Rezensionen

Anna Fink – Die Fanfare des Königs

Anna Fink – Die Fanfare des KönigsAnna Finks Vater, Hiram, ist bei einem Flugzeugunglück umgekommen. Er hinterlässt ihr und ihrer Mutter Linda nur einen roten Koffer und eine Uhr. Als die Mutter dann auch noch den Job verliert, scheint das Schicksal zu helfen: die beiden erben das seltsame Haus des Künstlers Tom Trondolin – ein Mann, von dem beide allerdings noch nie gehört haben. Rund um das Haus treffen sie auf verwegene Gestalten, furchterregende Skulpturen und geheime Machenschaften. Bald merkt Anna: sie muss das Rätsel, das die Erbschaft umgibt, lösen, um zu erfahren, wer sie selbst ist.

Boris Zatko wird den meisten durch seine Arbeit am Sparkassenmagazin KNAX bekannt sein, das er seit 2004 zeichnerisch mitbetreut. Mit „Anna Fink – Die Fanfare des Königs“ legt er sein erstes Buch, ein Fantasy-Jugendbuch, vor. Ganz ohne Illustrationen. Die Pull-Quote gleich vorneweg: „ANNA FINK ist besser als HARRY POTTER“. Denn wenn ich die beiden Bücher (der erste Potter war ja auch ein Erstlingsbuch) miteinander vergleiche – und das tut man in dem Genre und der Zielgruppe ja – dann ist Zatko der menschlichere Schreiber. Die Verwirrung seiner Anna über die Machenschaften in Taustadt und ihre Entdeckung der Grenzwächter, die die Grenze zwischen unserer Welt und Negasem, der Fabelwelt bewachen, ist gefühlt und nicht konstruiert. Die Grenzwächter selbst, eine Gruppe skurriler Typen, die in Wasser, Wald, Erde und Luft für Ordnung sorgen, sind ganz eigene Charaktere, bei denen sich's Zatko auch nicht vergibt, auch einmal eine Figur fast das ganze Buch lang eher negativ zu beschreiben.

Aber ich bin vielleicht schon ein bisschen weit nach vorne gelaufen. Zurück: Linda Fink und Anna erben ein Haus, das ihnen von Notar Ribbeldip übergeben wird. Um dieses Haus herum wohnen Selma Buddel, Tiberius Woda und Wilhelm Markward, die als „Zigeuner“ vorgestellt werden (aber die vorher erwähnten Grenzwächter sind). Die drei und der Notar arbeiten, ohne dass Linda und Anna das wissen, zusammen. Tatsächlich haben sie das Erbe und die Ankunft der beiden in Taustadt inszeniert, denn hier, am Ende der Schlucht der Schlundmaul, ist einer der Übergänge nach Negasem. Wozu Anna und Linda hier gebraucht werden? Nun, Annas Vater Hiram war der vierte Grenzwächter und er hat vor seinem Tod das Mundstück der Fanfare des Königs versteckt, um den bösen Königssohn Darius Anaximander daran zu hindern, die Macht in Negasem an sich zu reißen.

Ich glaube, ich spoilere hier nichts, wenn ich sage, dass (zum Lesen mit der Maus markieren) Anna herausfinden wird, dass ihr Vater noch lebt, dass sie ihn befreien wird und dass am Ende der Böse stirbt und der Gute gewinnt. Das haben wir uns gedacht. Aber wie wir zu diesem Ende kommen, das hat Boris Zatko sehr schön geschrieben. Da tauchen maulwurfartige Wesen aus der Erde auf und verschwinden „wie ein Seehund“ wieder darin, da kommt eine angenehme Paranoia auf, als eine der Figuren sich als Shape-Changer entpuppt, und da brechen elefantengroße Fledermaustaranteln in unsere Welt ein. Zwischen alldem ein zwölfjähriges Mädchen in einem fliegenden Koffer, ein Adler, der aufs Wort hört, und eine Kröte, die als Mütze dient. Es gibt wenig, was mir an „Anna Fink“ negativ aufgestoßen wäre. Die Figur der Mutter könnte ein wenig Entwicklung vertragen – spätestens auf Seite 108 hatte ich nicht übel Lust, ihr eine Portion Prozac ins Mittagessen zu bügeln, aber vielleicht ist das ja auch vom Autoren so gewollt. Und als hochdeutscher Leser stolpert man bisweilen über Schweizerismen – „allfällig“ für „eventuell“ oder „Grillplätzchen“ für „Frikadelle“ ist sicher nicht falsch, aber man stolpert darüber einfach beim Lesen. Aber das sind Kleinigkeiten, die dem Buch keine Abstriche machen. Nur eins habe ich wirklich bedauert: nachdem ich Zatkos Zeichnungen auf der dazugehörigen Website www.annafink.com (mit Lese- und Hörproben) gesehen habe, hätte ich das Ganze lieber als Comic gelesen. But that's just me.

„Anna Fink – Die Fanfare des Königs“ ist das perfekte Geschenk für euer Patenkind/eigenes Kind/Kind von Freunden im Alter von 12 bis 15 Jahren. Und hat den Vorteil, dass ihr es vor dem Schenken gut selbst lesen könnt. Ganz vorsichtig, damit der Rücken keinen Knick kriegt. Ein zweiter Teil, „Anna Fink – Der Vogel der Welten“, ist bereits angekündigt.

Anna Fink – Die Fanfare des Königs
Text und Cover: Boris Zatko
BOD
324 Seiten; 19,90 Euro
ISBN: 978-3833462191

ab 12 Jahre: Hervorragend!
über 20 Jahre: Gut

jetzt bei amazon.de anschauen und bestellen