In unserem Blog „Erlangen am Draht“ haben wir Euch live auf dem Laufenden gehalten – nun hier ein Messerückblick mit unseren Eindrücken und jeder Menge Fotos.
Das Comicgate-Team bestand dieses Jahr aus Thomas Kögel, Björn Wederhake, unserem Quasi-Neuzugang Christopher Bünte und meiner Wenigkeit. Damit war es bis auf Chris, der Daniel Wüllner vom letzten Mal sozusagen ersetzte, dasselbe Team wie schon vor zwei Jahren. Eine Truppe also, mit der man sich gerne trifft und jede Menge Spaß haben kann.
Da wir endlich mal etwas Handfestes anzubieten hatten (unser niegelnagelneues Printmagazin), gönnten Chefredaktionskollege Thomas und ich uns den Luxus und beschlossen, mit Comicgate zum ersten Mal einen eigenen Stand zu beziehen. Von der Organisation des Comic-Salons wurde uns ein Internetanschluss zur Verfügung gestellt, und da alles noch eingerichtet und dekoriert werden wollte, machten wir uns schon am Mittwoch auf nach Erlangen. Thomas erwarteten wir erst in der Nacht, denn der Glückspilz hatte es tatsächlich geschafft, durch angeblich völlig reguläre Mittel (Teilnahme am Losverfahren, jaja…) Karten für drei (!) Gruppenspiele der Fußball-WM zu ergattern. Eins davon war halt am Mittwochnachmittag.
Mittwoch, 14. Juni 2006 – Tag X minus 1
Ich sitze auf heißen Kohlen. Unsere Printmagazine sollten laut der Druckerei garantiert am Dienstag eintreffen – was sie natürlich nicht taten. Allerdings habe ich eine Benachrichtigung im Briefkasten gefunden, dass ein Nachbar etwas für mich angenommen habe. In meiner grenzenlosen Druck-Naivität gehe ich davon aus, dass das unsere Magazine sein müssten. Dummerweise ist der Nachbar nicht da (bis heute erwische ich ihn übrigens nicht und weiß immer noch nicht, was da auf mich wartet), und so tappse ich alle halbe Stunde hoch, um nachzuschauen, ob sich was tut. Ich male mir schon Schreckensszenarien aus, wie es wohl ist, in Erlangen an einem leeren Stand zu sitzen, das eifrig beworbene Magazin nicht dabei zu haben und neugierigen Leuten tapfer ins Gesicht zu lächeln und sich irgendeinen Schmarn auszudenken. Oder sich doch lieber direkt irgendwo verstecken?
Die Uhr tickt gnadenlos weiter.
Björn, den ich eigentlich um 14 Uhr vom Erlangener Bahnhof abholen wollte, rufe ich an und sage, dass ich es nicht schaffe. Chris, den ich eigentlich zusammen mit Björn um 14:45 Uhr vom Erlangener Bahnhof abholen wollte, rufe ich an und sage, dass ich es nicht schaffe. Scheiße.
Dann klingelt es unerwarteterweise an der Tür – jemand von einer Spedition. Er hätte da was für mich, so Sachen aus einer Druckerei.
Was? Cool! Also hat der Nachbar was anderes angenommen!
Mit einem breiten Grinsen sage ich unfreiwillig süffisant, dass ich ihm entgegenkommen würde. Tja, meint der Typ, es wäre besser, ich würde mein Auto in die Nähe schaffen. Eine Palette von 145 kg schleppe er sicherlich nicht die Treppe hoch, auch wenn es nur die halbe wäre.
Wie, was… Palette? 145 kg? Aaaargs! Willkommen in der Realität, Frau Pfeiffer. Also mit dem Auto zum LKW gefahren, die Kartons erstaunlicherweise ganz wunderbar in den Kofferraum bekommen, dann Björn Bescheid gegeben und mit einem seligen Grinsen losgekurvt. Mein Auto ist sowieso nicht mit allzu viel PS gesegnet und mit dem Zusatzgewicht verbessert sich die Beschleunigung nicht wirklich. Also schnecken wir beide los – es ist nicht schnell, aber nun zumindest tiefer gelegt. Immerhin für manche Leute die Erfüllung.
In Erlangen treffe ich dann Björn und Chris am Hotel. Da dank einer zum Salon perfekt getimeten Baustelle mein üblicher Weg zum Salon gesperrt ist, kurven wir erstmal eine Weile lang hilflos in der Gegend umher, bis wir das Ziel eher per Zufall erreichen. Anmelden, Stand suchen, Pakete reintragen, anfangen Stand zu dekorieren. Michael Loskill von der Salon-Orga heißt mich zwischendurch freundlich willkommen und gibt mir alles für unseren Internetzugang, so dass der auch noch an dem Tag eingerichtet werden kann. Einen Teil unserer Nachbarn von Blotch, mit denen wir uns in den nächsten Tagen sehr gut verstehen werden, lernen wir bereits kennen: Walter „Ghepetto“ Pfau und Sandra Nußer. Und ein paar bekannte Leute wie Stefan Dinter, Michael Vogt und Andreas Mergenthaler (den ich dort zum ersten Mal in natura kennen lerne) schauen auch schon vorbei. Es fängt alles richtig schön an.
Der Mittwoch Nachmittag / Abend im Kongresszentrum hat eine tolle Atmosphäre. Ich war ja noch nie am Vortag da gewesen, vielleicht bin ich deshalb so fasziniert. Viele andere Stände werden ebenfalls aufgebaut, es wuselt und quirlt nur so um einen herum. Alle sind eifrig am Arbeiten und es liegt, und das klingt jetzt ziemlich kitschig, eine freudige Erwartung in der Luft.
Deko machen | Blick vom Foyer | Deko machen II |
An jeder Ecke wird eifrig gebastelt. |
Dem Müll zu urteilen scheint man bei Panini bereits fertig zu sein… | … während bei Ehapa noch gebaut wird. |
Während die Jungs dann am Abend Fußball gucken gehen, genieße ich mit Michael Vogt, Mel Maathuis und Yann Krehl den warmen Abend in einem Straßencafé. Mit den Leuten von INKplosion haben wir schon seit einigen Jahren guten Kontakt, und es ist immer wieder schön, sie zu sehen und mit ihnen zu schnacken.
Als Deutschland an dem Abend das Fußballspiel gegen Polen gewinnt, ist auf einmal auf den Straßen der Teufel los. Völlig verdutzt schauen wir uns das Spektakel näher an. Die Stimmung ist sehr ausgelassen, aber nicht aggressiv. Eigentlich sehr lustig, das alles. Und total ungewohnt. Wie ich am nächsten Tag erfahre, befanden sich Björn und Chris auch irgendwo in diesen Menschenmassen. Mel und Michael freuen sich einen Tick weniger, denn Ihr noch eben von mir beneidetes Hotel liegt zwar tierisch zentral, aber eben auch direkt an dieser Freudenstraße. Die beiden werden also noch ihren Spaß haben in dieser Nacht. Dank Mels Kamera können wir noch ein paar Beweise von dieser ungewöhnlich guten Laune auf Deutschlands Straßen machen.
Da ich Thomas gegen Mitternacht in Nürnberg vom Bahnhof abholen will und ich die leise Vorahnung habe, dass die Fahrt etwas länger dauern wird als geplant, mache ich mich vorsichtshalber früher auf den Weg. Und das war’s dann erstmal für den Mittwoch.
Ich bin erschöpft, aber glücklich.
Michael und Yann, hinter der Kamera Mel | Auch im beschaulichen Erlangen ging die Fußballpost ab! |
[Zum Donnerstag auf „Vor“ klicken.]
{mospagebreak title=“Donnerstag, 15. Juni 2006“ toc=“1“}
Klar, dass Andreas und ich uns endlich mal persönlich kennen lernen wollten, um ein bisschen zu plaudern. Uns fiel kein vernünftiger Abend ein, an dem das möglich gewesen wäre, und so lud Andreas zum Frühstücksbuffet in ihr Hotel, das sich direkt neben der Heinrich-Lades-Halle befindet, ein. Auf die Idee, dass die Einladung vielleicht nur selektiv ausgesprochen wurde, kam ich gar nicht, und so fragte ich fröhlich ungeniert, ob er was dagegen habe, wenn ich die drei Jungs mitbringen würde (erst das Nachfragen von Thomas in Erlangen, ob das wirklich okay ginge, schließlich würde das ganz gut was kosten, brachte mich im Nachhinein ins Grübeln, ob ich das alles richtig verstanden hatte). Klar, mailte Andreas, und so stolpern wir am Donnerstag Morgen von unserem Hotel Delphi (ohne Frühstück, dafür billig) in das noble NH-Hotel. Vermutlich sieht Andreas sämtliche Gewinne, die Cross Cult mit Sin City eingefahren hat, just in unseren hungrigen Mägen verschwinden. Das Geld ist allerdings gut angelegt, liebe SC-Käufer: das Essen schmeckt hervorragend, das Geplauder ist sehr nett und die CG-Mannschaft bis zum Abend essenstechnisch versorgt. Herzlichen Dank Euch – und natürlich Andreas!
Auf unserer Stand-Rückseite machen sich die Leute von der Alligator-Farm an die Verschönerung ihrer 4m². Wir stellen fest: Kindertapeten sind erstaunlich vielseitig einsetzbar. An dieser Stelle übrigens einen schönen Gruß an Kai Hirdt und Till Felix; leider die einzigen Alligatoren, mit denen ich ein wenig zu tun hatte (die waren aber sehr nett). Vielleicht habe ich mich von der gehäuften Masse an Damen und Herren abschrecken lassen, je ne sais pas. Pardon also für einen Kommunikationsstau meinerseits.
Ihr hättet aber auch mal einzeln vorbei kommen können, dann wäre ich bestimmt nicht so gehemmt gewesen. Demnächst also bitte hintereinander Schlange stehen bei uns zum Hallo sagen und Rapport erstatten. Danke.
noch angenehm leerer Presseraum |
die Krokos beim Dekorieren (ganz links: Kai Hirdt) |
Thomas beim Basteln. | Einer der Aufsteller | So sieht er aus, der fertige CG-Stand. |
Gabor, Sandra und Walter kümmern sich fürsorglich um den Comic-Nachwuchs. |
Genau, so zeichnet man schöne Kreise. Ghepetto zeigt den Kleinen, wie man sich helfen kann. |
Okay, nun ist es also gleich soweit. Das Gerücht geht um, dass draußen ziemlich viele Leute in der Schlange anstehen und darauf warten, reinzukommen. Wow! Die wollen echt zu uns (na ja, quasi uns)? Cooles Gefühl.
Der legendäre berühmt-berüchtigte Rogue-Skizzensammler Tilman „Roguemann“ wurde bereits als Vierter gesichtet. Jetzt ist alles komplett; eine Comicmesse, wie sie sein sollte.
Eines meiner persönlichen Lieblingsfotos: Ein enthusias- tischer Michael Vogt vor Kunstrasentapete. |
Und ja, dann spazieren tatsächlich Leute hinein, die keine weißen Bändel um den Hals hängen haben. Beute! Am Donnerstag sind wir noch etwas schüchtern mit unserem Magazin und labern nur mit denen, die zuerst anfangen zu reden. Man will ja nicht unhöflich sein oder sich aufdrängen. Diese Einstellung wird aber aufgrund von Erfahrungen und Tipps der Profis im Lauf der Veranstaltung weichen. Klappern gehört zum Handwerk, wie ich direkt bei meinem ersten Rundgang bei INKplosion feststellen kann, an dessen Stand Michael Vogt etwas für die Videoreportage von Splashcomics erzählt.
Unser Stand ist leider in einer denkbar ungünstigen Ecke der Heinrich-Lades-Halle. Es ist so, dass alle Verlage, die bereits mal auf dem Salon waren, wieder ihren alten Platz bekommen, wenn sie ihn wollen. Heißt, die Haupthalle ist bereits vollgestopft mit den etablierten Ständen, während die neuen in den hinteren Teil (beim Nebeneingang) oder ins Foyer gesteckt werden. Und da ist das Schlenderpublikum deutlich weniger. Etwas merkwürdig erscheint mir deshalb, dass jeder Standmeter dasselbe kostet, egal wo er sich befindet.
Im Nachhinein ist der Donnerstag unser schlechtester Tag, was die harten Zahlen angeht. Aber immerhin, elf Leute haben unser Magazin gekauft. Und es macht einfach einen wahnsinnigen Spaß, da rumzusitzen und ein Produkt anzupreisen, hinter dem man steht (im wahrsten Sinne, haha).
Comic-Salon 2004: Aushang im Pressebüro, der Urheber des handschriftlichen Kommentars ist uns nicht bekannt. | Comic-Salon 2006: Original … |
und Fälschung. |
Björn äußert am Nachmittag sein Unverständnis über meine Ausdrucksweise. So viel „süß“, „knuffig“ und „niedlich“ gingen ja gar nicht. Auch wenn ich ihn anscheinend bis jetzt täuschen konnte, nun habe ich mich doch geoutet: ich bin ein Mädchen. Ich benutze Wörter im positiven Sinne, die für Männer nur bah sind. Ups!
Außerdem entwickelt er eine interessante Theorie: ich hätte einen komischen Humor – weil er meine Sprüche nicht richtig einordnen könne. Oookay… Note to self: wenn ich was ironisch oder witzig meine, sollte ich das in Björns Gegenwart vorher deutlich durch Körper- oder direkte Sprache ankündigen.
Ausliegendes Blättchen: die Schlagzeile können wir bestätigen. |
Der Raum ähnelt einem modernen Kongresssaal, im Halbkreis sind die Bänke um die Bühne angeordnet. Wir suchen nach Plätzen im gut gefüllten Raum. Netterweise winkt mich die Zwerchfell-Mannschaft direkt ran, bei ihnen ist noch ein Platz frei. Laut Jan Dinter muss vorher schon die Post abgegangen sein. Jeder Platz hat nämlich ein Mikrofon – und jedes Mikro war am Anfang eingeschaltet. „Was glaubst Du, was passiert, wenn Du lauter Comiczeichner davorsetzt?“ grinst Jan. Hehe, ich kann’s mir denken.
Burkhard Ihme und… | Harald Havas. |
Leute! Es ist erst Donnerstag! | Nicht jetzt schon schlappmachen! Jahan! |
Schön ist die Tradition, dass der jeweils letztjährige Preisträger die Urkunde an die diesjährigen Gewinner übergibt. Christian Heesch, Zwerchfell-Chef, wird dabei spontan als Joker bestimmt. Wenn einer der Preisträger nicht da ist, muss er halt ran. Nette Aktion.
Alle diesjährigen Preisträger. |
Dieses Jahr erhielten die Auszeichnungen für:
BESTER INDEPENDENT COMIC: Acht, neun, zehn von Arne Bellstorf (Reprodukt)
BESTER KURZCOMIC: Katze von Klaus Cornfield (Schwarzer Turm)
HERAUSRAGENDES SZENARIO: Menschen am Sonntag von Manuele Fior (Avant-Verlag)
HERAUSRAGENDES ARTWORK: Borderland von MOKI in Panik Elektro 3 (Schwarzer Turm)
SONDERPREIS (COMICPUBLIKATION): www.electrocomics.com (Ulli Lust)
SONDERPREIS (LEISTUNG ODER PUBLIKATION): www.comiczeichenkurs.de (Kim Schmidt u.a.)
In friedlicher Eintracht: Susi aus Havas’/Kiesels Comicstripserie Fred und der Goldene Spacke 2006, modelliert von Wittek. |
Im Anschluss geht’s dann direkt weiter mit dem Live-Entscheid um den Goldenen Spacken mit dem diesjährigen Motto „Mein größter Fehler“ (hier erfahrt Ihr mehr über diesen Wettbewerb). Eckart und Stefan wird erstmal Bier besorgt und Mille hat die Ausdrucke aller Spackenteilnehmer mitgebracht und verteilt sie an die Jury und uns (das CG-Team hat sich neben dem Technikmensch niedergelassen, um schnell auf die Jury „Bitte mal Spacken Nr. 13 auf die Leinwand!“ reagieren zu können). Die beiden Herren Juroren lassen uns alle ziemlich schwitzen. Sie reden sich warm auf der Bühne, und noch immer ist nicht klar, ob und wer noch zur Jury stoßen soll. Vorher ging das Gerücht um, dass Constanze Döring gefragt wurde, sie aber ablehnte. Mille flüstert mir zu, dass Robi wohl mitmachen würde, wenn sie ihn fragen würden. Ich bin erleichtert – schließlich war Robi Gründungsmitglied des Goldenen Spacken und Teil der Jury im 1. Jahr, bevor er dann im 2. und 3. Jahr von Fräulein Anni abgelöst wurde, und bei der 1. Spackenverleihung 2004 waren die drei ein sehr unterhaltsames Team.Noch immer aber lästern und quatschen unsere beiden Herren da vorne, als ob es kein Morgen gibt und es zeichnet sich immer noch nicht ab, wie sie weiter verfahren wollen. Alle Mann sind wir am Verzweifeln. Dann aber doch endlich der erlösende Satz: es geht um einen dritten Juror und um stilvolle Hawaii-Hemden (mein prüfender Blick auf Robi zeigt: check, er trägt ein knallbuntes Oberteil), und dann wird er tatsächlich auf die Bühne gebeten. Holla, das war spannend.
Noch zu zweit kalauernd… | jetzt zu dritt. Robi sichtet das Material. |
Aus den Wochengewinnern und den Jokerspacken (jeder Juror durfte einen Beitrag nennen, der ihm besonders gut gefallen, aber nicht die Woche gewonnen hat) soll nun live die Entscheidung um den Goldenen 2006 fallen. Wie es nun die Eigenschaft des Wettbewerbs ist, geht das alles verdammt unfair zu. Ivo Kircheis‘ Beiträge – er hatte gleich zweimal je eine Woche für sich entscheiden können – werden erstmal auf einen Beitrag reduziert, nur um dann komplett ausgesiebt zu werden, da er kürzlich Vater geworden ist und deshalb nicht anwesend sein kann. Dann geht es noch munter weiter mit den Beiträgen von Ans de Bruin, Groobert, Andreas Eikenroth und Anna-Maria Jung, die sich allesamt im Publikum befanden. Sehr schön war der Dialog zwischen der Jury und Anna-Maria: Jury zum Beitrag: “Die Lichtverhältnisse sind da aber überhaupt nicht stimmig.“ Aus dem Publikum: „Da ist ja auch ’ne Straßenlaterne, die ist nur nicht im Bild.“ Ganz kurz hielten die Juroren inne, denn so aufmüpfige Teilnehmer waren sie offensichtlich nicht gewohnt, ehe sie weiterdiskutierten.
Am Ende gewann dann tatsächlich Anna-Marias Nussverkäufer knapp vor Andreas Eikenroths WM-Beitrag, der seine Niederlage mit den Worten „Ich scheiß auf eure Comics, ich mach jetzt Filme!“ kommentierte. Der Saal lag nieder vor Lachen, und Anna-Maria nahm man ihre Freude über den Gewinn absolut ab.
Die Dreier-Jury beim Ausdiskutieren. | Die alten Männer und Anna-Maria. |
Eine strahlende Siegerin. |
[Zum Freitag auf „Vor“ klicken.]
{mospagebreak title=“Freitag, 16. Juni 2006“ toc=“1“}
Ab heute müssen wir uns unser Frühstück selber besorgen. Zum Glück gibt es quasi direkt um die Ecke einen Bäcker mit einem kleinen Café-Bereich in einem denkmalgeschützten Haus. Sehr schön hergerichtet und ideal, um den Tag zu beginnen.
Wie das so ist verlieren wir uns beim Schwatzen und überhaupt wird der Weg zum Salon deutlich unterschätzt, so dass wir eine gute Viertelstunde zu spät kommen. Was wir in dieser Zeit schon alles verkauft hätten können! Eieiei…
Unsere Technik durften wir netterweise in dem Büro unterstellen, das Splashcomics zur Verfügung gestellt wurde. Boah, das ist sogar klimatisiert! Ein bisschen Neid kommt da schon auf aufgrund der Bullenhitze draußen und der stickigen Luft in unserer Ecke der Halle.
Na egal, frisch ans Werk.
Zwei Interviewtermine stehen bald an. Björn hatte schon vor einiger Zeit angefangen, sich mit Frank Neubauer, freier Übersetzer und Redakteur (u.a. für Dino, Infinity, Ehapa), per mail zu unterhalten und möchte nun die Gelegenheit nutzen, das Ganze live fortzusetzen. Und Chris fand den Manga Losing Neverland der deutschen Nachwuchszeichnerin Fahr Sindram hochinteressant, so dass er ebenfalls an dem Morgen ein Interview führt. Das Gespräch mit Fahr, in dem es hauptsächlich um ihre Intention geht, auf so genannte Shotacons (Manga, die von einer sexuellen Beziehung eines Erwachsenen und eines minderjährigen Jungen handeln) aufmerksam zu machen und mit Losing Neverland um den Stricherjungen Laurie deutlich dagegen Stellung zu beziehen, ist bereits bei uns online gegangen.
Das Interview mit Frank, bei dem ich die meiste Zeit vor Ort war (schließlich verbinden mich mit seinem Namen meine ersten „neueren“ Comicerfahrungen; als langjähriger Betreuer der Leserbriefe bei Spawn stand sein Name früher für mich immer für „die Comicmacher“ schlechthin) steht kurz vor der Fertigstellung und wird in den nächsten Tagen hochgeladen. Mit ihm probieren wir zum ersten Mal unser Mikrofon aus, das es erlaubt, das Gespräch direkt auf Festplatte zu speichern. Feine Sache! Per Hand Notizen mitschreiben ist nicht gerade bequem, und ein Diktiergerät ist ja immer mal gerne an genau der wichtigsten Stelle voll. Die Quasi-Generalprobe besteht unser Mikrofon und die entsprechende Software ausgezeichnet, so dass wir uns gewappnet fühlen für die noch folgenden Interviews mit Humberto Ramos und Charlie Adlard.
Frank Neubauer (links) lässt sich von Björn ausquetschen | Fahr Sindram beim Interview mit Chris | Was man so alles auf seinem Fotoapparat findet! Ein zufriedener Chris kurz nach dem Gespräch mit Fahr |
Das Interview mit Ramos, durch Crimson und Out There einer der Zeichner, der mich schon seit mehreren Jahren interessiert, lasse ich mir bei Carlsen bestätigen. Wir könnten entweder an einer „allgemeinen“ Presserunde am Freitag teilnehmen oder aber am Samstag um 15 Uhr eine Stunde lang mit ihm reden. Da ist zwar eigentlich noch unser Kickerturnier im Gange, da ich aber nicht damit rechne, so weit zu kommen, dass das Comicgate-Team zu dieser Zeit noch spielt, sage ich den Samstag-Termin zu in der Hoffnung, dass Thomas es mir nicht übel nehmen wird, das Kickerturnier organisatorisch alleine zu Ende zu bringen. Ich freu mich schon!
Bei Carlsen treffe ich auch Flix und Ralph Ruthe. Ralph drücke ich schon mal zwei Exemplare unseres Printmagazins in die Hand als Beleg für das Interview mit ihm und als Dankeschön, dass er sich so viel Arbeit für uns macht und 25 vorbestellte Exemplare signieren wird. Mit Flix, der ja seine Cartoons „VerFLIXt!“ schon seit mehren Jahren bei uns veröffentlicht, kann ich leider wie immer nur ein paar kurze Worte wechseln.
Irgendwann klappt’s mal, Flix!
Unsere Standrückennachbarn von der Alligatorfarm mischen derweil die beschauliche Comic-Salon-Runde auf. Mit seinen „Comichetzreden“ echauffiert sich Kroko-Chef Karl Nagel über teure Kunstcomics, die sich kaum jemand leisten kann, und den schlechten Ruf bzw. das Ausbleiben der billigen Schundcomics, die einfach nur unterhalten wollen. Anfangs noch sehr skeptisch betrachtet bzw. ignoriert von den Salon-Besuchern, mausern sich seine regelmäßig statt findenden Reden im Laufe des Salons zu Veranstaltungen mit immer mehr Zulauf. Kein Wunder, ist doch Karl Nagel als Mitinitiator der Chaos-Tage und der APPD erprobt darin, anderen Leuten eine Reaktion zu entlocken. Nur die Axt, die muss er irgendwann weglassen, da sich ein Standnachbar bei den Salon-Organisatoren beschwerte, dass ihm dadurch die Kundschaft ferngehalten werden würde…
Wir können da ähnlich reden von einem anderen Standnachbarn, der möglicherweise *uns* diverse Interessenten ferngehalten hat. Wer bleibt schon gerne irgendwo stehen, wenn nebenan von morgens bis abends ältere Personen einen Ministand umlagern und sich eifrig Bier und Liköre zuführen? Und immer wenn wir nicht aufpassen, wird unser Tisch direkt mal zur Bierflaschenabstellmöglichkeit umgemodelt. Na dankeschön.
Ganz ernsthaft: falls wir den Salon nochmals als Stand mitmachen sollten, werden wir darum bitten, nicht nochmal in der Nähe dieses Ausstellers zu landen.
Während bald der erste Teil des Kickerturniers beginnt, hat sich Anna-Maria zu ihrer freitäglichen Signierstunde am Comicgate-Stand eingefunden. Und klar, wenn man schon einen Gewinner in den eigenen Reihen hat, dann muss das auch gebührend ausgewiesen werden. Heute ist auch deutlich mehr Zuspruch beim Signieren als am ersten Tag.
Karl Nagel, noch mit Axt | Anna-Maria Jung beim Signieren am CG-Stand |
Nun müssen Thomas und ich aber los zum Kickerturnier, das in Kooperation von Comicgate und dem Comic-Salon stattfindet. Wir haben so weit alles organisiert, was die Anmeldung und die Durchführung angeht, und der Salon kümmerte sich um einen geeigneten Platz und die Tische. Und da muss man loben: die Kickertische sind allererste Sahne, gute Kneipenkicker.
Schon fast beschämend, was für Tische unter dem Label „Offizieller DFB Turnierkicker“ verkauft bzw. vermietet werden. Solch ein Teil kann man nämlich bei Panini bestaunen, die sicherlich auch nicht mit so einem Wrack gerechnet haben. Kai von der Alligatorfarm und ich spielten am Donnerstag mal kurz darauf. Davon abgesehen, dass der Tisch ziemlich wacklig war, kam mir andauernd der Griff der Stangen entgegen…
Wie gesagt, die Kickertische für den Wettbewerb, die sonst dem Publikum zur freien Verfügung stehen, sind prima und die zur Verfügung gestellten drahtlosen Mikros eignen sich hervorragend für diesen Einsatz. Leider ist das Turnier aber unserer Meinung nach zu wenig beworben worden. Auf der offiziellen Salon-Seite konnte ich keinen Hinweis dazu finden, dabei hatte ich eine Grafik gebastelt und den Organisatoren geschickt zur Ankündigung, es wäre also keine Mühe gewesen. Zu dieser unserer Missstimmung kam dann noch der Fakt, dass das Turnier aus heiterem Himmel „The Winner Takes It All“ genannt wurde, was in keinerlei Absprache mit uns geschah; wir hatten schon über einen Monat vorher Namensvorschläge gemacht, auf die aber nicht eingegangen wurde.
Was soll sich denn ein Besucher unter solch einem nichtssagenden Programmpunkt vorstellen können?
Zwischenstand |
Dementsprechend mau ist das Publikumsinteresse. Wir haben das Gefühl, dass unsere ganzen Bemühungen im Sande verlaufen sind und fühlen uns etwas im Stich gelassen. Dabei ist der Veranstaltungort mit dem „Aktionsplatz“ durchaus gut gewählt (ansteigende Stufen erlauben den Zuschauern einen guten Blick auf die Tische) und die Moderatoren Eckart Breitschuh und Stefan Dinter, die hier immerhin zwei mal zwei Stunden ihrer Zeit opfern, sowie die Teilnehmer sind blendend gelaunt.
Naomi Fearn spielt Glücksfee und lost die Gruppenspiele aus.
Das Comicgate-Team, bestehend aus Thomas und mir, schafft es durch einen Sieg über Blotch (Gabor und Walter) immerhin, den Freitag zu überleben und wir ziehen in das Viertelfinale am Samstag ein.
Das Team “Witt-Säue“ beschließt kurzerhand, dass Wittek sich einen Finger gebrochen hat (der erstaunlich schnell wieder geheilt ist) und sagt mit dieser Begründung ab, was uns in eine ziemliche Bredouille bringt in der Organisation. Das gegnerische Team INKplosion II ist grummelig deswegen. Nicht böse sein, wir können doch nix dafür… Und Team Reprodukt II ist plötzlich nicht mehr auffindbar und tritt deshalb nicht an.
Der Rest geht gut über die Bühne, und es werden acht Teams ermittelt, die am Samstag gegeneinander antreten werden bis zum letzten Kampf im Finale.
Links Toonlight gegen Carlsen, rechts Bunte Dimensionen gegen Alligatorfarm |
INKplosion I, im Hintergrund das Team vom Comic-Salon. | Katrin und Sascha, die für Zwerchfell spielen. |
Als wir, zufrieden über unseren Sieg, zu unserem Stand zurückkehren, finde ich die links abgebildete Nachricht vor. Wie praktisch! So einen Björn sollte jeder am Stand haben, dann klappt’s auch mit der Informationsweitergabe.
Um 18 Uhr gibt es noch ein öffentliches Pressegespräch mit Humberto Ramos, an dem deutlich weniger Interessenten teilnehmen als gedacht. Eingeladen wurder der Zeichner übrigens von Carlsen, die vor kurzem seinen Comic „Die Offenbarung“ herausgebracht haben. Der kleine Raum ist zwar voll, aber ich war mir vorher sicher, dass wir uns irgendwo in einen Ecke quetschen müssen. Pustekuchen – fünf Minuten vor offiziellem Beginn bekommen wir noch bequem Plätze. Chris, Björn und ich hören uns in Anbetracht des morgen anstehenden Interviews das Ganze an – bzw. wir wollen uns das Ganze anhören. Chris verabschiedet sich schon nach fünf Minuten; Björn gibt nach etwa weiteren zehn Minuten seinen Müdigkeitsattacken nach und seilt sich ebenfalls ab.
Matthias Wieland (links) im Gespräch mit Humberto Ramos |
Bis auf den etwas zähen Anfang, der dem Beginn von Ramos Karriere nachgeht, ist der Rest des Gesprächs, durch das Matthias Wieland führt, hochinteressant. So erzählt der mexikanische Zeichner (im passenden Trikot, schließlich spielt Mexiko an dem Abend – wird aber verlieren) unter anderem von den starken Unterschieden in der Arbeitsweise für amerikanische und französische Verlage. Mitunter liegt man fast auf dem Boden, da man seine Ratlosigkeit und den Kulturschock aufgrund der „entspannten“ französischen Versorgung mit Skripten und Vorlagen amüsiert nachvollziehen kann (nebenbei hatte er z.B. immer genug Zeit, um an seinem creator owned Projekt Revelations (Die Offenbarung) weiter zu arbeiten). Eine seiner Anekdoten ist, dass er, nach seinen Vorlieben gefragt, sagte, er mache gerne Personen und er hasse technischen Kram wie Raumschiffe. Okay, wurde ihm vom französischen Verlag geantwortet, Raumschiffe kämen leider vor, aber nur ein paar in der Einleitung. Ramos sagte also zu, staunte aber nicht schlecht, als die „Einleitung“ dann etwa 25 oder 30 Seiten und damit über die Hälfte des Bandes ging… Da hat er wohl erstmal geflucht. Auch die unterschiedlichen Herangehensweisen an einen Comic sind für ihn interessant. Bei US-Comics, erzählt er, müssten alle paar Seiten unbedingt Splashpages (also großformatige Aufnahmen mit jeder Menge Action) und generell wenig Gerede rein – bei dem französischen Skript bekam er kaum die Sprechblasen unter, so viel Text war da. Dark Horse sei wohl an dem französichen Titel interessiert, um es auf dem US-Markt erscheinen zu lassen, aber Ramos wehrt ab und sagt, das sei einfach zu viel zu lesen für Amerikaner. Er glaube nicht, dass der Comic dort Erfolg haben werde.
Auch von Marvel weiß er einiges zu berichten. So hatte der Mexikaner Spider-Man übernommen (Bildbeispiel hier), obwohl sein cartooniger Stil vorher klar war. Nachdem es von Fanseite einiges an Beschwerden hagelte, bat Marvel ihn, seinen Stil zu ändern – was für ihn nicht in die Tüte kam; schließlich war es ja nicht so, als ob er sie darüber getäuscht habe, wie sein Spinnenmann aussehen würde. So hörte er also auf mit der Serie und stieg etwas verbittert bei dem Großverlag aus. Interessanterweise fragten sie ihn eine Zeit später, ob er nicht die Serie Wolverine zeichnen wolle. Er sagte „Ja, wenn Ihr mir das Doppelte von dem gebt, was ich für Spider-Man bekommen habe“ – und Marvel sagte zu. Seit März dieses Jahres (US Nr. 42) stammen also die Wolverine-Zeichnungen von ihm.
Humberto Ramos macht einen professionellen, dabei aber nicht negativen Eindruck. Obwohl sein Tag sicher lang war, plaudert er frei von der Leber weg und sehr offen und freundlich über den Alltag eines professionellen Comiczeichners. Er scheint genau zu wissen, was er will, wozu er fähig ist und wozu nicht. [Er gilt übrigens als der einzige Cliffhanger-Zeichner, der aufgrund seiner pünktlichen Arbeitsweise kontinuierlich seine Serie (Crimson) vorantreiben konnte, während Joe Madureira (Battle Chasers) and J. Scott Campbell (Danger Girls) doch eher für ihre Unzuverlässigkeit bekannt sind.]
Und damit geht der 2. offizielle Tag des Comic-Salons für uns zu Ende. Abends gehen wir noch mit den Blotchies essen und schauen danach bei der 15-Jahre-Reprodukt Party in der St ip-Bar rein, bei der u.a. Fil auftritt. Es ist noch so warm draußen, dass man ganz bequem bis spät abends draußen schwätzen kann…
Der Samstag folgt… irgendwann.