Rezensionen

Aya

 Ein Mädchen aus einer Region, die wir in der Regel nur aus Krisenmeldungen in den Fernsehnachrichten kennen, emigriert nach Frankreich. Später, als junge Frau, erzählt sie vom Leben in dem Land, aus dem sie stammt – in Comicform. Das klingt ganz nach der Iranerin Marjane Satrapi, die mit Persepolis eine Erfolgsstory geschrieben hat. Die Rede ist hier jedoch von Marguerite Abouet. Sie stammt von der Elfenbeinküste, Aya ist ihr erster Comic.

Gemeinsam mit dem französischen Zeichner Clement Oubrerie erzählt Abouet vom Alltag junger Ivorerinnen und Ivorer Ende der 70er Jahre. Aya und ihre Freundinnen leben in Yopougon, einem Stadtteil von Abidjan, der größten ivorischen Stadt. Sie wohnen noch bei ihren Familien, sind noch nicht erwachsen, aber auch keine Kinder mehr. Und wie fast alle Teenager dieser Welt sind sie neugierig auf das Leben, wollen Spaß, Partys und Jungs.

Doch das Leben in Yopougon ist ein bisschen anders als in Westeuropa. Die vielköpfigen Familien werden patriarchalisch von den Vätern regiert und ernährt, die Frauen führen den Haushalt und auch die Mädchen Adjoua und Bintou haben sich bereits mit ihrer künftigen Rolle abgefunden. Ihnen geht es darum, einen möglichst reichen Ehemann zu finden und vorher noch soviel Spaß wie möglich zu haben. Aya ist da ein wenig anders: sie hat Ehrgeiz, will studieren und Ärztin werden. Für Jungs interessiert sie sich nicht so sehr.

Der Comic, dessen Handlung in einer Folge von kurzen, lose zusammenhängenden Episoden erzählt wird, lebt vom Gegensatz zwischen der ernsthaften, verantwortungsbewussten Aya und ihren (allzu) lässigen Freundinnen. Sie mögen Aya vielleicht spießig finden, aber letzlich sind sie selbst die eigentlichen Spießer. Den Abschluss und Höhepunkt der Graphic Novel bildet eine Hochzeit, die aber ganz und gar nicht glamourös ausfällt …

Aya, in Frankreich in Form von zwei Alben erschienen, auf Deutsch in einem (etwas verkleinerten) Hardcover-Band veröffentlicht, gewann Anfang dieses Jahres auf dem Comicfestival in Angoulême den Preis für das beste Newcomer-Album. Den Juroren dürfte vor allem die Frische und Unverbrauchtheit der Geschichte, ihrer Personen und auch der Zeichnungen gefallen haben. Clement Oubrerie zeichnet in einem einfachen, aber wirkungsvollen Strich, der, manchmal ein wenig krakelig, an die Bilder von Manu Larcenet (Der alltägliche Kampf) erinnert.

Beim oberflächlichen, schnellen Durchlesen von Aya dürfte man etwas enttäuscht sein, da die Geschichte wie gesagt eher episodenhaft und ohne straffen Handlungsbogen erzählt wird. Zudem wirken einige Figuren, vor allem die männlichen, allzusehr wie klischeehafte Abziehbilder. Der Comic gewinnt aber sehr viel, wenn man zwischen den Zeilen bzw. zwischen den Panels liest: denn ganz nebenbei, ohne dozierend zu wirken, vermittelt Marguerite Abouet ein Bild von der Alltagsgesellschaft der Elfenbeinküste. Das zeigt uns einerseits, dass Afrika nicht nur aus Hungersnöten und Bürgerkrieg besteht, auf der anderen Seite aber auch keine exotische heile Welt ist.


Aya
Carlsen Comics, November 2006  
Text: Marguerite Abouet
Zeichnungen: Clement Oubrerie
112 Seiten, farbig, Harcover; 14,90 Euro
ISBN: 3-551-73711-8

  ungewöhnlicher Comic mit leichten Schwächen in der Dramaturgie

 

a1

 

a2