Messe- und Ausstellungsberichte

Helden, Freaks und Superrabbis


Superman-Figur von Marcus Wittmers vor dem Jüdischen Museum Berlin © Jüdisches Museum Berlin, Foto: Jens ZieheAm 29. April eröffnete das Jüdische Museum Berlin die Ausstellung „Helden, Freaks und Superrabbis – Die jüdische Farbe des Comics“, die Besucher bis zum 8. August 2010 sehen können. Zusammen mit dem Pariser Musée d’art et d’histoire du Judaïsme und dem Amsterdamer Joods Historisch Museum geht es den Ausstellern darum, den Beitrag von Juden in der Comicgeschichte herauszustellen. In der Tat liest sich die Liste der ausgestellten Künstler wie ein Who is who des Comic: ob Kane und Bill Finger, Stan Lee und Kack Kirby, Jerry Siegel und Joe Shuster – die Väter der Superhelden Batman, The Fantastic Four und Superman – stehen neben so unterschiedlichen Zeichnern wie dem Graphic Novel-Pionier Will Eisner, dem Krazy-Kat-Schöpfer George Herriman, dem MAD-Gründer Harvey Kurtzman, den Underground-Legenden Art Spiegelman und Robert Crumb oder dem französischen Multitalent Joann Sfar.

Fünf thematische Blöcke unterteilen „Helden, Freaks und Superrabbis“ und konzentrieren sich dann wiederum auf die Künstler der jeweiligen Epoche. Der Gang beginnt bei den frühen Zeitungscomics, in denen ein neues Medium entstand, das Künstler aus Einwandererfamilien prägten. Die Geburt der Superhelden Ende der dreißiger Jahre markiert den nächsten historischen Schritt: Nicht nur Superman, der aus der Feder von zwei jüdischen Teenagern stammt, kann als „ultimative jüdische Assimilierungsfantasie“ betrachtet werden, wie der Karikaturist Jules Feiffer es formulierte. Ab 1950 machte dann der jüdische Verleger Bill Gaines den New Yorker EC-Verlag zu einem der größten Comicverlage der Zeit. Seine zumeist ebenso jüdischen Mitarbeiter erfanden das Genre der Schock- und Horrorcomics, in denen sie sich zum Rassismus, Antisemitismus und die Gewalt in der amerikanischen Gesellschaft äußerten. Mit dem Comic-Code verschwanden 1954 im Namen der guten Erziehung alle „Schmuddelcomics“, was EC beinahe ruinierte. Bloß das Satiremagazin MAD blieb von der Zensur verschont und sicherte dem Verlag das Überleben. Über die Underground-Szene der späten Sechziger mit ihrem Ich-Kult geht es zur Graphic Novel weiter. Nach den Pionierwerken – Eisners A Contract with God und Spiegelmans Maus – stehen zeitgenössische Arbeiten im Mittelpunkt. Der Besuch endet mit einem Ausblick auf die israelische Comicszene.

Ausstellungsansicht »Helden, Freaks und Superrabbis. Die jüdische Farbe des Comics« © Jüdisches Museum Berlin, Foto: Jens ZieheDie Aussteller haben ihr Augenmerk auf ein Zielpublikum gerichtet, das fachfremd ist. Denjenigen, die die Arbeiten von Spiegelman, Eisner oder Crumb kennen, sagt sie nichts wirklich Neues zur Arbeit dieser Autoren. Da aber viele Originalzeichnungen zu sehen sind, dürfte jeder Comicfan Stellen finden, an denen er seinem persönlichen Fetischismus nachgehen kann: bei einer Vorzeichnung für einen Full Page Strip von Krazy Kat, bei einer Skizze zu einer Seite von Die Katze des Rabbiners oder einer Tuschezeichnung für A Contract with God. Bisweilen warten wahre Entdeckungen wie Mickey im Lager Gurs von Horst Rosenthal auf die Besucher. Die Nazis internierten Rosenthal 1939. Im französischen Lager Gurs beginnt er 1942 ein Album zu zeichnen, in dem auch Mickey Mouse wegen fehlender Papiere leben muss. Mickey beschreibt den Alltag im Lager, bis er sich zum Schluss einfach auslöscht und nach Amerika verschwindet, weil er das als Comicfigur kann. Rosenthal wurde noch 1942 nach Ausschwitz deportiert und ermordet.

Die Architektur der Ausstellung bereichert den ohnehin starken visuellen Eindruck von „Helden, Freaks und Superrabbis“ noch. Marcus Kaiser und Tobias Katz haben die Austellungswände und -tische als einen mehrfach gefalteten Comicstrip entworfen. Da zu jedem Themenblock passende Alben und Comichefte in Sitzecken verteilt sind, sollte sich jeder Besucher sehr viel Zeit nehmen für den Gang durch die jüdische Comicgeschichte, die einen gewaltigen Teil der gesamten Comicgeschichte ausmacht.

Helden, Freaks und Superrabbis
Ausstellung im Jüdischen Museum Berlin, bis 8. August 2010
Lindenstraße 9-14, 10969 Berlin
Website der Ausstellung inkl. Webcomic von Sascha Hommer und Jan-Frederik Bandel

Diverse Begleitprogramme, z. B. „Zeichne deinen Comic!“
Dreitägiger Workshop mit Zeichner Uwe Heinelt zum Thema Helden für Jugendliche von 14-18 Jahre
Mo. 12., Di. 13. und Mi. 14. Juli, jeweils 13 bis 17 Uhr
Preis: 10,- Euro inkl. Materialkosten
Anmeldung unter: ferienprogramm(at)jmberlin.de, Kopie an info(at)heinelt-comic.de

Oder auch unter: 030/25993322
Gerne können Teilnehmer vorab eigene Zeichnungen an das Jüdische Museum Berlin mailen.

Fotos © Jüdisches Museum Berlin, Fotograf: Jens Ziehe