gar nicht genug bekommen kann und am liebsten sofort den nächsten Comic oder das nächste Buch lesen muss. Fernab von der Welt der Comics lässt sich dieses Phänomen sicherlich am besten bei J.K. Rowlings Harry Potter-Reihe wiederfinden. Mit großem Eifer haben Horden von Jugendlichen und Erwachsenen die Bücher gelesen und gierig jeden neuen Band herbeigesehnt. Und dann gibt es da noch Eugen Egner, den Meister des grotesken Humors (entsprechende Auszeichnung wurde Egner 2003 in Kassel überreicht). Seine Comics, seine Bildergeschichten und auch seine Cartoons sind eher in geringen Dosen zu genießen und entwickeln so ihr größtmögliches Potential. Diese bestreitbare Tatsache hielt die Verleger von Monsenstein & Vannerdat aber nicht davon ab, mit die Bunte Welt des Frohsinns den ersten Band von Egners Gesamtwerk (exklusive seiner nicht bebilderten Texte) zu veröffentlichen. Einen kleinen Vorgeschmack auf diese vielleicht erst beim zweiten Hinsehen süchtig machende Kunst von Eugen Egner bietet seine Homepage, die laut Wikipedia seit mindestens drei Jahren „fast ohne Inhalt“ ist. Wie grotesk, denn die Seite hat sehr wohl Inhalt.

Vielen Lesern mag der Name Eugen Egner heute nicht mehr so im Gedächtnis sein, weshalb der Autor selbst den Band schmunzelnd als „Comeback“ bezeichnet. Dennoch ist wahrscheinlich jeder humorbegabte Comicleser bereits über seine grotesken und surrealen Bilder gestolpert: Während seine ersten zeichnerischen Schritte in der Hörzu und der Sendung mit der Maus zu sehen waren, konnte man seine graphischen Beiträge seit 1988 regelmäßig in Satirezeitschriften wie Kowalski, Titanic und Eulenspiegel, aber auch in Die Zeit und der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung finden. Wenn seine Comics überall erschienen, warum fällt es dann so schwer, sich an den Namen zu erinnern? Die Ursache für die Verdrängung Egners aus den Gedächtnissen der Leser kann sicherlich auch an der Verwirrung liegen, mit der der Autor sie zurückgelassen hat. Was soll das, fragte man sich so oft nach der Lektüre eines Egner-Comics. Warum hat dieser Mann ein Feuchtbiotop auf seiner Jacke? Und genau das ist die richtige Einstellung beim Lesen, denn einfach zu erläutern sind diese Bilder nicht, wenn sie es überhaupt sind. Aus diesem Grund sind jedwede Erklärungsmodelle wie die Satire, das Surreale oder auch das Groteske gleich wieder über Bord zu werfen.

Der Sägewolf ArgebratWie sollte man auch eine Figur wie den Sägewolf Argebrat logisch nachvollziehen können, dessen einzige Passion es ist, alles zu zersägen. Während Autor Egner selbst zugibt, keine wirkliche Erinnerung an die Kreation dieser Figur zu haben, wirkt  Argebats Ausruf „Die Säg’ ich durch!“ wie ein humoristischer Urknall, der keine Ursache zu haben scheint, aber dennoch ein Ziel hat: die Zersägung von allem. Der erste Band von die Bunte Welt des Frohsinns umfasst aber auch noch weitere Figuren aus Egners Ensemble wie die Bergmann-Buben und die Schröll-Mädchen. Erstere gehören zu Egners Standards, wenn dieser Begriff im Bezug auf Egner überhaupt erlaubt ist. Als perverse Version von Tick, Trick und Track setzt Egner die drei Buben ein und führt jede Idee von Familie ad absurdum: So ziehen die Buben eines Tages los, um ihrer Mutter „Autobahnteile für einen uralten Haselnuss-Kult“ zu besorgen. Der Leser muss sich stets aufs Neue bemühen, um jedem noch so kleinen Quäntchen Sinn  in den Geschichten hinterherzujagen, was sich zwar als anstrengende, aber lohnenswerte Aufgabe erweist.

Schröll-Mädchen und Bergmann-BubenUm aber nicht den Eindruck zu erwecken, dass Egner einfach eine Reihe irrwitziger Ideen  sinnlos hintereinander hängt und so ein perfides Sammelsurium kreiert, seien die „Romane“ (erhältlich bei Zweitausendeins) des Autors zu erwähnen, die zeigen, wie bewusst Egner mit Sprache umzugehen weiß. In seinen Comics wird dies auf brachiale Art und  Weise deutlich. Egner verneint alle sinnstiftenden Elemente der Sprache und lässt seine Protagonisten in Fantasiesprachen (“Kaboina“, „Schnölb“ oder auch „Pisendel“) reden, wobei nicht eindeutig zu verzeichnen ist, ob die jeweiligen Gesprächspartner im Comic sie besser verstehen als der Leser. Gerade dieser verqueren Sprachverwendung kann man nicht lange folgen, da man nur wenig zu finden scheint, was mit unserem Verständnis von Sprache Sinn ergibt. Doch gerade dies ist die Herangehensweise eines Eugen Egner und die Herausforderung, die man bei der Lektüre annehmen muss.

FeuchtbiotopEin guter Einstieg in Egners Werk sind die „Cartoons“ in diesem Band, die selbigen eigentlich beschließen sollen. Durch ihren Aufbau von Überschrift, Abbildung und Unterschrift erinnern die Comics an barocke Embleme, die Zusammenhänge zwischen Wort und Bild in Frage stellen und Doppeldeutigkeiten und Widersprechung ausnutzen. So wird der „Brief nach Hause“ durch die wohlfein gewählte Unterschrift „Liebe Eltern, ich stehe gerade mitten auf der Straße, und die Hose hinter mir kann jeden Augenblick explodieren“ zu einer humoresken Parodie auf den Prototyp Witz, dem hier entweder die Pointe fehlt oder die Hinführung zu selbiger. Während diese kurzen Auszüge gerade durch ihre Absurdität witzig sind, werden sich einige Leser sicher schwer mit den längeren „Bildergeschichten“ von Egner tun, die oftmals nicht logisch zu erklären sind. In ihnen vollführt Egner Sprünge im narrativen Gefüge, die gar keinen Sinn ergeben. Aber auch das ist Egners Kunst.

Im Gegensatz zum Lustprinzip,  das zur Harry Potter-Sucht führt, entziehen sich Egners Comics der Befriedigung unserer Sinne. Und gerade in dieser den Leser abschreckenden Erkenntnis liegt der Gewinn der Lektüre von Bunte Welt des Frohsinns. Der gesamte Band spielt mit der Erwartungshaltung des Lesers, die immer wieder gebrochen wird.  So führt Egner vor Augen, dass es in dieser Welt wirklich nur wenige Gleichungen gibt, die wirklich aufgehen. Der Rest wird beherrscht von einer chaotischen Realität, die oftmals nur schwer zu verstehen ist. Niemand hat gesagt, dass es einfach werden wird. Allen Lesern, die nun immer noch nicht abgeschreckt sind, kann man nur gratulieren: Ihr seid in der Lage zu abstrahieren und begnügt Euch nicht mit dem Offensichtlichen. Wem dies noch nicht genug des Absurden sein sollte, der kann sich an Egners Hörspielen, wie z. B. „Olga Lafong“, satt hören.

Bunte Welt des Frohsinns Band 1
Monsenstein & Vannerdat, Juni 2009
Autor/Zeichner: Eugen Egner
132 Seiten, Softcover, 24,90 Euro
ISBN: 978-3-938568-81-1

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Abbildungen: © Eugen Egner/Monsenstein und Vannerdat