Von A wie Alptraumlandschaften bis Z wie Zelt berichten wir auch in diesem Jahr wieder von unseren persönlichen Eindrücken, die wir auf dem Comic-Salon Erlangen hatten. Vier Tage voller Comics, mit wenig Schlaf und einem Überangebot von Ausstellungen, Podiumsdiskussionen, Filmen und mehr. Wir brauchten ein wenig Zeit, mussten alles erstmal ein wenig sacken lassen und haben nun aufgeschrieben, was hängenblieb in diesem Jahr.
Vom Comic-Salon 2012 berichten an dieser Stelle Andi (av), Daniel (dw), Frauke (fp), Marc-Oliver (mof), Michel (md) und Thomas (tk).
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Verstörender als die Comics von Charles Burns sind nur noch seine Originale. In Erlangen als Gast geladen, erzählt der friedlich aussehende Künstler im Gespräch mit Lars von Törne von Alpträumen, Inspirationen und seinem Arbeitsalltag. Alles ganz brav und nett. Doch in der Ausstellung fällt einem die Kinnlade herunter: Seine Werke trennen das Weiß ganz klar von allem Schwarzen, doch die Welten, die sich auftun, widersprechen dieser eindeutigen Opposition. Die nostalgische Popkultur vermischt sich mit Untergründigem, mit Verdrängtem. Hier ein gehörnter Jugendlicher, dort ein Paar, das seine Ehe in der Hölle geschlossen hat. Doch am gespenstischsten sind die minutiös getuschten Schwarzflächen, die keinerlei Fehler erkennen lassen, kaum Korrekturen aufweisen. Es stellt sich die Frage, ob diese Arbeiten wirklich von dem freundlichen Mann fabriziert wurden, der eben noch so nonchalant mit einer interessierten Kunststudentin geplaudert hat oder ob sie doch von einem fremdartigen Künstlerwesen stammen, das ganz bewusst versucht, unsere Wahrnehmung zu penetrieren. (dw)
Aquarium, das
Der ungeliebte, da weniger frequentierte und trotzdem mit identischen Standpreisen versehene Bereich am Nebeneingang wurde endlich entschärft und aufgewertet: Durch die neue Standaufstellung (längs anstatt quer) gab es keine Bollwerke gegen Besucherströme mehr. Gut gemacht, Comic-Salon! (fp)
Black.Light Project
Schwarz ist die Farbe des diesjährigen Festivals. Seien es die Werke von Charles Burns oder auch die schattenhaften Scherenschnitte von David B. Selbst Altmeister und Max-und-Moritz-Ehrengast Lorenzo Mattotti, der gerade für seine Farbwelten (Feuer) berühmt geworden ist, greift für Hänsel und Gretel zum schwarzen Pinsel. Am beeindruckendsten aber, und auch am bedrückendsten, ist die Werkstattschau des „black.light project“, bei dem auch Mattotti selbst mitgearbeitet hat. Neben ihm bebilderten Zeichner wie Stefano Ricci, David von Bassewitz und George Pratt die Reportage von Journalist Pedro Rosa Mendes und Fotograf Wolf Böwig. Die beiden haben von 1998 bis 2007 versucht, das Leid in Westafrika zu beschreiben. Sie erzählen Geschichten von Überlebenden, die durch die Kriege des Warlords Charles Taylor ihre Familie und ihre Heimat verloren haben. Die Comicbilder fangen das Grauen und die Gräueltaten nicht nur grafisch ein, sondern sind auch in der Lage, dem Publikum diese unglaublichen Geschichten glaubwürdig zu vermitteln. (dw)
Brel, Jacques
Der Chansonnier stand abends im Manhattan auf der Bühne, in vollendeter Reinkarnation als Eckart Breitschuh und ohne jeden französischen Akzent. Dabei nahm Herr Breitschuh nicht nur unbeeindruckt den Kampf gegen das widerborstige Publikum an, das bereits die beiden liebenswürdigen Supportacts gnadenlos niederkonversiert hatte, sondern besiegte die palavernde Meute letztlich auch so deutlich, wie es zuletzt Sylvester Stallone mit Bull Hurley gelungen war. Ob Breitschuh danach auch einen neuen Laster bekommen hat, entzieht sich meiner Kenntnis, aber seine Texte haben Erdmöbel-Niveau, seine Stimme bringt stabile Häuser zum Einstürzen und seine Performance gewann ihm noch während des Sets einen innigen Zungenkuss von Pauli. Ist doch auch was wert. Chapeau. (mof)
Comic Clash
Eine von den Magazinen Moga Mobo und Epidermophytie erstmals ins Leben gerufene Schlacht der Comicmagazine. Kam am Anfang eher humpelnd in die Gänge und erstaunte dann umso mehr mit Promi-Jury, ausgetüfteltem Bewertungssystem (je ein Drittel durch Jury, gegenseitige Bewertung der Magazine und Publikum) und gewaltigem Auftreten beim Comic-Salon: eigenes ↑Zelt, viele Zweikampf-Veranstaltungen vor Ort und Eckart Breitschuh sowie Christian Maiwald als Moderatoren brachten Schwung in den Salon und die Comicszene. Und viele neue Magazine an den Start. Kompliment, wie der Comic Clash da noch in die Pötte gekommen ist. Gesamtsieger wurde das Team des oh-Magazins. Übersicht der Einzelsieger auf der Website des Comic Clash. (fp)
David Füleki
Bereits letztes Jahr in München wurde ich freundlicherweise von Kollege Völlinger in die fülekische Welt, in die Produkte aus dem Hause Delfinium Prints eingeweiht. Doch seit Davids seitwärts-Strip im SPD-Magazin Vorwärts erscheint, bin ich Fanboy. Das liegt nicht unbedingt an seiner diesjährigen ICOM-Auszeichnung für „Herausragendes Artwork“ oder seinem politischem Bewusstsein, sondern vielmehr an seinem Spagat zwischen den japanophilen Mangafreunden und dem restlichen Comicpublikum, den er stets mit einem Lächeln auf den Lippen vollzieht. (dw)
Ein nicht mehr ganz nüchternes Jurymitglied ließ auf der großen Verlagsparty am Samstag übrigens durchblicken, dass der Artwork-Preis (ICOM) eher eine Notlösung mangels zum Künstler passender Kategorie war – aber irgendeinen Preis musste man dem Füleki halt geben. (av)
Ehapa-Comicstipendium
Der Ehapa-Verlag vergab zum ersten Mal ein Comicstipendium, für das die Teilnehmer Konzepte und Probeseiten eines eigenen geplanten Comics einsenden mussten. Der Sieger erhält 5000 Euro und die Umsetzung dieses Konzeptes. Gewonnen hat Olivia Vieweg (Interview zu ihrem Comic Endzeit in unserem aktuellen Comicgate-Magazin). Juroren waren unter anderem die Zeichner Ralf König und Sarah Burrini, die Journalisten Klaus Schikowski und Lars von Törne sowie die Verlagsvertreter Steffen Hautog und Markus Iking.
Einkäufe
Ich habe mich dieses Jahr beim Comics-Kaufen auf solche beschränkt, die ich im normalen Comicladen oder Buchhandel nicht oder nur schwer bekommen werde. Neben ein paar Heften aus der Fanzine-Ecke (Tisch 14, Buddelfisch Comics) war das ein ganzer Schwung von Beiträgen des ComicClash-Wettbwerbs. Hätte es ein preisreduziertes Paket mit allen 20 Teilnehmern gegeben, ich hätte es wohl gekauft. So wurden es immerhin noch neun, bis mein Budget langsam aufgebraucht war. Den besten Eindruck beim ersten Reinblättern machen dabei das Ooops-Heftl, Herrensahne XII und Neufundland. (tk)
Bei Zwerchfell setzte es Regina Haselhorsts Black Label und Die Toten 3, am allseits beliebten Stand des Londoner Kleinverlags ↑Nobrow habe ich mich mit unverschämt gutaussehenden Comics von Luke Pearson (Hildafolk, Hilda and the Midnight Giant, Everything We Miss) und Jesse Moynihan (Forming) eingedeckt und an deutschen Miniheftchen Die Geschichte des W. Mommsen von Anne Sander, Ulfur Gordung von Spong, Krepier oder stirb von Sobottke und ein neues Jazam to Go mitgebracht. Außerdem noch zwei Marvel-Masterworks-Bände von Jack Kirby und Wally Wood aus der Schnäppchenecke, die für unschlagbare zehn Euro den Besitzer wechselten. (mof)
In meiner Tüte landeten DeadHeaven von Christopher Steininger (Spontankauf, weil es mich zeichnerisch sehr angesprochen hat), Renés Meditationen von Thomas Wellmann (weil mir sein Ziegensauger so gut gefallen hat), Das UPGrade (weil alle davon geredet haben und ich beim Reinschauen spontan begeistert war), Adagio von Maki Shimizu (weil ich beim Stand des neuen Verlags vorbeigeschaut habe, Maki gerade da saß, ihr Projekt sehr interessant klingt und die Veröffentlichungen vom neuen Jaja Verlag generell tolle Kleinode sind), Der Comic im Kopf von Frank „Spong“ Klein (weil ich Spong als Autor sehr schätze und sein Theoriewerk übers Erzählen in Comics deshalb sicher hochinteressant sein wird), die gedruckten Werke vom Webcomicmacher Johannes „Beetlebum“ Kretzschmar (weil er einfach witzig und clever erzählen kann), Endzeit von Olivia Vieweg (weil mir die vorab veröffentlichten Seiten und was sie im Interview erzählt hat gut gefallen haben) und die Heftserie The Length des britischen Künstlers Howard Hardiman, der männliche Prostitutierte interviewt hat und ihre Geschichten mit anthropomorphisierten Hunden nacherzählt. Die neue Argstein-Story bei Weissblech hab ich verpennt, wird noch nachgeholt. (fp)
Dieses Jahr erwarb ich fast ausschließlich deutsche Eigenproduktionen – ohne damit ein bewusstes Zeichen setzen zu wollen, aber der Umstand spricht ja dennoch für sich. Neben dem obligatorischen UPGrade (↑Geheimtipp) erstand ich das mysteriös beworbene UNISON – Ex Orbis Coronae, zu dem es am Stand gleich eine Art Einführungsseminar mit den Künstlern gab, sowie den Sammelband von Till und Cäcilia Felix’ sympathischen Es wird ein Hase!-Strips. Den Shounenmanga Nightmare Hunter Nemo (Tokyopop) hätte ich wegen der schicken Optik wohl auch dann eingesteckt, wenn ich nicht bereits die eine oder andere Geschichte mit Künstler Martin Geier verbrochen hätte; das Gleiche gilt für Eierköpfe (Hauwaerts), eine drollige Parodie auf frankobelgische Comicklassiker, die mein PERRY-Kollaborateur Frank Freund mit seinem Autorenkollegen Michael Käse fabriziert hat. Das großformatige Album Nocturnal Nemesis 1 von Guido Neukamm bekam ich am Stand vom Comic Culture Verlag nach einem glücklichen 1-Euro-Loskauf als Gewinn in die Hand gedrückt und erstand dazu den dritten Band von Marika Herzogs Fantasymanga Grimoire, um mir den ganz eigenen Stil der Berliner Künstlerin mal genauer anzusehen. Einziger internationaler Einkauf war das wunderschöne Hilda and the Midnight Giant (Nowbrow) – als schniekes Salon-Mitbringsel für den Freund daheim. Und Frank „Spong“ Pleins Sachbuch Der Comic im Kopf hatte ich schon für einen Kauf ins Auge gefasst, als auf einmal ganz unerwartet ein Rezensionsexemplar in meinem Schoß landete. Die Besprechung des sehr ambitioniert wirkenden Buchs folgt bald auf dieser Seite … (av)
Erlanger Dorfjugend, Die (I)
Was macht man, wenn man Mittwochs schon um 12:37 aus dem Erlanger Hauptbahnhof stolpert? Kaffeetrinken, mittagessen, kaffeetrinken, biertrinken, kaffeetrinken, ins Kino gehen. Wobei man dann schnell feststellt, dass die oberfränkischen Sitten dort auch nicht anders sind als in der Musikkneipe (siehe ↑Brel, Jacques): Die Bälger quasseln nicht nur lautstark durch die ganze Vorstellung, sondern diskutieren auch noch untereinander aus, dass „Marvel Spider-Man erfunden“ und „DC Superman und Batman erfunden“ haben. Ich wünsche Euch, dass Ihr in die Staaten geht und dort erfolgreiche Comicfiguren bei Marvel und DC erfindet, Ihr Mistgören! … Nein, das nehme ich zurück. Niemand hat es verdient, bei Marvel und DC erfolgreiche Comicfiguren erfunden zu haben. (mof)
Erlanger Dorfjugend, Die (II)
Bei allem Grund, die Erlanger Dorfjugend zu schelten: Sie ist auch hilfsbereit. So gab’s auf die nächtliche Frage, wo es denn bitte am schnellsten zum ↑Schwarzen Ritter gehe, zwar zunächst offene Münder („Was willst’n DORT, Alter? Willst du hartzen oder was?!“), aber letztlich erbarmte man sich dann doch und erteilte die geforderte Auskunft. (mof)
Flix
Ich muss gestehen, dass ich bisher kein Freund von den eingängigen Strips von Flix war. Ich gestehe auch, dass ich sogar etwas über den „Muff aus Prenzelberg“-Beitrag im Titanic-Magazin geschmunzelt habe. Doch diese Tage sind vergessen. Stattdessen freue ich mich nun auf jeden kommenden Sonntag, an dem ich eine neue Folge von Schöne Töchter lesen kann und auch die Lektüre von Don Quijote hat dazu beigetragen, dass ich Flix als Künstler in Zukunft ernstnehme. (dw)
Gauld
Nicht anwesend beim #cse12 war der schottische Künstler Tom Gauld (@tomgauld), der nur durch seine Postkarten am Reprodukt-Stand und seine Veröffentlichungen im auf dem Salon erhältlichen Nobrow-Magazin glänzte. Doch in einer dieser heißen Wartepause zwischen zwei Podiumsdiskussionen erblickte ich eines seiner unverkennbaren Strichmännchen auf einer Coke-Light-Flasche. Sein tapferes Männlein trug eine Fahne mit einem Herz drauf. Das digitale Zeitalter und Twitter machte es möglich den Künstler kurz zu fragen, ob Coca Cola auch wirklich für die Nutzung zahlt. Gauld liess nicht lange mit einer Antwort auf sich warten. (dw)
Geheimtipp
Was RIA – Die Lichtklan-Chroniken vor zwei Jahren war, war dieses Jahr wohl Das UPGrade von Ulf S. Graupner und Sascha Wüstefeld: Der Comic, den viele gar nicht auf dem Radar hatten, aber nach zufälligem Vorbeiflanieren am Stand, erfolgreicher Mund-zu-Mund-Propaganda von Kollegen oder einem Blick in die verteilten Leseproben ohne großes Zaudern kauften. Denn wer kann schon Nein sagen zu einer skurrilen Geschichte um einen ehemaligen DDR-Superhelden und einen alten kalifornischen Surfrocker, die in derart prächtiger Optik daherkommt? (av)
Mein Geheimtipp neben Das UPGrade war DeadHeaven 1 des Kanadiers Christopher Steininger, der seit einigen Jahren in Berlin lebt. Eine bildgewaltige, zum Teil ziemlich brutale Fantasygeschichte, die Christopher im Eigenverlag als Hardcoveralbum herausgebracht hat und in der er die Seiten seines Webcomics sammelt. Hoffentlich bleibt es nicht bei einem Band. Aber so professionell, wie er dort aufgetreten ist, bezweifle ich das nicht. (fp)
Hochschulen
Obgleich die freundlichen Hochschüler der freundlichen Hochschulen das Publikum im ersten Stockwerk der Heinrich-Lades-Halle mit ihren witzigen (Nintendo-)Entertainment-Systemen erheiterten, schreckten doch immer noch viele Leser vor ihren freundlich avantgardistischen Publikationen zurück. Doch das Feuchtenbergersche Zeitalter scheint sich seinem Ende zu nähern. Weder ihr streng dreinblickender Hund noch ihre Hure H drücken dem akademischen Nachwuchs ihren Stil auf. Vielmehr haben es die freundlichen Hochschüler – wie das Ampel Magazin aus Luzern (Max-und-Moritz-Preistäger für die beste studentische Publikation) beweist – geschafft, ansprechende Bilder mit ansprechenden Narrationen zu versehen, die dem Publikum gleichwohl künstlerisch wie auch erzählerisch munden. (dw)
Um die tollen Stände der Hochschulen konnte es einem schon leid tun, falls sie danach im Müll landen werden. Ein paar Impressionen (fp):
ICOM Independent-Comic-Preis 2012
Bester Independent-Comic: Seelenfresser 1 – Liebe von Schwarwel (Glücklicher Montag)
Bester Kurzcomic: The Quest von Till Hafenbrak in Biografiktion 3: ABBA
Herausragendes Artwork: David Füleki
Herausragendes Szenario: Trommelfels von Marijpol (Avant Verlag)
Sonderpreis für eine bemerkenswerte Comicpublikation: Comicreihe Perry – Unser Mann im All (Alligatorfarm)
Sonderpreis für eine besondere Leistung oder Publikation: Levin Kurio (Weissblech Verlag)
Lobende Erwähnungen: Saarland Album (Bernd Kissel), Mädchencomic (Regina Haselhorst bei Zwerchfell), Tumba (Stephan Hagenow und Geier bei Gringo Comics) und Ziegensauger (Thomas Wellmann bei Rotopolpress)
Die Begründungen der Jury siehe hier.
Klartext
Den redete Maikel Das bei der Entgegennahme des ↑ICOM-Sonderpreises für PERRY – Unser Mann im All. „Den Preis habe ich schon lange verdient“, verkündete der Herausgeber gleich zu Beginn seiner Dankesrede voller Überzeugung. Das Publikum, das der üblichen dankbaren Bescheidenheit bei den Gewinnern offenbar müde war, applaudierte dann auch enthusiastisch für soviel Ehrlichkeit. (av)
Kurzweilig
Die Gala des ↑Max-und-Moritz-Preis. Nichts für ungut, Herr Straczynski, aber wer ausgerechnet ↑von Sinnen, Hella die Funny-Man-Rolle im Moderatorenduo streitig macht, der hat den Schuss nicht gehört. Der Schweizer Comicjournalist Christian Gasser wusste hingegen, was es geschlagen hat, und fügte sich widerstandslos ein. Und weil auch das Programm gefühlte zwölf Stunden kürzer als in den Vorjahren ausfiel, darf man die Veranstaltung in dieser Form als durchaus wiederholenswert betrachten. (mof)
Manga-Markt
Ein Novum auf dem Comic-Salon: Um das Konzept des überaus erfolgreichen Doujinshi-Marktes der Leipziger Buchmesse zu reproduzieren, richtete auch die Messeleitung ein Plätzchen für überwiegend selbstverlegte Manga und verwandtes Merchandise ein. Allerdings war das Mangavolk dem Salon dann irgendwie doch zu heikel, sodass der Markt an den abgelegendsten Teil des Rathausvorplatzes verfrachtet wurde, geschickt untergebracht zwischen Bierschank, der Rückseite des Comic-Clash-Zeltes, einem Springbrunnen und einer Häuserwand. Offiziell war der Manga-Markt nicht einmal Teil der Messe, sondern des Wochenmarktes, was den Austellern allerdings erst vor Ort gesagt wurde. Dementsprechend glänzte der Markt mit improvisierter Bierzeltoptik und gänzlich unvorhandener Be- und Ausschilderung, war aber interessanterweise in absoluter Maximaldistanz von den anderen Comicmarktständen platziert, die sich direkt am Rathaus befanden. Sichtkontakt zur Bühne, auf der am Samstag zahlreiche Mangafans den Cosplay-Wettbewerb verfolgten, gab es ebenso wenig. Nun ja, immerhin konnte man sich aus dem abgrenzenden Blumenbeet so viele Kieselsteine nehmen, wie man brauchte, um die Ware vor stümischen Windböen zu schützen. Und so einen Service hat ja kaum ein Event! (md)
Max-und-Moritz-Preis
Sonderpreis für ein herausragendes Lebenswerk: Lorenzo Mattotti
Bester deutschsprachiger Comic-Künstler: Isabel Kreitz
Bester Comic-Strip: Schöne Töchter (Flix)
Bester deutschsprachiger Comic: Packeis (Simon Schwartz, avant Verlag)
Bester internationaler Comic: Gaza (Joe Sacco, Edition Moderne)
Bester Comic für Kinder: Das tapfere Prinzlein und die sieben Zwergbären (Émile Bravo, Carlsen Verlag)
Spezialpreis der Jury: Rossi Schreiber für ihre Pionierarbeit und ein großes Abenteuer als Comicverlegerin (Schreiber & Leser)
Sonderpreis für eine studentische Comic-Publikation: Ampel Magazin (Hochschule Luzern – Design & Kunst)
Publikumspreis: Grablicht (Daniela Winkler, Droemer Knaur; ab sofort bei Delfinium Prints)
Nobrow
Viel wurde über die vorhöllenähnliche Vorhalle, den Raum beim Seiteneingang (aka „das ↑Aquarium“), diskutiert: Darf der Veranstalter für diese C-Location wirklich den vollen Messepreis verlangen? Können die Aussteller ihr Repertoire hier überhaupt angemessen ausstellen? Dem britischen Hipster des Kleinverlags Nobrow scheinen diese Fragen bezüglich des von ihm beheimateten Limbus nicht zu tangieren. Sein Stand war stets gut besucht, zog das Publikum an und hielt es in seinem Bann. Während mein Blick auf das Tom-Gauld-Cover fixiert war, kaufte auch das restliche Comicgate-Team hier ein. ↑Einkäufe (dw)
Panoramabilder
kann man ganz tolle auf dem Comic-Salon machen (danke, Nico!). Hier ein Blick von der Treppe auf die Stände von Carlsen und Splitter sowie ein Eindruck der Verlagsparty am Samstagabend. (fp)
Papier, weißes
Noch bevor die Theken- und Servicekraft im ↑„Schwarzen Ritter“ die Bierbestellungen aufnahm, wurden – mit dem lapidaren Kommentar „Nur so“ (av) – erstmal auf allen Tischen, die mit Comicvolk besetzt waren, weiße DIN-A4-Blätter und ein paar Stabilo-Point-Stifte verteilt. Ob man damit nur verhindern wollte, dass die schönen Holztische vollgekrakelt werden? Oder hat man klammheimlich Unikate eingesammelt, die in zwei Jahren als gebundenes Sammelalbum zu Höchstpreisen verkauft werden? Wir beantragen schon mal Titelschutz für Kochonsel vom Fass – 1001 Ritter-Sketche. (tk)
Parallelgesellschaften
Werden in Erlangen sichtbar, wenn, sagen wir, eine Fußball-Europameisterschaft läuft, bei der, sagen wir, eine deutsche Mannschaft am Abend ihr erstes Gruppenspiel austrägt. Nun ist Gleichgültigkeit demgegenüber nicht ungewöhnlich, sie kann aber zu vorübergehenden Spannungen führen, wenn man nicht die Tatsache verinnerlicht hat, dass Fußballspiele in der Regel feste Anstoßzeiten haben, die sich nicht ungefähr nach dem Abendessen richten. (mof)
Werden in Erlangen sichtbar, wenn ein Teil der Comicgate-Mannschaft auf einmal wie ferngesteuert in die Stadt abmarschiert und ihre Kollegen stehen lässt, weil man Bedenken hat, dass 90 Minuten nicht für ein Abendessen und rechtzeitiges Verschmelzen mit der Public-Viewing-Masse reichen könnten. Nun lief das mit dem Essen fix, so dass die ganze seltsam anmutende Aufregung umsonst war. Und vom Bordstein hinter der Masse ließ sich das Spiel eh viel angenehmer anschauen. (fp)
Pulp
Ein Herz für Pulpcomics hatte dieses Jahr die Jury des ICOM-Independent-Comic-Preises: Weissblech-Maestro Levin Kurio wurde für seine jahrelangen Verdienste um deutschsprachige Schundcomics wie Horrorschocker und Derber Trash ausgezeichnet, die Pulp-(Science)Fiction-Reihe PERRY – Unser Mann im All erhielt ebenfalls eine Urkunde und Blutrotkäppchen-Zeichner David Füleki bekam den Preis für „Herausragendes Artwork“. Dazu noch eine lobenswerte Erwähnung für Stephan Hagenows und Geiers Pulp-Detektiv Tumba. Ein gutes Jahr also für unseriöse Schundcomics. Egal, was Herr Balzer behauptet. (av)
Reue
Es ist doch immer das Gleiche: Nach dem Salon durchblättert man das dicke Programmheft und fragt sich, warum man schon wieder so viele interessante Ausstellungen, Podiumsdiskussionen, Künstlergespräche und sonstige Veranstaltungen verpasst hat. Und warum man nur einmal kurz durch den Präsentationsbereich der ↑Hochschulen gehetzt ist, obwohl es da so viel Sehenswertes zu entdecken gab. Nächstes Mal … ja, nächstes Mal … (av)
Schwarze Ritter, Der
Verkauft morgens um halb fünf jetzt (noch? wieder?) Currywurst mit Pommes oder Strammen Max. Allerdings soll es Augenzeugen zufolge auch dazu gekommen sein, dass zu fortgeschrittener Stunde kein Publikum da war. Die Comicgate-Redaktion konnte diese Berichte bislang nicht bestätigen. (mof)
Syrien
Viel wurde in der vergangenen Tagen, Wochen und Monaten über Syrien berichtet. Stets tauchte ein neues Internet-Video auf, das verwackelte Handybilder mit einer konstanten Unschärfe zeitnah aus Krisen- und aus Kriegsgebieten präsentierte. Leider viel zu spät wurde mir bewusst, dass auch syrische Comics zum Aufgebot der Hauptausstellung „Comics aus der arabischen Welt“ gehörten. Als ich mich dann endlich in die verschiedenen Länder wagte – einzig mit einem iPad bewaffnet, welche dort ausgegeben wurden, um mehr Informationen zu den Ausstellungsstücken erfahren zu können – war ich erstaunt, dass inmitten dieser wunderbaren Ausstellung eine Gruppe Interessierter sich per Skype-Konferenz mit einem syrischen Künstler unterhielt. Leider habe ich nur noch den freundlichen Dank mitbekommen, den der Moderator in Richtung des stabilen und konsequent scharfen Bildes richtete. Eine mutige Entscheidung, den Menschen vor Ort eine Stimme zu geben. (dw)
Der Tod steht mir gut. (dw)
Überraschung
bot die Salon-Ausstellung „Comics aus der Arabischen Welt“. Eine derartige stilistische und thematische Vielfalt hatte ich nicht vermutet vorzufinden; die vormals schwarzen Flecken auf meiner inneren Comic-Weltkarte hat diese Schau erfolgreich mit Farbe gefüllt. (av)
Man muss ihren Humor nicht einmal mögen, um anzuerkennen, wie gut die „dicke Tante“ (von Sinnen über von Sinnen) dem ↑Max-und-Moritz-Preis (mittlerweile zum zweiten Mal) als Moderatorin tut. Der Schnarchigkeit, die derartige Veranstaltungen traditionell schnell befällt, setzt sie ihre wesenseigene Ungeduld und ihr brachial-lautes Wesen entgegen und verleiht dem Ganzen somit eine angenehme Kurzweiligkeit. Ebenfalls positiv fällt auf, dass die gute Frau von Sinnen sich wirklich für das Medium interessiert, alle nominierten Comics auch liest und – teils mit viel parteiischer Verve und ohne Rücksicht auf Befindlichkeiten von Künstlern und Verlagen – Begeisterung und Kritik an jenen äußert. Mit dem neuen Co-Moderator Christian Gasser, der in jeder Hinsicht einen Gegenpol verkörpert, scheint sie dabei noch einen Tick besser zu harmonieren als 2010 mit Denis Scheck – der ist wohl auf seine eigene Art auch einfach zu sehr Rampensau. (av)
Wave and Smile
Bereits am Gratis-Comic-Tag besorgte ich mir hoffnungsvoll die Vorabausgabe von Arne Jyschs Afghanistancomic Wave and Smile. Die Hoffnung, die in mir aufkeimte, verflog jedoch bei der ersten Lektüre dieser Vorschau. Meine getrübte Vorfreude blieb auf der Rückreise aus Erlangen weiterhin diesig, denn auch die Gesamtausgabe des Comics enttäuschte mich auf ganzer Linie. Zunächst muss sich Jysch die Frage gefallen lassen, ob man überhaupt solch einen Comic schreiben kann, ohne vor Ort gewesen zu sein. Aber das hatte ja damals schon bei Karl May keinen interessiert. Die Aufarbeitung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan kann sehr wohl aus kritischer Distanz erfolgen, nur sollte man dann auch bitte kritisch sein. Wave and Smile hingegen liest sich wie ein amerikanischer Kriegsfilm, bei dem man sich nicht sicher sein kann, ob er pro oder contra Krieg eingestellt ist. Soundwords wie „Tattattattatta“, fachspezifisches Vokabular (ISI und LPZ), stereotype Soldaten und arabisch anmutende Schriftzeichen ersetzen leider nicht die kritische Auseinandersetzung mit der Materie. (dw)
Young, Skottie
Einer der internationalen Stargäste war Skottie Young, der für seine Interpretation von Der Zauberer von Oz (The Wonderful Wizard of Oz) zusammen mit Eric Shanower einen Eisner-Award erhielt. Er und seine mitgereiste Frau entpuppten sich als sehr freundliche Zeitgenossen, die sich auch abends auf den Veranstaltungen blicken ließen und mit denen man sich toll unterhalten konnte. Einer der mit uns befreundeten Künstler, Walter Pfau, ist ein großer Fan von Skottie Young. Es war einfach zu schön, wie sehr sich Walter über Skotties Zeichnung einer seiner Figuren freute. Als Dankeschön gab ihm Walter ein Portrait mit. Eine dieser bestimmt vielen tollen Begegnungen auf dem Salon, die wir hiermit gerne exemplarisch dokumentieren. (fp)
Zelt
Es war gleich der erste Blickfang auf dem Vorplatz der Heinrich-Lades-Halle: Ein ausladendes, knallrotes, nach vielen Seiten offenes Zelt begrüßte das Publikum (nicht nur das zahlende, auch das vorbeiflanierende) mit einer tollen Auswahl selbstgemachter Independent-Comics: Sämtliche teilnehmende Publikationen des ↑Comic Clashs wurden hier verkauft, und es war nicht zu übersehen, dass hinter diesem Wettbewerb u.a. die Herren von MogaMobo stecken – denn diese sorgen schon seit Jahren mit aufwendigen und originellen Standkonstruktionen für die Hingucker auf der Comic-Messe. Mit der gelungenen Gestaltung des Comic-Clash-Zelts war das auch in diesem Jahr nicht anders. (tk)
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