Mind the Gap

Mind the Gap 18: Previews 12/2005


Vorbestellungen für Februar 2006

DAREDEVIL #82
Marvel Comics/Marvel Knights | 40 Seiten | $ 2.99 | DEC05 1984

Das neue Gespann, das ab Februar den pulpigsten aller Marvel-Helden betreuen wird, besteht aus Autor Ed Brubaker und Zeichner Michael Lark. Zwar sind Brubakers Arbeiten handwerklich tendenziell etwas feinsinniger und sorgfältiger als die von Bendis, aber an der Grundausrichtung dürfte sich nach dem Wechsel nicht viel ändern. Genau wie die DC-Serien Catwoman, Gotham Central oder Sleeper, fällt auch Daredevil samt und sonders in das Feld, auf dem Brubaker ein Meister ist: düstere Häuserschluchten; sadistische Gangster; Helden, die moralische Grauzonen wie Schneckenhäuser mit sich herumschleppen; Verdrängtes aus der Vergangenheit, das sich langsam aber unaufhaltsam seinen Weg zurück an die Oberfläche knabbert. Lark (Gotham Central, The Pulse) geht von seinem Zeichenstil her als Zwilling seines Vorgängers Alex Maleev durch (wahlweise auch gerne als David Mazzucchellis kleiner Bruder), weshalb auch künstlerisch keine großartigen neuen Akzente zu erwarten sind.

Die bevorstehenden Änderungen werden also wohl eher im Detail zu finden sein. Während Bendis sich gerne in ausschweifenden Dialogszenen und spontan strukturierten Plots austobt und dabei auch schon mal den Faden verliert, ist Brubaker ein viel disziplinierterer Geschichtenerzähler, der Schwerpunkte in komplexen Handlungen und Motivationen setzt, was eine kontrolliertere und vorausschauendere Herangehensweise erfordert. Ähnlich subtil verhält es sich mit Lark und Maleev. Letzterer brilliert eher mit atmosphärischen Einzelillustrationen oder dem Mimenspiel bei Dialogen (die berühmten talking heads), während sein Nachfolger insgesamt mehr an dem sequentiellen Aspekt seiner Kunst interessiert zu sein scheint.

Versteckt im Kleingedruckten des Previews-Werbetextes: Angeblich soll diese Ausgabe 40 statt der üblichen 32 Seiten haben, und das noch dazu ohne Werbeseiten. Durchaus lobenswert.

FURY: PEACEMAKER #1 (of 6)
Marvel Comics/Marvel Knights | 32 Seiten | $ 3.50 | DEC05 1990

Ein immer wieder gerne erzähltes Gerücht besagt, Autor Garth Ennis und Zeichner Darick Robertson seien schuld daran, daß vor wenigen Jahren ein Nick-Fury-Film mit George Clooney in der Hauptrolle geplatzt ist. Als Clooney nämlich die erste Fury-Serie, damals erschienen auf Marvels Erwachsenen-Label Max Comics, zu Gesicht bekam, soll er diese Version der Figur – immerhin ein misanthropischer, moralisch und emotional vergammelter alter Drecksack – so abstoßend gefunden haben, daß er dankend auf die Rolle verzichtete. Daraufhin wiederum soll der für Marvels Hollywood-Eskapaden zuständige Avi Arad in New York aufgekreuzt sein und Bill Jemas, dem damaligen Chef der Comic- und Lizenzabteilungen, sein ausdrückliches Mißfallen über dessen Management ausgesprochen haben.

Ob das der Grund ist, warum Peacemaker, die Fortsetzung von Fury, nicht mehr bei Max Comics, sondern bei dem wesentlich zahmeren Marvel-Knights-Label erscheint, darüber kann natürlich nur spekuliert werden. Tatsache ist jedenfalls, daß Jemas schon vor zwei Jahren in die Wüste geschickt wurde, und daß Max Comics mittlerweile mit Punisher gerade mal noch eine Serie zu bieten hat, nachdem sowohl Alias als auch Supreme Power neu konzipiert, umbenannt und inhaltlich entschärft wurden. Nun kann man bei einem Comic von Ennis und Robertson zwar getrost davon ausgehen, daß er wenigstens lesenswert sein wird. Da bei Fury aber gerade die wüst übersteigerte Brutalität und Sinnlosigkeit der rudimentären Handlung der springende Punkt war, ist es zweifelhaft, ob die Serie unter diesen strengeren Rahmenbedingungen noch eine Chance hat, ihre pädagogisch äußerst bedenkliche Wirkung auch in vollem Umfang zu entfalten.

Zudem handelt es sich hier um einen weiteren Comic, den Marvel ohne ersichtlichen Grund mit dem unverschämten $-3.50-Preisschild versieht, nur weil man weiß, daß er sich wahrscheinlich trotzdem respektabel verkaufen wird. Vielleicht lohnt es sich, Fury: Pacemaker, pardon: Peacemaker, im Auge zu behalten. Im Zweifelsfall wird aber empfohlen, auf den preisgünstigeren und lesefreundlicheren Softcover-Sammelband zu warten.

HELLBOY: MAKOMA, OR: A TALE TOLD BY A MUMMY IN THE NEW YORK CITY EXPLORERS‘ CLUB ON AUGUST 16, 1993 #1 (of 2)
Dark Horse Comics | 32 Seiten | $ 2.99 | DEC05 1990

Viele Informationen zu dem Projekt bietet Previews nicht gerade. Erstens, Makoma wird geschrieben von Hellboy-Papa Mike Mignola und gezeichnet von Richard Corben. Zweitens, es handelt sich dabei augenscheinlich um einen Prequel zu der letzten Hellboy-Miniserie, The Island. „Ein früheres Zusammentreffen mit der mächtigen Mythologie Afrikas“ soll man hier finden, was auch immer das bedeuten mag. Wenn sich schon der bloße Werbetext beizeiten bemüht, undifferenzierten Stuß über einen sehr großen, sehr differenzierten Kontinent abzulassen, dann weckt das jedenfalls nicht gerade Vertrauen in die Fähigkeiten der Herren Autoren. Und, ach ja: Mignola selber soll den Bleistift auch für ein paar Seiten abstauben.

Nun ja, da sich die Hellboy-Comics im Zuge des erfolgreichen Films verstärkter Beliebtheit erfreuen, kann man es Mignola und Dark Horse kaum verübeln, daß sie die Bestie füttern wollen, solange sie hungrig ist. Nach einer essentiellen Geschichte, die danach schreit, erzählt zu werden, hört sich die Sache allerdings kaum an. Die Serie wird wahrscheinlich eher was für Hardcore-Fans sein.

I (HEART) MARVEL: WEB OF ROMANCE
Marvel Comics | 32 Seiten | $ 2.99 | DEC05 2003

Obwohl diese Veranstaltungen regelmäßig zur Veröffentlichung der übelsten Gurken führen, scheint Marvels Vertrauen in das sogenannte „Fifth-Week-Event“ ungebrochen zu sein. Im Klartext: Ein paar Mal jedes jahr gibt es Monate, die mit fünf Mittwochen (Mittwöchern? Mittwürschdel?) ausgestattet sind, statt nur mit vieren. Da nun der Mittwoch bei den Amis bekanntlich der Tag ist, an dem die neuen Comics erscheinen, muß man sich als Verlag für solche Monate natürlich etwas ganz besonderes einfallen lassen.

Okay, man muß eigentlich gar nicht nicht. Man könnte ja einfach die vorhandenen Produkte gescheiter verteilen oder von der ein oder anderen Serie eine Extra-Ausgabe feilbieten. Stattdessen gibt es regelmäßig ein Fünfte-Woche-Ereignis, das genauso spannend und notwendig ist, wie es sich anhört. Denn seine Existenz ergibt sich nicht etwa aus kreativen Impulsen oder zwingenden Fragen, die in der Handlung früherer Veröffentlichungen aufgeworfen wurden. Nein, nein, nein. Der einzige Grund, warum es „Fifth-Week-Events“ gibt, ist tatsächlich die ebenso banale wie unumstößliche Tatsache, daß manche Monate nun mal mit einer fünften Auslieferungswoche daherkommen.

Dementsprechend ernüchternd gestaltet sich die Themenauswahl. Nachdem 2005 bereits rätselhafte Schimären wie Marvel Knights 2099 (angeblich zum fünften Geburtstag des Marvel-Knights-Labels; nur daß dieses dummerweise schon sechs Jahre existierte) und wieder Aufgewärmtes wie What If…? als „Fifth-Week-Events“ zum Zuge kamen, hat man für März 2006 schon mal anklingen lassen, daß man dem geneigten Leser nochmal das New Universe von 1986 näher bringen möchte. Und wenn einem der Terminus „New Universe“ überhaupt gar kein Begriff ist, dann ist das an und für sich kein Zufall.

Wie dem auch sei. Für den Februar 2006 hat man sich entschlossen, rechtzeitig zum Valentinstag nochmal an die Schnulzencomics zu erinnern, die Marvel – damals unter dem Namen Atlas – in den 50ern veröffentlichte. Die Aktion nennt sich I (Heart) Marvel und besteht aus vier Einzelausgaben, einem Sammelband der alten Originale (Marvel Romance) und einer angenehm seltsamen Remix-Miniserie (Marvel Romance Redux: But He Said He Loved Me), in dem die Autoren Keith Giffen, Jimmy Palmiotti, John Lustig und Roger Langridge ihren Schabernack mit alten Schnulzencomics von Jack Kirby und Steve Ditko treiben und diese mit neuen Texten versehen.

Eins der interessantesten Exponate aus dieser illustren Auswahl stellt sicher das Heft I (Heart) Marvel: Web of Romance dar, in welchem der beliebte Independent-Cartoonist Tom Beland (True Story Swear to God) und Invincible-Zeichner Cory Walker eine Valentinstags-Geschichte mit Peter Parker und Mary Jane erzählen, in der obskure Schurken wie der Mandrill und der Drachenmann Spider-Man ans Leder wollen.

Und der Vollständigkeit halber sollen die drei anderen Einzelhefte auch nicht unerwähnt bleiben: Protagonist von I (Heart) Marvel: Outlaw Love von Fabian Nicieza (Cable & Deadpool) und Jon Proctor (Gun Theory) ist – warum auch immer – die Antwort, die von Bullseye gejagt wird, aber selber viel mehr an einer Romanze mit Ruby Thursday interessiert ist. (Die Antwort, wie sich viele übergewichtige Schnauzbartträger mittleren Alters sicher gerne erinnern werden, ist ein obskurer Spider-Man-Schurke aus den frühen 80ern.) In I (Heart) Marvel: Marvel Ai erzählen C.B. Cebulski, Kei Kobayashi und Tomoko Tamiguchi gleich drei Geschichten. Ebenfalls drei Stories gibt es, zu guter letzt, in I (Heart) Marvel: My Mutant Heart, geschrieben von Daniel Way, Peter Milligan und Tim Fish, mit Zeichnungen von Marcos Martin, Ken Knudtsen und Fish.

Grundsätzlich ist, wie bereits erläutert, bei solchen Aktionen immer Vorsicht geboten, denn sie entpuppen sich schnell mal als Griff ins Klo. In diesem Fall läßt aber zumindest die Auswahl der Autoren hoffen. Größtenteils.

KID ETERNITY (TPB)
DC Comics/Vertigo | 144 Seiten | $ 14.99 | DEC05 0327

Der Sammelband enthält die ursprünglich 1991 erschienene Vertigo-Serie Kid Eternity, geschrieben von Grant Morrison und gezeichnet von Duncan Fegredo. Die Figur des Christopher Freeman, alias Kid Eternity, gehörte anno dazumal dem Verlag Quality Comics, bevor man sie sich bei DC – möglicherweise für einen Appel und ein Ei – unter den Nagel riß. Freeman starb in der Ur-Version des Comics als Teenager in einem Unfall, woraufhin er wegen einer Verwechslung von der zuständigen Behörde wieder auf die Erde zurückgeschickt wurde, um 75 Jahre lang Recht und Ordnung aufrecht zu erhalten. Zu diesem Zweck gab man ihm die Fähigkeit mit auf den Weg, historische Persönlichkeiten zu beschwören, die ihm behilflich sein sollten.

Daß der 30jährige Morrison an der Neuinterpretation des Konzepts in der Frühphase seines Schaffens in der amerikanischen Branche einen Heidenspaß gehabt haben dürfte, ist offensichtlich. Für alle Anhänger des Schotten mit dem achtdimensionalen Hirn, die noch nicht in Besitz der drei Prestige-Format-Ausgaben sind, ist dieses Büchlein deshalb ein Pflichtkauf.

PAT NOVAK FOR HIRE (GN)
Moonstone Books | 48 Seiten | schwarzweiß | $ 4.95 | DEC05 3113

Wenn US-Urgestein Steven Grant gerade mal nicht an seiner aufschlußreichen Kolumne “Permanent Damage“ für Comic Book Resources feilt, schreibt der gute Mann hin und wieder auch noch Comics – unter anderem stammt beispielsweise die vielbeachtete Miniserie Punisher: Circle of Blood von 1986 aus seiner Feder.

In Pat Novak for Hire widmet sich Grant der Hauptfigur einer Serie von US-Radio-Hörspielen aus den 40ern. Pat Novak ist ein ehemaliger Privatdetektiv, der sich mittlerweile auf seinem Hausboot in San Francisco zur Ruhe gesetzt hat, wo er mit seiner Enkelin lebt. Aber natürlich hält die Idylle nicht lange vor, denn der Haudegen wird von einem seiner alten Fälle eingeholt.

Illustriert wird das Heft von Tom Mandrake, dessen rauher, düsterer Stil zuletzt in Marvels Weapon X zu betrachten war. Zu der in schwarzweiß gehaltenen Pulp-Übung Pat Novak sollte er ausgezeichnet passen.

QUEEN & COUNTRY: DECLASSIFIED, VOL. 2 (TPB)
Oni Press | 96 Seiten | schwarzweiß | $ 8.95 | DEC05 3142

Während Greg Rucka das Hier und Jetzt seiner Agenten-Seifenoper Queen & Country mit den beiden Romanen A Gentlemen’s Game und Private Wars gerade auf erstaunlich rasante Weise durcheinandergewirbelt hat, müssen Anhänger des Comics erstmal mit diesem Sammelband vorlieb nehmen.

Nachdem in der ersten Declassified-Serie die Vergangenheit von Paul Crocker, dem Chef von Queen-&-Country-Protagonistin Tara Chace, beleuchtet wurde, ist diesmal ihr ehemaliger Kollege Tom Wallace dran, den man in seinen jüngeren Tagen auf einer Mission in der damaligen britischen Kolonie Hongkong begleiten darf.

Zeichner ist Rick Burchett, der schon in Detective Comics mit Rucka zusammengearbeitet hat. Insbesondere nach der Lektüre von A Gentlemen’s Game dürfte dieser Band wohl einen besonderen Stellenwert haben.

SAM & TWITCH: THE BRIAN MICHAEL BENDIS COLLECTION, VOL. 1 (TPB)
Image Comics | 224 Seiten | $ 24.95 | DEC05 1752

Damals, als sein Name noch für qualitativ überzeugende Krimis stand, schrieb Brian Michael Bendis verschiedene verschiedene Serien für Todd McFarlanes Abteilung von Image Comics, wie etwa den Spawn-Ableger Sam & Twitch. Zwar spielte die Reihe dabei im gleichen Universum wie Spawn selbst, mit dem ganzen pseudo-biblischen Krimskrams hat sie aber dankenswerter Weise nichts am Hut. Viel eher geht es um grausige Mordfälle, die von Bendis in gewohnter Manier aufgearbeitet werden.

Künstlerisch betreut wird der hier enthaltene Geschichtenzyklus von Ashley Wood, Alberto Ponticelli, Clayton Crain und Alex Maleev. Die im Original aus dem Jahr 1999 stammenden Stories wurden 2000 schon einmal in einem Sammelband veröffentlicht, seinerzeit unter dem Titel Sam & Twitch, Book One: Udaku. Nixdestrotrotz behauptet der neue Previews, daß sie in The Brian Michael Bendis Collection „erstmals voll in Farbe“ erscheinen, also war die frühere Version wohl in schwarzweiß.

In Anbetracht der momentanen Schwemme an lust- und lieblosen, handwerklich peinlich schlechten Arbeiten à la Secret War, New Avengers oder House of M sollte dieser Band eine gute Gelegenheit bieten, sich nochmal daran zu erinnern, warum man Bendis eigentlich irgendwann mal gut fand.

SUPERMARKET #1
IDW Publishing | 32 Seiten | $ 3.99 | DEC05 3067

Yakuza-Gangster und Porno-Schweden rivalisieren in Supermarket, einer neuen Reihe von Kultautor Brian Wood (Demo, DMZ, Local), die von Kristian Donaldson gezeichnet wird. Die Anzeige beschreibt den Comic als „Anti-Konsumerismus mit einer gesunden Dosis Gewalt und Humor.“ Ob die Tatsache, daß er bei IDW erscheint, einem Verlag, der grundsätzlich für Produkte, die anderswo $ 2.99 kosten, einen Zähler mehr verlangt, als gewiefte Anspielung im Sinne der Prämisse zu betrachten ist, konnte vor Redaktionsschluß leider nicht ermittelt werden.

Woods Arbeiten sind im Prinzip durchaus empfehlenswert; wenn der Mann sich konsequent an einer Figur festbeißt und eine Charakterstudie abliefert, dann ist das üblicherweise eine feine Sache. Auf der anderen Seite passieren aber leider auch schon mal Sachen wie Couscous Express, die ihre arg übertriebenen Konzepte zu ernst nehmen und dabei unfreiwillig komisch wirken. Bleibt abzuwarten, in welche Kategorie Supermarket fällt.

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