“Seminarkabarett-Comic“ steht auf dem Umschlag. Drei Begriffe, die auf den ersten Blick unvereinbar scheinen. Dass „Seminar“ und „Kabarett“ zusammengehen können, beweist der Steyrer Bernhard Ludwig seit 1992 auf diversen Bühnen. Der gelernte Psychologe machte aus einem sexualtherapeutischen Seminar ein erfolgreiches Kabarettprogramm, das inzwischen auch als Kinofilm gezeigt wird. Der besondere Kniff bei jeder Vorführung: Das Publikum wird nach Geschlechtern getrennt, auch soll man möglichst nicht neben Freunden und Bekannten sitzen. Denn die Zuhörer sollen mit Summgeräuschen auf Ludwigs Fragen antworten und so unbefangen wie möglich sein. Der gleichermaßen komische wie erhellende Effekt dieser Publikumsbefragungen fällt natürlich bei einer Comicadaption flach. Kann der Transfer ins Medium Comic trotzdem gelingen?
Basierend auf Ludwigs Programm präsentieren Autor Günther Payr und Zeichner Tim Jost nun die gezeichnete Version des Seminars. Sie zeigen Bernhard Ludwig auf der Bühne, wie er Grafiken und Tabellen erklärt, mit dem Publikum spricht und die Summ-Fragen stellt. Gleichzeitig spricht der Referent auch den Leser direkt an. Stilistisch und zeichnerisch lehnt sich das sehr stark an Scott McClouds Comics richtig lesen an, was die Autoren auch nicht verhehlen wollen und sich gleich auf der ersten Seite in einer kleinen Hommage vor McCloud verbeugen.
Ludwigs Vortrag über die Sexuelle Unzufriedenheit beginnt mit den hinlänglich bekannten, ironisch-überspitzten Geschlechter-Klischees, die bereits bis zum Überdruss in Buchbestsellern (Warum Frauen nicht einparken können…), One-Man-Shows (Caveman) und Comedyprogrammen (Mario Barth und Konsorten) durchgenudelt worden sind. Das mag unterhaltsam und vielleicht sogar teilweise wahr sein, originell ist es längst nicht mehr. Glücklicherweise wird nicht zu lange auf dieser Ebene herumgeritten. Ludwig, Payr und Jost wenden sich zügig dem eigentlichen Thema zu: Es geht um Sex und all die Probleme, die damit einhergehen. Das Buch schafft es, sehr unverkrampft mit dem Thema umzugehen, sehr locker und ziemlich freizügig, aber nie ordinär.
Wenn unser Seminarleiter Ludwig zu Beginn sagt: „Das Lehrziel ist, dass Sie sich nach einiger Zeit nicht mehr ganz sicher sind, ob Sie ein Comicbuch lesen, oder ob Sie Teilnehmer der Vorstufe einer lösungsorientierten Kurzzeittherapie sind“, dann hat er damit nicht Unrecht. Die Anleitung ist keine zwanghaft auf witzig getrimmte Zotenparade. Vielmehr wird das Thema recht ernsthaft behandelt, aber mit einer Menge Gags humorvoll angereichert, so dass, Zitat Ludwig, „niemand merkt, was ernst gemeint ist und was nicht“. Die Comic-Variante kann sicherlich nicht den gleichen Effekt erzielen wie die Live-Teilnahme am Kabarettprogramm, dafür funktioniert sie immer dann sehr gut, wenn die zahlreichen Anspielungen und Gags bebildert werden.
Das Experiment ist also geglückt, die Mischung aus Humor, Wissenschaft und Comic macht Spaß. Und wer behauptet, dass das Thema uninteressant sei, ist sowieso ein Lügner.
Anleitung zur sexuellen Unzufriedenheit
Ueberreuter
von Bernhard Ludwig, Comicadaption von Günther Payr
Zeichnungen: Tim Jost
80 Seiten, s/w, Hardcover; 14,95 Euro
ISBN: 3800071576
Auch auf englisch erschienen (A Guide to Sexual Misery)
ISBN: 3800071797