Die Klimakatastrophe kommt vermehrt auch in der Welt der Sprechblasen und Panels an. Nun ist bei Ehapa Comic Collection das neue Werk Animal’z von Enki Bilal erschienen. Und dessen Szenario ist unmittelbar nach einem verheerenden Klimakollaps, der die Erde in ein ökologisches Desaster gestürzt hat, angelegt. Das ist aber nur der Rahmen, den Bilal mit seinem – buchstäblich – fantastischen Genre-Mix aus Science-Fiction, Dystopie und Western ausfüllt. So vereint er in seiner Person Moebius und Jean Giraud. Oder anders ausgedrückt: Animal’z ist eine Kreuzung aus dem Western Blueberry und den Science-Fiction-Klassikern Die hermetische Garage und Arzach.
Um Kreuzungen dreht sich auch ein Großteil der Story: Die Wissenschaft hat es in Bilals Fantasiewelt geschafft, hybride Mensch-Delphine zu entwickeln, doch damit nicht genug. Die trostlose Landschaft wird von fliegenden Schildkröten bevölkert und animalische Androiden können per Telepathie mit Eisbären und Walen kommunizieren. Zwei fast identische Cowboys, die auf Zebras reiten und immer das passende Zitat aus der Literaturgeschichte parat haben, radioaktiv verstrahlte Menschenfresser und Neo-Nihilisten bilden die skurrilen Randfiguren des Ensembles.
Bilal erschafft eine dystopische Welt, in der nach der großen Klimakatastrophe das ökologische Chaos herrscht. Die abgewrackten Windräder scheinen wie Karikaturen und symbolisieren das Scheitern der Menschheit. Symbol- und schemenhaft – so wirkt die bizarr-fantastische Zukunft bei Bilal. Der amerikanische Kultautor und Mitbegründer der Beat-Generation, William S. Burroughs, hat in seinem Öko-Science-Fiction-Roman Ghost of Chance auf ähnlich surreale Weise gezeigt, wie der Mensch die Natur zerstört. Bilal dreht das Ganze um, indem er schildert, wie die Natur zurückschlägt.
Neben diesem abgehobenen Plot ist auch die Erzählweise alles andere als geradlinig. Erst nach der Hälfte, wenn die verschiedenen Handlungsstränge der unterschiedlichen Protagonisten zusammentreffen, kristallisiert sich allmählich so etwas wie ein Sinn heraus. Als Erzähltext verwendet Bilal das Protokoll und den Tagebuch-Mitschnitt zweier Delphin-Menschen. Auf diese Weise taucht der Leser in die ungewöhnliche Gedankenwelt hybrider Lebewesen ein. Wer auf klar gestrickte Geschichten steht, wird mit Animal’z nicht glücklich werden. Fans von avantgardistischen Comickünstlern wie Daniel Hulet (Extra Muros) oder Lorenzo Mattotti (Feuer) dürften damit aber keine Probleme haben.
Die vierfarbigen Bilder – schwarz, weiß, rot und blau – zeigen eine graue Einöde und erzeugen eine dichte Atmosphäre. Es sieht so aus, als hätte Bilal diesmal auf einem grauen Tonpapier gearbeitet, auf dem er wie gewohnt mit Kreide gezeichnet hat. Seine künstlerisch versierten Zeichnungen variieren dabei gekonnt zwischen flüchtigen und kräftigen Strichen, die Farben Rot und Blau kommen nur vereinzelt zum Einsatz. Ein besonders sphärischer Eindruck entsteht durch auffällig breite und mittelgroße Einzelbilder.
Bilal ist mit Animal’z ein weiteres Meisterwerk gelungen, das durch seine künstlerische Ausführung ebenso überzeugt wie durch seinen Inhalt. Die Kombination von Surrealismus beziehungsweise Fantastik mit gesellschaftlichen Problemen aus der Gegenwart klappt bei Bilal schon seit den Anfangstagen, die er noch zusammen mit dem Autor Pierre Christin (Valerian & Veronique) beschritten hat. Die satirischen bis zynischen Seitenhiebe machen den düsteren Trip zu einem Lesevergnügen, der sich allein schon wegen der prägnanten Zitate aus der klassischen Literaturgeschichte lohnt. Animal’z ist sicherlich auch ein Comic, den man mehrmals lesen kann bzw. muss – je nachdem, was beim ersten Durchgang hängen geblieben ist.
Animal’z
Ehapa Comic Collection, Februar 2010
Text und Zeichnungen: Enki Bilal
Hardcover, 104 Seiten, farbig; 24,95 Euro
ISBN: 978-3-7704-3324-7
Künstlerisch und inhaltlich anspruchsvoll
Abbildungen © Enki Bilal/Casterman, der dt. Ausgabe Ehapa Comic Collection