Schon das Cover gibt die stimmungsmäßige Richtung der Erzählung vor: Es geht um einen vergangenen Traum, und damit um die Vergangenheit generell, was die Sepiaeinfärbung deutlich macht, um die Liebe (das Foto einer schönen jungen Frau) und um Musik (die Trompete). Dennoch hat das Cover etwas Melancholisches, was nicht nur an der Farbgebung liegt, sondern eher durch die herbstliche Stimmung, welche durch das offenbar niedrig stehende Sonnenlicht und das einzelne Blatt auf dem Instrumentenkoffer suggeriert wird.
In der Tat kann man alle diese Elemente in dem Comic wiederfinden. Alvin ist ein alternder Jazzmusiker in New Orleans, der aufgrund eines Artikels über den Erfolg des Buena Vista Social Club auf die Idee kommt, seine alten Bandgefährten wieder zusammen zu bringen. Denn was für die Kubaner zutreffen kann, die im hohen Alter musikalische und finanzielle Erfolge feiern, warum sollte das nicht für alte Musiker des Swing gelten? Nach einigem Zögern stimmen die anderen beiden zu. Doch es fehlt der einzige Schwarze in der einstigen Runde: Cornelius. Nur mit Mühe stöbern sie ihn auf. Doch Cornelius ist viel zu sehr in der Vergangenheit gefangen, als dass er bereitwillig mitmachen würde. Erst der Geist von Louis Armstrong erkennt die Nöte des Trompeters.
Man merkt schon anhand der recht dürftigen Inhaltsbeschreibung: Bourbon Street ist in erster Linie für Freunde des Jazz gedacht. Der ganze Band ist eine einzige Liebeserklärung, und wie es so mit diesen Huldigungen ist, sollte man als Leser den Gegenstand schon selber mögen. Der Rezensent kann mit Jazz nichts anfangen und so bleiben doch manche Anspielungen und Verweise auf dem Trockenen liegen und sind nicht fruchtbar. Dennoch können auch Leser, die die Musik nicht mögen, etwas mit dem Comic anfangen. Das liegt vor allem an der melancholischen, aber doch hoffnungsvollen Atmosphäre der Geschichte und ihres Settings. Die Hitze, die Schwüle, die Trägheit, aber auch die Energie der Stadt sind geradezu fühlbar und versetzen den Leser und Betrachter in diese Umgebung.
New Orleans wird hier eindeutig mystifiziert und seine Stellung als Hochburg des Jazz weiter fortgeschrieben. Autor Philippe Charlot stellt die Stadt als Ideal dar und blendet alles Negative aus. So spielen die Stadtszenen auch ausnahmslos im Stadtviertel Vieux Carré und die immer noch sichtbaren Folgen des Hurrikans Katrina kommen hier nicht vor.
Wie es sich für eine solche mystische und vergangenheitsreiche Stadt gehört (eine der wenigen in den USA), ist die Verflechtung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft stark. Das wird nicht nur deutlich, wenn Zeichner Alexis Chabert die Sepiatöne auch in der Gegenwart anwendet, sondern vor allem durch die Psyche der alten Musiker, die ihre Vergangenheit aufleben lassen und endlich ihre Träume in der Zukunft verwirklicht wissen wollen. Manches geschieht geschickterweise im Hintergrund, weswegen man auch in die Tiefe der Panels einsteigen sollte, und man ahnt bis zur Gewissheit, wie schwer es diese Männer im Alter haben müssen. Da muss man nicht munter drauf los psychologisieren, es reicht, einfach das verbrauchte, verbitterte Gesicht am Tresen anzusehen. Manche der Musiker wollen ihr Alter nicht wahrhaben – das hat dramatisches Potential, wenn sie mit denjenigen konfrontiert werden, die sich mit ihrem Alter abgefunden haben und etwa ihrer verlorenen Liebe nachtrauern.
Die deutsche Ausgabe der Ehapa Comic Collection wartet mit interessanten Extras auf, die Story allerdings bleibt doch recht überschaubar und gibt nicht sonderlich viel her. Ein Film könnte von den Darstellern und der Musik leben, aber ein Comic kann das nicht. Und dennoch liest man es gerne und fasziniert. Und fragt sich am Ende doch eigentlich warum.
Wertung:
Atmosphärisch dichte Liebeserklärung an den Jazz, storymäßig etwas dürftig, aber auf gewisse Art faszinierend
Bourbon Street 1: Die Geister des Cornelius
Ehapa Comic Collection, Juni 2012
Text: Philippe Charlot
Zeichnungen: Alexis Chabert
Übersetzung: Marcel Le Comte
56 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 13,99 Euro
ISBN: 978-3-7704-3550-0
Leseprobe (PDF)
Abbildungen: © der dt. Ausgabe: Ehapa Comic Collection