Aremorica, Druiden, keltische Götter: So gut wie jeder Comic-Leser kennt diese Stichwörter und denkt natürlich an Asterix, das gallische Dorf und den dort ansässigen Druiden und Zaubertrankbrauer Miraculix. Das man das Setting auch für einen eher ernsthaften Comic verwenden kann, zeigen die Autoren Jean-Luc Istin und Thierry Jigourel und Zeichner Jacques Lamontagne mit ihrer Serie Die Druiden. Die auf insgesamt sechs Alben angelegte Reihe spielt am Ende des 5. Jahrhunderts, also knapp 500 Jahre später als Asterix. Längst hat sich das Christentum ausgebreitet und drängt den alten keltischen Glauben zurück.
Die Druiden waren die geistige und gesellschaftliche Elite der Kelten, vergleichbar mit Mönchen und Priestern bei den Christen. Und genau diese beiden Gruppen treffen hier aufeinander. Auslöser der Handlung ist eine Mordserie: Mehrere Mönche werden in Aremorica (der heutigen Bretagne) tot aufgefunden – enthauptet und mit einem Pfahl durch den Brustkorb. Auf den Pfählen befindet sich eine Aufschrift, geschrieben in Oghams, den Schriftzeichen, die die Kelten für heilige Texte verwenden. Für etliche Mönche und auch für das einfache Volk ist damit klar: Die Täter müssen in den Reihen der letzten verbliebenen Druiden zu suchen sein.
Der Abt Budog jedoch zweifelt an dieser These und ruft deshalb einen besonderen Ermittler zu sich, der ihm bei der Aufklärung des Falls helfen soll: Gwenc'hlan, einen Druiden. Dieser kommt gemeinsam mit seinem jungen Lehrling Taran in Budogs Kloster und beginnt mit den Nachforschungen. Dieser Teil der Geschichte erinnert stark an Umberto Ecos Roman Der Name der Rose – auch dort ermittelt ein Geistlicher mit einem jungen Novizen im Milieu eines Klosters. Dieser Eindruck wird noch dadurch verstärkt, dass Jacques Lamontagne die Figur des Gwenc'hlan deutlich an Sean Connery anlehnt, der bekanntlich die Hauptrolle in der Verfilmung des Romans spielte.
Befürchtet man anfangs noch eine schamlos geklaute Geschichte, schlägt der zweite Band schnell eine andere Richtung ein: Istin und Jigourel bauen nämlich auch viel Stoff aus der keltischen Mythologie in ihre Geschichte ein. Die Ermittlungen führen Gwenc'hlan und Taran in die Stadt Ys, eine angebliche versunkene, prächtige Stadt, die in etlichen keltischen Legenden vorkommt. In mehreren Rückblenden erfährt der Leser also von Ys, von deren hedonistischer Herrscherin Dahut, von deren Vater, dem König Gradlon, und ihrer Mutter Malgven. Die Autoren interpretieren also alte Sagen und Legenden auf ihre Weise neu und bauen die Krimihandlung als verbindendes Element drumherum.
Dies führt allerdings auch dazu, dass die Erzählung stellenweise zerfasert und ein roter Faden nicht immer erkennbar ist. Gerade im zweiten Band ufert Die Druiden stark aus, Nebenschauplätze und allzu wortreiche Rückblenden hemmen den Erzählfluss. Band 3 ist dagegen wieder stringenter erzählt und rückt die Thrillerhandlung wieder mehr in den Vordergrund.
Die Bilder von Jacques Lamontagne überzeugen vor allem dann, wenn er größere Stadtansichten oder Naturszenen zeichnet. Unterstützt von der sehr stimmungsvollen Kolorierung schafft er hier ein fast fotorealistisches Setting und lässt die frühmittelalterliche Welt lebendig werden. Weniger stark ist Lamontagne, wenn es um Nahaufnahmen der handelnden Personen geht. Seine Gesichter wirken oft starr und maskenhaft.
Insgesamt ist Die Druiden ein interessanter und ziemlich spannender Mix aus Mittelalter-Thriller, historischem Roman und Fantasy-Elementen. Im Zentrum steht immer wieder die Konfrontation zwischen dem Christentum und der sogenannten „Alten Religion“, also dem Glauben der Kelten, Deren Vertreter werden immer mehr zu einer Minderheit, wohlwissend, dass ihre Kultur vom Aussterben bedroht ist. Um noch einmal die Asterix-Analogie zu bemühen: Gwenc'hlan und seine Glaubensbrüder gehören zu einem kleiner werdenden Häufchen von Unbeugsamen, „die nicht aufhören, dem Eindringling Widerstand zu leisten“. Nur dass dieser Eindringling jetzt nicht vom römischen Kaiser, sondern vom römischen Papst gesandt ist.
Leider hielten es Istin und Jigourel für notwendig, diese solide und interessante Basis ihrer Geschichte immer wieder duch recht konventionelle Genre-Zutaten aufpeppen zu müssen. So bekommt man in jedem Band auch Action-Einlagen, erotische Szenen und klischeehafte Nebenfiguren, die die Story eher stören als bereichern. Wobei dieser Einwand sicherlich Geschmackssache ist.
Der Splitter Verlag veröffentlichte die ersten drei Bände in sehr kurzen Abständen und in gewohnt hochwertiger Aufmachung. Auf die Folgebände wird man etwas länger warten müssen: Das vierte Album erscheint im Juni, Band 5 und 6 sind bislang auch in Frankreich noch nicht erschienen. Die ersten drei Bände funktionieren jedoch trotz des offenen Endes schon fast als ein abgeschlossener Zyklus, denn in Band 3 sind wir Zeuge eines ersten großen Showdowns (in einer beeindruckenden Bibliothek) und ein Teil des Mordmysteriums wird bereits gelöst.
Die Druiden
Splitter Verlag
Text: Jean-Luc Istin, Thierry Jigourel
Zeichnungen: Jacques Lamontagne
Hardcover; farbig; jeweils 48 Seiten; 12,80 Euro
Band 1: Das Geheimnis der Oghams
ISBN 978-3-940864-40-6
Band 2: Die weiße Stadt
ISBN 978-3-940864-41-3
Band 3: Die Lanze des Lug
ISBN 978-3-940864-42-0