Kurt Busieks Astro City ist eine Hommage an die Superhelden aus der guten, alten Zeit. Der zweite deutsche Band „Local Heroes“ zeigt, was alles möglich ist, wenn man den Blickwinkel auf die fliegenden Strumpfhosenträger ein wenig verschiebt. Ein Superhelden-Comic für Leute, die eigentlich keine Superhelden-Comics mehr lesen wollten.
Als Frank Miller und Alan Moore in den Achtzigern Die Rückkehr des dunklen Ritters und Watchmen schrieben, konnte man den Eindruck gewinnen, das Superhelden-Genre wäre endgültig entlarvt und zum Tode verurteilt worden. Ab in den Sarg und unter die Erde damit! Die Superhelden waren dekonstruiert worden. Beim Lesen konnte man kaum noch anders als in ihnen faschistische, egomanische Persönlichkeiten zu sehen, selbsternannte Retter der Welt, die in gewöhnlichen Sterblichen bestenfalls Publikum sahen und sich sonst nicht weiter um sie scherten.
Die Klage ist nicht neu: Superhelden sollen wieder Spaß machen! Trotz Millers und Moores Arbeiten gibt es heute noch immer Superhelden. Oder vielleicht gerade deswegen. Denn das Superhelden-Genre steckte in einer Sackgasse. Es kam von dem selbst geschaffenen, klebrigen Untergrund der Naivität und Oberflächlichkeit nicht mehr los, sank ab ins Banale, so wie auch die Verkaufszahlen sanken. Ein Problem, das die Superhelden in Zyklen heimsucht, möchte man meinen. Moore und Miller dekonstruierten die Superhelden und zeigten so, was man aus den tot geglaubten Strumpfhosenträgern noch alles herausholen konnte.
Die Dekonstruktion von Superhelden läuft heute weiter in Serien wie Garth Ennis' The Boys, allerdings in zotiger und dümmerer Form als früher bei Moore und Miller. Es gibt jedoch auch andere, positivere Ansätze, den althergebrachten Superhelden etwas Neues abzugewinnen und sie zu entstauben. Einer der interessantesten ist sicherlich Kurt Busieks Astro City. In dem aktuellen Band „Local Heroes“ beschwört der Autor (u.a. Conan, Redhand) die „gute, alte Zeit“, das Golden Age und das Silver Age, ohne einen Hehl aus seiner Begeisterung dafür zu machen. In jeder der neun im Band enthaltenen Episoden spürt man die Liebe, mit der Busiek zu Werke geht, wenn er den Helden seiner Jugend nachspürt. In Astro City sind die Superhelden keine Faschisten oder Egozentriker, sondern sie sind wieder Götter, Figuren, zu denen man aufsehen kann. Und hier liegt Busieks Trick, der so einfach wie genial ist: Er verschiebt die Perspektive. Denn eigentlich erzählt er ziemlich kitschige Geschichten über Samaritan, Supersonic & Co. Warum sie trotzdem ganz hervorragend funktionieren, liegt daran, dass Busiek seine Geschichten von unten erzählt, aus den Augen einfacher Leute, für die die fliegenden Übermenschen nicht zu erreichen und nur selten berührbar sind. Die Superhelden stehen für das absolut Gute, die Schurken für das Böse – und der Mensch findet sich irgendwo dazwischen wieder. Hin und wieder lässt Busiek jedoch auch die Superhelden auf die Erde kommen und gibt ihnen eine ganz menschliche Seite, zum Beispiel wenn Roustabout mit einem Mädchen hinter der Scheune knutscht oder wenn der ehemalige Supersonic froh ist, endlich in Rente zu sein.
Wer aufgehört hat, Superhelden zu lesen, weil sie ihm zu dumm oder brutal waren, sollte mit Astro City wieder anfangen. Busieks Geschichten sind Perlen, rund und in sich abgeschlossen, manchmal rührend, manchmal nachdenklich, immer voller Wärme für die Heroen des Golden und Silver Age. Streng genommen ist Astro City ein sehr humanistischer Comic, weil Busiek an das Gute im Menschen glaubt. Er stellt so ein Gegengewicht dar zu den Zynikern Moore und Miller, nicht so rau und abgründig, aber mindestens ebenso voller Raffinesse und Leidenschaft.
Astro City: Local Heroes
Panini Comics, Juni 2008
Text: Kurt Busiek
Zeichnungen: Brent Anderson
Übersetzung: Gerlinde Althoff
232 Seiten, Softcover, farbig; 24,95 Euro
ISBN: 9781401202811
Astro City © Kurt Busiek, dt. Ausgabe Panini Comics