Rezensionen

Amelia ist die Größte!

Cover von Amelia ist die GrößteNach Modern Tales hat der Brandenburger Verlag eidalon im Herbst 2007 ein weiteres Unterlabel ins Rennen geschickt. Während Modern Tales mit seinen Veröffentlichungen wie Queen & Country oder Wasteland das erwachsenere Publikum anspricht, dreht sich bei comikat alles um die Unterhaltung jüngerer Leser bzw. der ganzen Familie.

Mit der ersten Veröffentlichung hat man direkt einen dicken Fisch an der Angel: Die Serie Amelia Rules! von Jimmy Gownley ist in den USA für diverse hochrangige Auszeichnungen nominiert worden, so z.B. dreimal als „Bester Comic für jüngere Leser“ bei den Eisner-Awards sowie zweimal für „Beste Publikation im Bereich Humor“ bei den Harvey-Awards. Der dritte Band der Original-Reihe, „Amelia Rules Volume 3 – Superheroes“, gewann 2007 den Cybil-Award für die beste Veröffentlichung für Leser bis 12 Jahre.

Das ist eine beeindruckende Aufzählung, was steckt dahinter?
Zuerst einmal eine recht konventionelle Basisgeschichte: Amelia zieht nach der Trennung ihrer Eltern mit ihrer Mutter zu ihrer unkonventionellen Tante Tanner. Mit dem Wechsel von Manhattan in eine beschauliche Kleinstadt und der neuen familiären Situation sind natürlich etliche Probleme verbunden.
Seite aus Amelia ist die GrößteAnschluss hat sie zumindest schnell gefunden. Reggie ist ein cooler Junge, mit dem sie gerne herumhängt („aber nur so“). Dazu gibt es leider im Schlepptau Rhonda, die sie auf den Tod nicht ausstehen kann. Da Rhonda in Reggie verschossen ist, lässt sie sich aber nicht so einfach abschütteln, so dass sich die beiden Mädchen im Dauerclinch befinden und keine Gelegenheit auslassen, sich eins auszuwischen. Der Vierte im Bunde ist Pyjamaman, der kein Wort sagt, aber durch unterschiedliche Aufdrucke auf seinem schlafanzugähnlichen Kleidungsstück die jeweiligen Situationen kommentiert. Zusammen haben sie einen eigenen Superheldenclub gegründet, um sich gegen Gemeinheiten anderer Kinder zur Wehr zu setzen.

Obwohl der Grundtenor ein humoristischer ist und damit von der Konstellation her an Serien wie Die Peanuts erinnert, erlebt Amelia doch immer mal wieder ernstere Situationen. So hört sie einmal einen lautstarken Streit ihrer Mutter am Telefon mit ihrem Vater mit, der sie verwirrt zurücklässt. Zum Glück kann Tanner sie ablenken, aber der Eindruck ihrer verfeindeten Eltern lässt sich nicht so einfach abschütteln. Dieses ganz konkrete Ansprechen von Problemen, wie sie der ein oder andere junge Leser sicherlich auch miterlebt, unterscheidet Amelia von anderen Comicserien für Kinder.

Der Stil ist recht einfach gehalten, wird aber immer mal wieder aufgelockert, z.B. durch Bleistiftzeichnungen auf kariertem Papier. Hintergründe gibt es kaum. Gownley konzentriert sich auf die Personen, was wiederum an Die Peanuts oder auch Calvin & Hobbes erinnert, mit denen Amelia Rules! des öfteren verglichen wird. Im Gegensatz zu diesen etablierten Serien ist Amelia aber keine Stripserie. Es gibt keine klassischen dreiteiligen Comicstrips mit einer Pointe, sondern richtige Geschichten, die über mehrere Seiten erzählt werden. Leider können die sich mitunter auch etwas ziehen. Motive werden gerne wieder aufgegriffen, was an sich positiv ist, mitunter aber auch zu viel des Guten sein kann. So ist z.B. der Dauerkrach zwischen Amelia und Rhonda arg dick aufgetragen. Kindern könnte dies aber durchaus auch nach dem siebten Streit noch Spaß machen zu lesen.

„Amelia ist die Größte!“ nimmt erst so richtig Fahrt auf, wenn es in der zweiten Hälfte des Comics für unsere Protagonisten zur Schule geht. Gownley hat mitunter fantastische Einfälle und baut diese sorgsam auf, so z. B., wie Amelia von Reggie und Rhonda die Gruppen an der Schule erklärt bekommt („Sportskanonen“, „Arschkriecher“, „Modepüppchen“ etc.), aber erst nach einer Weile realisiert, in was für einer Gruppe sie selber gelandet ist.
Andere Stellen sind eher durchschnittlich bis langatmig. Das hohe Niveau, das an vielen Stellen sichtbar ist, kann „Amelia ist die Größte!“ über die ganze Strecke nicht durchhalten. Zwar haben auch Erwachsene jede Menge zu lachen, aber der Spagat von einem Comic für die ganze Familie funktioniert bei anderen Serien wie z.B. Kleiner Thor oder Courtney Crumrin (bei letzterem sollte die Leserschaft nicht zu jung sein) besser. Kinder als eigentliche Zielgruppe werden aber ihre helle Freude an Amelia haben.

Der zweite Band der Serie, „Amelia feiert Feste!“ sollte im Mai/Juni 2008 erschienen, ist aber noch nicht erhältlich. Es sind insgesamt acht Bände geplant. Durch den Hardcovereinband, die handliche Größe und die klare Aufteilung des Titelbildes wirkt der Comic ansprechend und verleiht dem allgemeinen Interesse, mehr Comics im Buchhandel zu platzieren, ein Gesicht. Etwas versteckt, nämlich auf der eidalon-Presse-Seite zur Amelia-Serie, kann man sich übrigens eine vorbildlich ausführliche Leseprobe mit 34 Seiten als PDF anschauen.

Amelia ist die Größte!
(Band 1 der Amelia-Reihe)
Comikat, Dezember 2007
Text und Bilder: Jimmy Gownley
Übersetzung: Stefan Pannor
72 Seiten, farbig, Hardcover, 24,6 x 15,9 cm; 12,50 Euro

Für die Kleinen vergnüglich, für die Erwachsenen mit Hängern

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Bilder © eidalon Verlag