Die Vorgeschichte zu Holy Terror dürfte weitgehend bekannt sein. Frank Miller entscheidet irgendwann nach dem 11. September 2001 (der ihn offensichtlich stark bewegte, wie z.B. die klar an 9/11 angelehnte Doppelseite in The Dark Knight Strikes Again zeigte), dass er einen Comic machen möchte, in dem Batman Herrn Bin Laden so richtig schön aufs Maul haut. So wie das Captain America im Zweiten Weltkrieg mit Adolf Hitler gemacht hat. Dann wurde es still um das Projekt. Man vermutete, es wäre inzwischen begraben, nur um dann zu erfahren, dass es immer noch lebt. Aber nun ohne Batman, da Miller meint, mit der Figur des Batman nicht so weit gehen zu können, wie es für diesen Comic nötig wäre. Und nun, etwas zu spät für den 10. Jahrestag der Attentate vom 11. September und einige Monate nach dem Ableben Osama Bin Ladens, ist Holy Terror bei Legendary Comics erschienen.
Kollege Wüllner hat den Comicgate-Rezensionsreigen eröffnet und ist meiner Ansicht nach ein wenig zu vorsichtig vorgegangen, da er keine klare abschließende Bewertung vornehmen möchte, auch wenn er die Handwerkskraft lobt und das Islambild kritisiert. Ich finde, man kann Holy Terror allen Umständen zum Trotz als „Ding an sich“ bewerten. Und das unter zwei Maßstäben:
1. Ist Holy Terror ein guter Comic?
2. Ist Holy Terror erfolgreiche Propaganda?
Denn genau das soll Holy Terror ja laut Frank Miller selbst sein: Propaganda.
Und in dieser Hinsicht beginnt Miller direkt mal sehr wuchtig, mit einem Mohammed-Zitat: „If you meet the Infidel, kill the Infidel.“ Damit sind die Samthandschuhe ausgezogen und noch ehe die Geschichte beginnt, ist klar, dass es hier nicht vorrangig um oder gegen Al-Quaida geht, sondern um oder gegen den Islam im Ganzen. Sonst hätte Miller mit einem sicher ähnlich saftigen Zitat von Mullah Omar oder Osama Bin Laden begonnen. Das Zitat nutzt er ohne Quellenangabe. Keine Sure, kein Vers. Und in dieser exakten Ausformung findet es sich bei Google nur in Verbindung mit Holy Terror. Möglich, dass Miller hier Sure 9 Vers 5 des Koran („Und wenn die verbotenen Monate verflossen sind, dann tötet die Götzendiener, wo ihr sie trefft, und ergreift sie, und belagert sie, und lauert ihnen auf in jedem Hinterhalt.“) propagandistisch direkt nochmal verschärft.
Ich versuche die zwei Fragen mal voneinander zu trennen.
Frage 1: Ist Holy Terror ein guter Comic?
Kollege Wüllner hat absolut Recht. Es gibt Passagen in Holy Terror, in denen man sieht, warum Miller noch immer als Meister seines Fachs und einer der wichtigsten Comicmacher des letzten Vierteljahrhunderts gilt. Am Anfang des Comics haben wir eine Verfolgungsjagd mit anschließendem Kampf/Sex zwischen dem Fixer (vormals Batman) und Natalie Stack (vormals Catwoman), die absolut atemberaubend ist. Ganzseitige Zeichnungen, in denen Miller Bewegungen in einer Art und Weise andeutet, in der ihm immer noch kaum jemand das Wasser reichen kann. Die Wucht und Explosivität der Schläge und Tritte ist beim Lesen fast fühlbar. Und die Art, wie er ganze Städte in wenigen Strichen abstrahiert zu Papier bringt, ist ebenfalls noch immer spektakulär. Dazu verteilt er Regen und Blut inzwischen per Pinselschlag so kräftig auf den Seiten, dass mir das Adjektiv „pollock’sch“ in den Sinn kommt.
Ein anderer … nein, der andere grandiose Moment in Holy Terror folgt, wenn Miller die Opfer eines Terroranschlags in vielen Panels portraitiert, dann ein langsames Fade Out folgt und er anschließend über zwei Seiten immer mehr und kleinere leere Panels präsentiert. Das ist ein ungeheuer wirkmächtiger Moment und visuell eine richtig starke Idee.
Nur haben wir einen Fachbegriff für solche Momente in Holy Terror: Ausnahmen.
Für jede Seite, auf der Miller zeigt, dass er es immer noch drauf hat, bekommen wir vier Seiten vorgesetzt, auf denen Miller zeigt, warum man ihm in den letzten Jahren zunehmend skeptisch begegnet ist. Jedes Miller-Klischee lässt sich in Holy Terror finden. Die farbigen Schuhe und Lippen, die Regensequenz, Sex und Gewalt als Einheit, Abziehbilder der Schreibweise eines Hard-Boiled-Groschenromans, die Converse-Sneaker, nuttig gekleidete Frauen, die Metallgegenstände werfen, sexy Ninjas und fliegende Autos. Wäre das hier kein Frank-Miller-Comic, ich wäre felsenfest überzeugt, die Parodie eines Frank-Miller-Comics in den Händen zu halten.
An seiner Schreibe aus All-Star Batman & Robin, The Boy Wonder scheint Miller auf jeden Fall Gefallen gefunden zu haben. Überall müssen möglichst viele „gottverdammts“ untergebracht werden („What the hell’s a goddamn nail doing stuck in my goddamn leg?“), alle Figuren widerholen ihre Sätze zwei oder drei Mal („He’s right on my ass. Right. On. My. Ass. What is his goddamn problem. All I did was steal a diamond bracelet. And now he’s right on my ass.“) und die Interpunktion. Ist. Vielfach. Völlig. Willkürlich.
Einzig die totale Fixierung auf Schuhsohlen, wenn auch vorher schon in Ansätzen vorhanden, erreicht eine neue Stufe. Wenn ihr Fans von Schuhsohlen aus jeder möglichen Perspektive seid, von Großaufnahme bis Weitwinkelperspektive, dann ist Holy Terror ab jetzt euer Heiliger Gral.
Dazu kommt, dass Millers Begeisterung für Pinselkleckse, mehr Linien und hinterlassene Fingerabdrücke wunderbar funktioniert, wenn er eine ganze Seite als Panel nutzt und Raum hat, um um die Linien herumzuerzählen. Aber in den kleineren Panels stört es den Lesefluss, weil Miller eine Pause erzwingt, in der man erst einmal identifizieren muss, was da überhaupt auf der Seite zu sehen ist. Und dann kommt der Aspekt, dass das Artwork auf den späteren Seiten immer liebloser wird, immer uneleganter, hässlicher, geschluderter. Wer an Millers Zeichnungen in The Dark Knight Strikes Again Anstoß nahm, der wird auch hier nicht glücklich werden. Das kann man wie Daniel als visuelles Signal interpretieren, dass ab diesem Zeitpunkt der „Krieg“ beginnt. Ich interpretiere es als visuelles Signal, dass Miller jetzt bewusst war, dass er den Comic nicht bei DC verlegen wird und darum über weite Strecken angefangen hat, an Details und Mühe zu sparen.
Hinzu kommt, dass viele Seiten anmuten wie Designpornographie: Schick anzusehen, ja, aber der Story nicht eben zuträglich. In Eisner/Miller hat Frank Miller gesagt, er brauche „hunderte Seiten“ um diese Geschichte zu erzählen: Tatsächlich kommt er mit deutlich weniger Seiten aus. Und realistisch wäre er mit noch weniger Seiten ausgekommen, würde er nicht so oft ganze Seiten für Bewegungsstudien nutzen, die als Print sicher unheimlich toll, aber für den Verlauf der Geschichte nicht wichtig sind. Und das öfter erwähnte 24-Panel-Gitter? Ja, Miller nutzt 24 Panels auf einer Seite. Aber es sind 24 Panels mit fast identischen Talking Heads. Es ist eine völlig mit Text überflutete Seite. So was würde ich anderen Künstlern nicht durchgehen lassen, warum also Miller dafür einen Blankoscheck ausstellen?
Wobei „für den Verlauf der Geschichte“ impliziert, dass es einen sinnigen Plot gibt. Dem ist aber nicht so. Der Aufhänger der Geschichte ist klar: Pseudo-Batman jagt Pseudo-Catwoman, Kampf, Sex, Terroranschlag, Rache. Aber ab dem Moment, in dem der Rache-Part beginnt, versucht Holy Terror nicht einmal mehr, stringent zu erzählen: Dinge passieren, weil Miller sie auf dieser Seite gerade braucht. Und damit das nicht so abrupt geschieht, führt Miller sie auf der Seite davor kurz ein. Übrigens, ich habe einen Mann bei der Polizei. Übrigens, die Armee arbeitet mit mir zusammen. Hier ist der jüdische Geheimdienst-Superheld mit seinen Ninja-Schnecken, die wir nie wieder sehen werden.
Ein Glanzstück ist die Szene, in der Fixer warnt, dass die Terroristen Stinger-Raketen haben und genau wissen, wo jeder andere Terrorist gerade ist. Warum Fixer das weiß? Weil es der Plot erfordert. Denn bis dahin hat er weder einen Terroristen getroffen, noch gesehen was passiert ist. Alles was er mitbekommen hat, ist, dass mehrere Nagelbomben explodiert sind. Und nur aus dieser Beobachtung heraus weiß Fixer alles, was er über den weiteren Verlauf der Handlung wissen muss. Nichts wird eingeführt, nirgendwo wird hingeleitet, alles taucht auf, wenn Miller danach ist und verschwindet dann wieder im Nichts. Plötzlich haben die Moslems ein Kampfflugzeug, weil man ja mit irgendwas die Gerechtigkeitsstatue in die Luft jagen muss. Die Handlung springt von Hölzchen nach Stöckchen, ohne erkennbaren Sinn und irgendwann kommt aus dem Nichts das große Finale, weil ein großes Finale da sein muss.
In derselben Liga spielt die Charakterisierung: Der Fixer ist zunächst Batman, Natalie Stack ist zunächst Catwoman und irgendwann verhalten sie sich nicht mehr wie ihre DC-Konterparts, aber weiter charakterisiert werden sie auch nicht. Sie sind die Avatare, welche Millers Rachephantasien ausleben, sprechen wie jede Frank-Miller-Figur der letzten sechs Jahre, aber sie sind keine Figuren, die in irgendeiner Form interessant wären. Profillose Figuren funktionieren in einer packenden Geschichte. Aber profillose Figuren in einer Geschichte ohne erzählerische Meriten? Funktioniert nicht.
Als Comic ist Holy Terror also nicht völlig wertlos, dafür sind einige Sequenzen zu schön umgesetzt, aber Miller bleibt hier ganz klar meilenweit hinter seinen Möglichkeiten. Insgesamt gerät Holy Terror nicht einmal in den Verdacht, etwas anderes als schlecht zu sein.
Ich habe dazu in einigen Kommentarsektionen den Verweis gesehen, dass jedwede Kritik an Handlung und Figuren die Sache falsch anginge, da Miller hier ja Propaganda mache. So als gälten für Propaganda keine qualitativen Standards. Das stimmt allerdings nicht.
Casablanca ist ein Propagandafilm. Und Propaganda hin oder her, er gilt zu Recht als einer der besten Filme aller Zeiten. Weil er als Film funktioniert. Weil sein Zentrum ein romantischer Konflikt zwischen interessanten Figuren ist. Oder die Propaganda-Cartoons des Zweiten Weltkriegs. Bugs Bunny Nips the Nips, Herr meets Hare. Gerade der erste Cartoon vermittelt ein heute völlig inakzeptables Bild des damaligen Feindes als Untermensch … aber er funktioniert trotzdem als Bugs-Bunny-Cartoon und bietet all das, was ein Bugs-Bunny-Fan erwartet. Und Holy Terror funktioniert als Comic schlichtweg nicht.
Funktioniert er trotzdem als Propaganda?
Frage 2: Ist Holy Terror erfolgreiche Propaganda?
Ich würde argumentieren, dass Holy Terror auch als Propagandastück nicht funktioniert. Wenn ich das Prinzip richtig verstehe, soll Propaganda den Leser dazu bringen, einer Idee oder These zuzustimmen, die der Autor vertritt. Idealerweise, ohne dass dem Leser dies überhaupt bewusst wird. Gut, bei Holy Terror war die Katze aus dem Sack, als Miller anfing den Comic offen als Propaganda zu bewerben.
Und, zugegeben, mit dem oben erwähnten Epigraphen legt Miller die Messlatte direkt mal ziemlich hoch und alle Moslems, die in Holy Terror vorkommen, entsprechen dem Feindbildschema: Wahnsinnig, heuchlerisch, mörderisch. Und alle in den USA. Die alte Angst vor der Invasion kommt wieder hoch. Das hier ist Red Dawn mit Moslems.
Amina, die Austauschstudentin aus einem nie genannten arabischen Land, kritisiert die Verkommenheit der USA, trinkt dann aber Alkohol und flirtet mit einem Mädel, ehe sie sich in die Luft jagt. Und die Moslems am Ende des Comics fesseln „Catwoman“ in bester Bondage-Manier, was diese in einer Caption nochmal explizit anmerkt. Nur haben wir hier ein gemischtes Doppel der Heuchelei. Diese zwei Passagen würden ihr Ziel dann erreichen, wenn es nicht das Element der sexy Lesbe und die Bondage-Fantasie (wir erinnern uns an Millers und Sienkiewiczs Idee für Wonder Woman: Bondage) wären. Beides bekannte Autorenfetische Millers.
Klar, Propaganda kann völlig verlogen sein. Der Propagierende darf anderen vorhalten, was er selbst zelebriert. Nur verliert es seine Wirkung, wenn die Doppelmoral so offen zu Tage gefördert wird.
Propaganda sollte zudem eindeutig sein. Aber Holy Terror enthält immer wieder Passagen, deren Bedeutung ich nicht verstehe. Millers Grundaussage (der Moslem an sich ist böse und will uns alle töten) ist deutlich genug und die Bilder von wütenden Moslem-Demonstranten, Muslimas mit Raketenwerfern, Sturmgewehren und Sprengstoffgürteln, die Szenen, in denen Daniel Pearl (?) enthauptet wird, ein Moslem seine Frau schlägt und Moslems an einer öffentlichen Steinigung teilnehmen, unterstreichen diese Aussage noch.
Aber welche Funktion haben die Bilder von Politikern wie George W. Bush, Dick Cheney, Condoleezza Rice, Ariel Scharon, Hillary Clinton, Sarah Palin und Barack Obama? Seinem bisherigen Werk folgend, würde ich vermuten, dass Miller damit die gesamte Riege der Politiker als unfähig und damit ebenso gefährlich wie den Islam darstellen will. Ersichtlich wird das aber nicht. Diese Figuren tauchen – so wie ebenfalls Hamid Karzai, Kim Jong-il, Wladimir Putin und Michael Moore – plötzlich für ein Panel auf. Ich verstehe die Aussage nicht.
Und auch an anderer Stelle ist die Aussage unklar: Miller stellt Amerikaner, die einen Transformers-Film gucken, einer öffentlichen Steinigung gegenüber. Das Publikum des Transformers-Films sagt Dinge wie „epic“, „awesome“ und „kewl“, bei denen ich mir vorstellen kann, dass sie Miller missfallen. Aber auch hier: Was ist die Aussage? Hat der Westen für Miller seine primitiven Instinkte ins Kino verlagert? Oder will Miller damit die Popkultur des Westens kritisieren? Würde er damit nicht seinen propagandistischen „wir gegen die“-Anspruch untergraben?
Ich gebe zu, immer wieder erlebte ich solche Panels, die mich völlig verwirrt zurückließen: Da ist ein Panel, in dem sich ein Tor (?) mit einem Davidsstern öffnet. Dahinter: Feuer? Chaos? Ich weiß es nicht. Und ich weiß auch hier nicht, was es bedeutet: Soll das symbolisieren, dass das Chaos des Islam den Judaismus zerstören wird? Ist das Kritik an Palästina? Soll es zeigen, dass Israel das „Tor“ ist, das den Westen vor dem chaotischen Islam beschützt?
Vielleicht hätte ein Propaganda-Comic einen anderen Zeichner gebraucht, möglicherweise Jim Lee. Denn visuelle Propaganda arbeitet oft mit klaren Gut-/Böse-Darstellungen. Der blonde Held, der dunkelhaarige Schurke. Man denke an Storm Saxon aus V for Vendetta. Und, ja, Millers Moslems sind visuelle Stereotypen. Aber seine Amerikaner, die Opfer des islamischen Terrorismus, sind visuell ebenfalls in weiten Teilen nicht attraktiv dargestellt. Mit Ausnahme der niedlichen Katze (die sich in die Reihe der Opfer einfügt) vielleicht sogar ganz im Gegenteil.
Zwei der größten Probleme für Holy Terror als Propagandastück sind dabei noch nicht einmal genannt.
Das erste Problem ist, dass Miller sich scheinbar überhaupt nicht darüber im Klaren ist, welche Art von Propaganda er hier präsentieren möchte. Soll Holy Terror ein Propagandacomic im naiven Stile Captain Americas aus den Kriegsjahren sein? Oder soll der Comic als wirklich aktuelle, zeitgenössische Propaganda fungieren, die den realen Islam attackiert? Miller scheint in beide Richtungen gleichzeitig fahren zu wollen und dabei zerreißt es ihn.
Die letzte Seite von Holy Terror ist wie ein Schlag ins Gesicht. Und das meine ich im Guten. Es ist ein emotional aufwühlender Epilog über die menschlichen Folgen des Terrorismus. Über das, was nicht weggeht, den Schrecken, der nicht mit einem gezielten Schlag in die Kauleiste gelöst werden kann. Nur kommt diese wirklich großartige Seite nach fünfzehn Seiten, auf denen Miller uns gezeigt hat, wie weitere Terrorakte mit gezielten Schlägen in die Kauleiste, Kugeln ins Cranium, mit Raketen und Granaten verhindert werden können. In einer Kampfszene, die sich unter einer Moschee in einer von Archäologen freigelegten, uralten Stadt abspielt, die ein Volk von Wahnsinnigen erbaut hat. Das nenne ich mal einen Stilbruch.
Und Politsatire, Wut und das Vermitteln echter Angst vor den „Feinden“ (und das soll die Propaganda hier doch scheinbar bewirken) werden dadurch konterkariert, dass die Feinde völlige Abziehbilder sind. Visuell als Muslime erkennbar, aber Amina könnte vom inneren Monolog her auch jede beliebige andere weibliche Frank-Miller-Figur sein und im Endkampf könnte man die islamischen Terroristen ohne weiteres durch Hydra oder A.I.M. ersetzen und es würde keinen Unterschied machen. Wir reden hier von „Durka Durka Mohammed Dschihad“-Terroristen à la Team America. Das hat vor fünfzig Jahren funktioniert, aber heute wirkt es so plump, dass es die ernsthaften Aspekte seines Comics (z.B. die Steinigung) direkt mit entwertet. Auch auf der Ebene ist Holy Terror also als Propaganda ineffektiv.
Das andere große Problem ist: Holy Terror kommt Jahre zu spät. Als zweites Ziel seines Comics hat Miller auf der diesjährigen Comic-Con angegeben, dass er hofft, der Comic würde die Leute so richtig anpissen! Und bei der Erregbarkeit des Comic-Internets wäre das ehrlich keine Leistung. Nur: So sehr Holy Terror unappetitliche Züge hat und ein mir überhaupt nicht gefälliges Welt- und Heldenbild entwirft (alle Moslems sind böse, während der Fixer begründet Terroristen explodieren lässt und sich ihnen gegenüber offen rassistisch gibt) … im Vergleich zu so vielen anderen Dingen, die seit 9/11 das Licht der Welt erblickt haben, nimmt sich Holy Terror erschreckend harmlos aus.
Es ist längst nicht so bewusst geschmacklos wie Team America. Die Folterszene ist unschön, aber im Vergleich zu der Art, in der Jack Bauer Islamisten und andere -isten (inklusive Zivilisten) „verschärften Verhören“ unterzogen hat, benimmt sich der Fixer wie ein Schulbub. Im Videospiel Homefront, in dem die USA von Nordkoreanern überrannt werden, kann man erleben, wie Feinde per Phosphor in Brand gesteckt werden und ihnen dann zusehen, wie sie unter Schmerzensschreien verbrennen. Wofür man das Achievement „Let ‚em Burn“ erhält. Homefront ist geschmacklose Propaganda für eine neue Generation, nicht Holy Terror.
Und das sind nur Beispiele aus dem Bereich Fiktion. Kann Millers Propaganda die öffentliche Diskussion überhaupt bewegen? Wenn man sich anguckt, welches Islambild ein Sender wie FOX News verbreitet, wenn man bedenkt, dass wirklich Stimmung mit der Sorge gemacht wurde, Barack Obama könne insgeheim ein Moslem sein, wenn man überlegt was im Forum von Spiegel Online selbst in Deutschland die Mitte der Gesellschaft von sich gibt, wenn man sich das Huibuh um die „Siegesmoschee“ betrachtet, dann kann ich mir durchaus vorstellen, dass viele Konservative Millers Holy Terror sogar als deutlich zu handzahm und harmlos ansehen könnten. Hey, ich habe schon vor einigen Jahren Watch on the Rhine gelesen, wo Aliens stellvertretend für den Islam Europa eroberten und nur die reaktivierte Waffen-SS den Isla… äh… die Aliens und die Linken, Grünen und sonstigen „verweichlichten Gutmenschen“ ausrotten konnte.
Und ganz ehrlich, im Vergleich dazu ist Frank Miller ein Waisenknabe.
Wertung:
Ein schlechter Comic und ineffektive Propaganda. Ein Fehlschlag auf ganzer Linie.
(Aber: Mit der abschließenden Widmung des Comics an Theo van Gogh weiß ich jetzt wenigstens, wie ich 300 aufzufassen habe. Damit war Holy Terror immerhin nicht ganz sinnlos.)
Zweite Meinung: Holy Terror-Rezension von Daniel Wüllner
Holy Terror
Legendary Comics
Text und Zeichungen: Frank Miller
120 Seiten, farbig, Hardcover
Preis: 29,99 US-Dollar
ISBN: 978-1937278007
Leseprobe (PDF)
Abbildungen © Frank Miller, Legendary Comics LCC
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