Messe- und Ausstellungsberichte

Comicfest München 2005

 
Öffnungszeiten einer Kneipe in der Großstadt

Da ich nur von Freitagnachmittag bis Samstagabend mit dabei war, gibt’s von mir nun meinen persönlichen, aber zeitlich recht eingeschränkten Erfahrungsbericht (über all die fantastisch positionierten, Frustationsgrade explosionsartig nach oben treibenden Einbahnstraßen in München, nicht ausgeschilderten Orientierungspunkte wie z.B. den totaaal unwichtigen Hauptbahnhof oder eben die Museumsinsel, Taxiherden, in denen man sich fühlt wie ein Häschen in einer Gnustampede, und mysteriösen Öffnungszeiten in dem Stadtteil, in dem sich mein Hotel befand, will ich lieber keine Worte verlieren 😉 ).

 

 
Das Forum am Deutschen Museum

Die Lage an sich fand ich recht schick. Macht schon was her, so auf einer Insel in der Isar. Die Räumlichkeiten waren an sich ausreichend, wobei mich ein wenig die für meinen Geschmack etwas zu zahlreich aufgestellten Stellwände gestört haben. Dadurch wirkte optisch alles etwas eingekesselt. Wie auch in Erlangen gibt es zwei Stockwerke. Im Erdgeschoss befanden sich die Aussteller und Händler, und im Keller die Ausstellungen und eine Bühne. 

 
Der Eingang zum Comicfest

Ein zweites, größeres Manko war das zeitweise lautstarke Überschneiden eines Vortrags und einer Animevorführung. Ist halt nicht besonders toll, gegen die Spice Girls anbrüllen zu müssen. Obwohl der Anime-Ton im Lauf des Vortrags dankenswerterweise leiser gedreht wurde, hatten beide Seiten vermutlich nicht unbedingt ihre Freude an der anderen Veranstaltung. Da sollte man im nächsten Jahr die beiden Orte noch etwas auseinander ziehen.

Am Freitag galt es für mich zuerst mal zu schnacken mit den Leuten, die man immer wieder gerne sieht. Außerdem habe ich unseren Cartoonisten Miguel Fernandez persönlich kennen gelernt und direkt mal in seinem ersten, druckfrischen Comic „Felsfest Open Air“ reinschauen können. Auch Gabor Racsmany von Blotch zählt zu meinen neuen in natura Bekanntschaften.
Ist echt nett, immer mal wieder die Leute hinter den mails und Zeichnungen kennen zu lernen.  🙂

 
Ralf König (links) stellte sich den Fragen von Andreas C. Knigge

Um 18 Uhr wurde der Stargast des Comicfests, Ralf König, von Andreas C. Knigge interviewt. Der etwas knötterig wirkende Comiczeichner erzählte aber seiner Miene zum Trotz sehr ausführlich und interessant über sein Schaffen und Tun. Dass er nicht sonderlich begeistert ist von den bisherigen  Verfilmungen seiner Comics  (Der bewegte Mann, Das Kondom des Grauens, Wie die Karnickel, Lysistrata), ist vermutlich bekannt. Interessant fande ich, dass er sich für seine Comics keine Skripte erstellt, sondern einfach drauf los zeichnet. Oft weiß er selber auch nicht, wie der Comic endet oder wie umfangreich er wird. So geschah es dann, dass sein neuer Comic „Dschinn Dschinn“ in zwei Teile aufgeteilt wurde, damit schon mal die ersten 170 (!) Seiten veröffentlicht werden können. Der erste Band, welcher aber wohl relativ abgeschlossen ist, erscheint in ein paar Wochen, am zweiten arbeitet Ralf noch.
Er selber liest kaum Comics. Als Medium fände er es für seine Geschichten wunderbar (er veröffentlicht seine Arbeiten seit 25 Jahren!), aber die meisten Comics auf dem Markt wären ihm zu unrealistisch und zu kurz. Dafür freue er sich sehr, wenn ihm doch mal was nach seinem Geschmack nach unter die Nase gehalten würde. So hätte es z.B. “Blankets“ geschafft, ihn zu fesseln.
Natürlich lag auch ein Augenmerk des Interviews auf dem schwulen Schwerpunkt in Ralf Königs Comics. Er sei immer noch etwas erstaunt, dass sich die Bände auch an Heterosexuelle verkaufe, so der Zeichner und Autor. In Spanien wäre das ähnlich wie in Deutschland, während die Comics in Frankreich noch nicht aus der Schwulenszene herausgefunden hätten. Vielleicht ändere sich das aber noch ein wenig dadurch, dass „Wie die Karnickel“ im Frühjahr auf dem wichtigen Comic-Festival in Angoulême mit dem Preis für das beste Comic-Szenario 2004 ausgezeichnet wurde.
Insgesamt wirkte der studierte Künstler, der schließlich einer der erfolgreichsten und bekanntesten Comiczeichner Deutschlands ist, auf eine angenehme Art abgeklärt und gleichzeitig bodenständig.

 
Ein König aus dem Jahr 1998

Von Ralf König waren auch Originale ausgestellt, einerseits Seiten aus den Comics, auf denen man sehen konnte, dass er nicht viel (oder gar nicht?) größer zeichnet als es nachher gedruckt wird, und andererseits auch einige Ölbilder aus den Neunzigern.

 
Eine Blaustiftzeichnung von Thomas von Kummant

Eine andere Ausstellung fand ich wirklich bemerkenswert, und zwar die von Thomas von Kummant zu „Die Chronik der Unsterblichen“. Einfach Wahnsinn, was für eine Atmosphäre

 
Ausstellung beim Comicfest 2005

der Mann in seinen Bilden heraufzaubern kann, das hat ja schon den Comic so beeindruckend gemacht. Und bei den Originalen kommt das nochmal besonders schön raus. Aber selbst mit einem einfachen Blaustift bekommt er stimmungsvolle Zeichnungen hin, von denen andere nur träumen können.

Richard Corben war ebenfalls mit einer Galerie seiner realistischen SciFi-Zeichnungen vertreten. Soweit ich das gesehen habe, waren aber leider keine Originale dabei – im Gegensatz zu Harvey Kurtzman, von dem zwei Originalseiten, unter anderem zu einer nicht veröffentlichten „Christmas Carol“-Geschichte, zu bestaunen waren.

 
Stefan Dinter bei seinem ersten Vortrag an diesem Tag.

Am Samstag habe ich mir dann erstmal bei Stefan Dinters Vortrag angehört, wie man sich als Zeichner richtig bei einem Verlag bewirbt. Gewohnt flockig und tapfer gegen die Anime-Mucke ankämpfend ließ er so einige Tipps und Tricks springen inklusive ein paar warnender “Willkommen in der Welt der Freischaffenden“-Worte.

 
Es hatten sich eine Menge Nachwuchszeichner eingefunden.

War sicherlich für die anwesenden Zeichenaspiranten recht interessant.
Ich glaube, Stefan könnte einem sogar aus dem Telefonbuch vorlesen, es wäre immer noch unterhaltsam.

 
Jan bei dem liebstem Hobby der Dinter-Brüder: unauffällig filmen

Um 14 Uhr traf ich dann beim CosPlay-Wettbewerb einen zweiten Dinter, und zwar Jan, der eifrig seine neue Videokamera zur Aufnahme des Spektakels einsetzte (“Das ist wie bei ’nem Autounfall: man muss einfach hingucken“).
Und man höre und stauen: es gab sogar eine Figur, die wir kannten! Ein eher zierlicher junger Mann hatte sich als Hellboy verkleidet! An der Körpersilhouette hätte er noch etwas arbeiten müssen, aber der Rest sah richtig gut und nach echt viel Arbeit aus. Sogar die Finger der rechten Faust konnte er einzeln bewegen, wenn ich das richtig gesehen habe. Und wenn ich mich richtig erinnere, war er sogar in der Siegermannschaft. 
Auch einige der anderen Köstume waren  beeindruckend.
So sehr sich das Äußere der Darsteller unterschied, so unterschiedlich waren auch die schauspielerischen Leistungen auf der Bühne. Manche zogen ihr geprobtes Stück aber erstaunlich locker durch. Nicht schlecht.

 
 Hellboy beim CosPlay
 
Die CosPlay-Jury sieht noch nicht ganz überzeugt aus

Irgendwie ist es schon komisch: die westlichen und die östlichen Comicfans waren auf derselben Messe anwesend, für jeden war was geboten, und trotzdem gab es kaum Überschneidungen. Die Mangaleute blieben unter sich (die gingen sogar am Samstag vor der ICOM-Preisverleihung und dem Spacken! Frechheit 😉 ) und schauten kaum bei den alteingesessenen Verlagen vorbei (Verlage mit Manga im Programm waren keine dabei), dafür wurden sie andererseits auch ganz gut ignoriert von den alten Hasen. Es war eher ein Nebeneinander als ein, vielleicht auch erstmal nur zaghaftes, Miteinander.
Mal sehen, ob das vielleicht doch noch irgendwann zusammenwachsen kann. Ich bin aber momentan noch sehr skeptisch.

 
FIL vor begeistertem Publikum

Zum Abend hieß es für mich dann noch umziehen (schließlich hatte die Spacken-Jury den kongenialen Plan geschmiedet, uns alle geschniegelt und gebügelt zu präsentieren), und dann konnte es auch schon losgehen mit den Preisverleihungen. Davor trat noch FIL auf, Comiczeichner und Entertainer, von dem ich aber leider nur noch die letzten zehn Minuten mitbekommen habe. Ich denke aber, der heiteren Stimmung nach zu urteilen war sein Programm sehr witzig, und ich hatte garantiert was verpasst.

 
Burkhard Ihme mit einleitenden Worten

Der ICOM Independent Comicpreis wurde von Burkhard Ihme eröffnet und dann von Harald Havas auf seine gewohnt lockere Art moderiert. Allerdings ist es halt trotz allem eine Preisverleihung und kein Unterhaltungsprogramm, insofern war es sicherlich kein leichtes Spiel, nach FIL auf die Bühne zu gehen.

Gewonnen hat in der Kategorie
+Bester Independent-Comic: Stefan Atzenhofer – Blue Moon of Kentucky (Schwarzer Turm)
+Bestes Fanzine: Herrensahne
+Bester Comicbeitrag (funny): Panik Elektro 2 beim Schwarzer Turm (funny?!)
+Bester Comicbeitrag (realistisch): Bosnian Flat Dog (Reprodukt)
+Bestes Szenario: Thomas Gilke – Import/Export (in EDIT 34)
+Sonderpreis: Deutsche Comicforschung 2005 (comicplus +)

 
Harald Havas moderiert und Bernd Glasstetter und Stefanie Urbig übergeben als Vorjahresgewinner die Urkunde für den Sonderpreis an Eckart Sackmann

Lobende Erwähnungen erhielten
+Naomi Fearn – Dirt Girl (Zwerchfell)
+Die Piccolo-Reihe (Gringo Comics)
+Paul Hoppe – Die Schlange (Zwerchfell)
+Ulf K. – Sternennächte (Edition 52), Mawil – Die Band (Reprodukt), Tobias O. Meissner und Reinhard Kleist – Berlinoir 2 – Mord!

 
So hat ein Publikumspreisgewinn auszusehen!

Nach der ICOM Preisverleihung ging es dann noch mit der Verleihung des Goldenen Spacken 2005 ans Eingemachte (die Vorausscheidung konntet Ihr ja hier auf Comicgate die letzten sechs Wochen mitverfolgen). Ich hatte davor quasi beim spontanen virtuellen Streichholzziehen verloren und die Anmoderation übernommen, der man die nicht vorhandene Vorbereitungszeit auch ein gaanz klein wenig angemerkt hat. Den Preis für den von den Lesern ermittelte Publikumssieger, ein von allen Verantwortlichen (besonders von Wittek) liebevoll verschönerter Panik Elektro 3 Band, erhielt Tobi Dahmen für sein Spackenpaar Nr. 75.
Von der Technik ging dann zum Glück alles in Ordnung (danke an Markus Gruber für’s Beamerbedienen).

 
Von Anni hängt’s jetzt ab: Gewinnt Anna-Maria oder Clemens?

Die Jury war in schönster Schwatzlaune und so unnachvollziehbar, wie es vermutlich das gesamte Publikum erwartet – und erhofft – hat. Von den zehn Kandidaten wurden am Anfang direkt mal fünf rausgekegelt, damit man nicht so viel Arbeit hat. Dann wurde sich erstmal ausführlich über einige Einsendungen unterhalten, wobei die Jury die Beiträge von Sascha Ehlert auf eine gewissen Art und Weise anerkennend würdigte – niemand sonst hätte so kontinuierlich an seiner Linie festgehalten und sich so konsequent der Kritik und den Verbesserungsvorschlägen verweigert wie er. Man schmiedete auf der Bühne sogar schon Pläne für einen Goldenen Ehlert…

 
Auch am Ende noch totaaal gut drauf: die Juroren Eckart, Anni und Stefan mit dem Gewinner Clemens Kügler (der mit dem Goldenen Spacken in der Hand)

Bei den letzten drei übriggebliebenen Anwärtern auf den Goldenen Spacken wurde dann nochmal abgestimmt. Letztendlich setzte sich Clemens Kügler mit der Nr. 44 gegen Anna-Maria Jung mit ihrer Nr. 27 durch.
Für diese Urteilsfindung benötigte die Jury mehr als eine geschlagene Stunde. Reife Leistung, meine Dame und Herren!

Für Verköstigung während der Preisverleihung war übrigens auch gesorgt, denn das Organisationsteam des Comicfests hatten sogar eine Torte mit dem Maskottchen der Messe anfertigen lassen. Herzlichen Dank dafür!

Nachdem wir dann noch abends mit einer Horde von 40 Comicleuten nach einer indifferenten Suche nach was Essbarem schließlich bei einem Italiener gelandet waren, der sicherlich trotz gequältem Gesichtsausdruck und später Stunde noch ein sehr gutes Geschäft mit uns machte, war mein Comicfest-Aufenthalt quasi zu Ende.

 
Hier der Beweis: Wittek (rechts) ohne Zöpfchen mit Spong beim Signieren von Panik Elektro 3

Ach ja, noch etwas Getratsche zum Schluss: Wittek hat sich vor wenigen Tagen sein kleines Markenzeichen-Zöpfchen abgeschnitten. 13 Jahre wär’s alt gewesen, und er hätte keinen Bock mehr drauf gehabt. Kann zumindest ich gut verstehen…

Zum Schluss noch ein Dankeschön an die Hauptorganisatoren des Comicfests, Elke Reinhart und Gerhard Schlegel von Laska Comix, Markus Gruber und Rainer Schneider!

offizielle Homepage des Comicfests
Berichterstattung bei Splashcomics
Berichterstattung bei Highlightzone
Berichterstattung bei comic.de

Abschließend noch die Fakten zum PENG!, der bereits am Donnerstagabend verliehen wurde. Ausgewählt wurde der Gewinner von Fachleuten per mail-Abstimmung in zwei Wahlgängen.
Hier nun die sechs Kategorien und die entsprechenden Gewinner in fett (die jeweiligen zwei Alternativen hatten es im ersten Wahlgang ebenfalls in die Endauscheidung geschafft):

1.) Bester Comic
Blankets von Craig Thompson (Speed)
Peter Pan von Regis Loisel (Ehapa)

Bone von Jeff Smith (Carlsen)

2. Beste deutschsprachige Veröffentlichung eines Comicklassikers 
Spirit Archive (Salleck)
Barfuss durch Hiroshima (Carlsen)

Lucky Luke Werkausgabe (Ehapa)

 3. Beste Comicverfilmung
American Splendor
Batman Begins

Hellboy


4. Besondere Leistungen eines Verlegers
Eckart Schott (Salleck)
Dirk Rehm (Reprodukt)
Johann Ulrich (avant-verlag)

5. Bester Letterer
Dirk Rehm ( Die Sputnik-Jahre)
Michael Hau ( Herbstfall)

Gerhard Förster ( Blueberry)

6. Bester Comicfachautor bzw. Comicfachjournalist
Volker Hamann ( Reddition )
Andreas C. Knigge ( Alles über Comics / 50 Klassiker : Comics )
Andreas Platthaus (z. B. Reportage zum Tardi-Besuch in FAZ vom 16.04.04)