Messe- und Ausstellungsberichte

Comic Action / Spiel 2005

Die liebe Verwandschaft…

Spiel/Comic Action 2005
Messebericht von Karsten Schreurs – subjektiv wie Sau!

Wenn man die Geschichte dieser „ComicAction“ betrachtet, verwundert es nicht, dass Comicgate-Mastermind Frauke fast schon verzweifelt nach CG-Redakteuren Ausschau hielt, die sich auf den Ableger der Essener Spielemesse verirren könnten.

Der Beginn der CA ist mittlerweile fast schon legendär. Verlage mit Rang und Namen waren vertreten, und man schürte die Hoffnung auf ebenbürtige Konkurrenz von bereits etablierten Comic-Veranstaltungen wie dem Erlanger Comic-Salon!

Außerdem machte man oft zum ersten mal persönlich Bekanntschaft mit seinen nächsten Verwandten: den Rollenspielern. So manches Kostüm und Gebahren dürfte Unbedarften nachhaltig in Erinnerung geblieben sein. Neue Welten taten sich auf…

 
Die Zeichenallee 2005 (ebenfalls Rollenspiel-Illustration: Jenny Dolfen)

Für mich selbst war die CA ’99 eine Initialzündung und bestärkte mich massivst in meiner Comic-Zeichner-Aktivität. In Erlangen noch nicht ganz zu Hause, bot die erste Zeichnerallee eine der wenigen Möglichkeiten zum persönlichen Austausch unter den aufstrebenden Zeichnern und es wurden Kontakte geknüpft, die noch Jahre später bestand haben sollen.

Mit Sascha Thau, Mana, Martin Schlierkamp und vielen anderen war der Nachwuchs angetreten! Man hatte seinerzeit die Mappen ausgestellt, freute sich über jede Skizze, die man Besuchern zeichnen durfte und war kurzzeitig König der Welt, wenn ein Verlags-Mitarbeiter Kärtchen verteilte – es herrschte Aufbruchstimmung!

Sechs Jahre später. Mittlerweile hat jeder Zeichner seinen Verlag gefunden, seinen Comic gezeichnet, das Signieren ist Routine geworden, der Idealismus ist dem schnöden Mammon gewichen und für seine kostümierte Verwandschaft hatte man nur noch Häme und Ignoranz übrig.

Insbesondere für Kleinverlage wie Zwerchfell, Fake Press etc. wurde ein Auftritt aus finanzieller Sicht nicht mehr lohnenswert und über die Jahre bröckelte stetig der Anteil an Verlagen, bis – je nach Gusto – der harte Kern oder ein Häufchen Elend übrig blieb…
 

“Ich fahr‘ nach Essen – aber nicht wegen der ComicAction!“

Mit den Jahren und nach vielen Comic-Seiten musste ich mir eingestehen, kein wirklicher Comiczeichner zu sein. Es entpuppte als so arbeitsintensiv, dass meine Affinität zum Medium diesen Umstand nicht mehr decken konnte. Comics zu zeichnen ist ein langwieriger (sowie zuweilen auch langweiliger) Prozess, und es ist kein Zufall, dass viele aufstrebende Comiczeichner beim PinUp-Zeichnen hängen bleiben, wollen bei Comics doch ungleich mehr Aspekte in der Gestaltung beachtet werden, an denen man sich leicht verheben kann.
Außerdem ist es immer von Nachteil, wenn man das Comiczeichnen in erster Linie als Kompromiss zum Filmemachen betrachtet – man wird dem Comic in dieser Form niemals gerecht. Ich bin auf ewig dankbar für die Menschen, die ich durch Comics kennenlernen durfte, aber schon vor einem Jahr kristallisierte sich heraus, dass es für mich nicht die Erfüllung ist, weil es einfach zu keinem wirklich befriedigendem Ergebnis führte…

… und in der Stunde der schweren Resignation stand plötzlich und tröstlich die liebe Verwandschaft auf der Matte!

Die Spielemesse ’05 durfte ich nun unter den Fittichen eines Rollenspiel-Verlages verfolgen, und ich war gespannt auf das neue Klientel, dass man in seinen alten Tagen gerne mal milde belächelte, denn ich war an der Illustration des „Unknown Armies“-Rollenspiel beteiligt und wollte die Chance nutzen, alle Beteiligten mal persönlich kennenzulernen.

 
Das Zentrum des Geschehens

Der „Vortex-“ und „Sighpress“-Verlag teilten sich mit ihren Publikationen „Unknown Armies“ bzw. „Degenesis“ einen großzügigen Stand. Insbesondere der „Sighpress“-Verlag mischt seit ca. zwei Jahren die RPG-Szene mit ihrem Endzeit-Spiel mächtig auf, entsprechend groß war die Fanbase und der Andrang, der über die Tage fast konstant blieb.

Illustrator-Kollege Klaus Scherwinski und „Sighpress“ler Alexander Malik führten mich zuvor in die Eigenheiten der RPG-Szene ein, so dass der Kultur-Schock ausblieb und man recht schnell auf den Trichter kommt, dass Rollenspieler- und Comicleser nicht wirklich viel unterscheidet – ein Fan
ist ein Fan ist ein Fan! Und auch die Macher sind nicht anders als ihre Comic-Kollegen – nette und kompetente Menschen, egal mit wem man es zu tun hat, und mit denen man sich auch über das gemeinsame Steckenpferd hinaus gerne weitreichender befasst.

Ein schöner Moment – egal ob beim Comic oder RPG – ist in der Regel das erste Betrachten der frischen Publikation. „Unknown Armies“ kommt mit fast 400 Seiten daher, mattes Hardcover, gebunden, stylisches Layout und viele schöne Illus – chic ohne Ende! In dieser Form hab‘ ich’s nicht erwartet und es kommt für mich als ehemaligen „Heftchen-Zeichner“ schon recht beeindruckend daher.

 

[Anm. d. Red.: Der Autor dieses Berichts :P]

Entsprechend verantwortungsbewusst wurde mit dem Signieren losgelegt, und man darf annehmen, dass kaum ein Exemplar ohne Zeichnung verkauft wurde – und man hat eine beträchtliche Anzahl verkauft! Nicht nur der Verlag war mehr als zufrieden über diesen Erfolg, denn bei einem Stückpreis von 42,- € ist ein Verkauf keine Selbstverständlichkeit, von Spontan-Käufen wie bei Comics ganz zu schweigen…

Zwischenzeitlich wurde natürlich öfters bei den Comic-Leuten direkt nebenan vorbeigeschaut, und es ist doch immer wieder schön, sich mit alten Bekannten auszutauschen – auch wenn diese rar gesät waren.

Bei der CA schien es sich oberflächlich um drei größere Stände zu handeln:

 
Gabriele Dell’Otto

Panini, Paperwerks (Infinity) und Splashpages, drumherum tummelten sich diverse Händler und hartgesottene Kleinverlage. Natürlich waren auch wieder die üblichen Verdächtigen zugegen, so entwickelt Michael Hartmanns denkwürdige Dell’Otto-Begrüßung „Gabriele! *Du* – HIER?!“ mittlerweile bemerkenswerte Running-Gag-Qualitäten, während man in Geier (von Schwarzer Turm) und Levin Kurio (Weissblech Comics) wieder einmal Gesprächspartner erster Güte vorfand.

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die Jungs von Weissblech

Mit Levin wurde sogar einiges an zukünftige Bemühungen in Sachen Comic gespinnt – mal sehen, was daraus wird, mehr als PinUp-Gedöns wird aber wohl nicht bei rumkommen, da haben mich die RPGler doch schon ziemlich versaut, aber zumindest waren diese nicht schuld daran, dass auch der Nightfaller Daniel Kiessler den Comics den Rücken gekehrt hat und diesmal am Rande der CA zu finden war. Der Junge hat seine Berufung ebenfalls in den (erotischen) PinUps gefunden, denn die werden einfach besser bezahlt…

Ein Argument, das man leider immer öfter hört. Selbst Geier brachte mein Weltbild gehörig ins Wanken, als sein zaghaftes Hadern mit den Comics anklang. Levin verwendet mittlerweile so ziemlich jeden Kniff, um mit seinem „Weissblech“-Verlag Umsätze einzufahren – was wohl auch zu seiner eigenen Überraschung tatsächlich klappt!

Unterschiede zwischen der RPG- und Comic-Szene sind u.a. im Finanziellen zu finden. Selbst bei kleinen Rollenspiel-Verlagen wird ein Illustrator entlohnt, auch wenn es zuweilen lediglich symbolischen Charakter hat. Bei den Comics ist ein Newcomer schon erfolgreich, wenn ein Verlag die kompletten Druckkosten übernimmt, allerdings wird auch bei den Rollenspielern knapp gehaushaltet und einen nennenswerten Umsatz dürfte dort auch nur die Spitze des Eisbergs verbuchen.

 
Marko Djurdjevic

Der Illustrator von Rollenspielen hat sowieso einen etwas anderen Stellenwert, verglichen mit dem eines Comiczeichners. Die Autoren reißen sich regelrecht um die wenigen Profis, die mit viel Überzeugung und wenig Entgeld nicht selten jahrelang an einem Spiel/Buch arbeiten.
Die Besten unter ihnen genießen dafür einen regelrechten Popstar-Status. Entsprechend der Auftritt von Marko Djurdjevic: in kürzester Zeit mutierte der Vortex-/Sighpress-Gemeinschaftsstand zum „Marko-Stand“. Es war ihm gegönnt, ist „Degenesis“ illustrativ anderen deutschen Rollenspielen (und vielen Comics!) meilenweit überlegen! Marko arbeitet mittlerweile in den Staaten für prominente Kundschaft und hat nicht nur seinen Kollegen aus der alten Heimat einiges zu berichten. Nur gerne über die Schulter gucken lässt man sich beim Signieren von einem solchen Schwergewicht nicht wirklich – welcher Filmschüler hätte schon gerne einen Steven Spielberg auf dem Set?

Aber im Grunde sind alle Bildchenmaler gleich gestrickt, und so gab’s auch unter den anderen Zeichnern am Stand wie Klaus Scherwinski, Tobias Mannewitz und Felix Mertikat viele Möglichkeiten zum Erfahrungsaustausch. Klaus hetzte wie immer von Stand zu Stand, Tobias präsentierte erste Previews zum Rollenspiel „Aera“, genauso wie Felix für „Requiem of a soul“.

Weniger Neuigkeiten bei den Comics. Natürlich gab es die üblichen Messe- und Sonder-Editionen u.a. von Panini und dem neuen deutschen Verlag EXP-Comics, der sich auf Variantcover (insbesondere eigens für ihn produzierte) spezialisiert hat. So zeichnete Daniel Kießler (Nightfall Studiosdrei sehr schöne Variantcover für Infinity-Serien
Eine wirkliche Neuigkeit dürfte das Aufleben des EEE-Verlages darstellen (Comic „Faust #10 – Liebe der Verdammten AKT 13“ von David Quinn & Tim Vigil und der Kalender „10 Kleine Grufties für das Jahr“ von Christian von Aster, Schwarwel und P.M. Hoffmann), allerdings haben es die Rollenspieler bei ihren Ankündigungen leichter: es reicht eine gute Story und ein paar nette Illus, um potentielle Kunden anzufixen und neugierig auf ein Produkt zu machen, das „demnächst“ erscheint…wobei „demnächst“ in dieser Beziehung einen äußerst dehnbaren Begriff darstellen kann.

 
 beim Stand vom Turm

Was den Comic-Verkauf angeht scheint es z.B. beim „Schwarzen Turm“ noch vertretbar gelaufen zu sein – bei der Erkundigung behielt Geier zumindest seine Fassung. Levin urteilte mit dem üblichen „Könnte besser sein…“, aber wo kann es das nicht…?

 

So muss das sein: Gedränge bei den Comics!

Trotzdem machte die CA einen durchaus gemütlichen Eindruck! Wenn man die Resonanzen im Internet verfolgt, ist für einige Besucher durchaus etwas dabei gewesen, und „leer“ wirkte die Halle nie. Besonders der Splashpages-Stand sorgte mit diversen Aktionen für Belebung der Halle, auch wenn ich mich nicht für jede begeistern konnte. Die Marktschreier-Idee z.B. wurde nett moderiert und hatte Charme, allerdings war dieser „Comic-Battle…-Jam“ oder wie immer man das nannte nun überhaupt nicht mein Ding! Unter Kommentaren und Kameras abwechselnd mit einem Kollegen zu zeichnen, was dann im Internet und auf Großleinwand projiziert wird, ist vielleicht noch ein gutes Forum für publicitygeile Zeichner-Sternchen, aber fragt bitte nicht mehr die Zeichner, die sich eh schon in den dunkelsten Winkeln der Halle verkrochen haben – ich hänge da nicht aus Jux rum! Wie Jamiri empfinde ich das Show-Zeichnen in dieser Form als äußerst unangenehm und war froh, als es vorbei war… nichts für ungut, aber zumindest die Zuschauer dürften ihren Spaß gehabt haben.

Das Essener Nachtleben liess‘ sich diesmal sogar ohne Alkohol-Vergiftung gestalten! Leider bot sich nur eine Übernachtungsmöglichkeit für die vier Tage (…und da geht ein ganz fetter Dank an Klaus Scherwinski, der damit noch was gut bei mir hat!…) bei den anderen Abenden musste ich früher zur
Heimfahrt aufbrechen, aber es gab immer genügend Zeit für ein bisserl RPG-Gossip und Berichte aus der Szene. Ein sehr spannendes Umfeld, und ich bin dankbar für die Aufklärungen von den Autoren Tim & Michael, Jasper, Chris, Maja und natürlich dem Malik! Mögen Euch die Illustratoren auf ewig
wohl gesonnen sein!…:)…

 
Schließlich sitzt man in der letzten Bahn nach Hause und ist um viele Eindrücke reicher. Zum Beispiel, dass man sich an kostümierte Rollenspieler(innen!) durchaus gewöhnen kann! Manchen steht so etwas ganz offensichlich sogar besser als „Real-Life“-Klamotten und beweisen mehr Geschmack als so mancher Backfisch im Sailor-Moon-Outfit, aber Blut ist bekanntlich dicker als Wasser. Deshalb verbindet RPG und Comic mehr, als man über die Klischees abgrenzen kann oder möchte. Beides wird konsumiert bzw. „erlebt“, um in andere Welten zu versinken, und jedes Medium bietet da seine
eigenen speziellen Möglichkeiten.

An den Möglichkeiten des Comics habe ich mich seit 1999 bereits probiert. 2005 ist das Jahr mit einer neuen Initialzündung, und ich bin gespannt, wohin einen die Rollenspiele führen – die ersten Weichen sind jedenfalls gestellt…

[Anm. d. Red.:
Zum Autor: Karsten Schreurs hatte erste Schritte in Richtung Comics unternommen (“Der gelbe Drache“ bei Final Art, „Der Fischer und seine Frau“ in „Grimm 6“ bei Zwerchfell), war dann aber abgetaucht, um sich beim Filmemachen zu verwirklichen. Nun also eine Wende zurück zur Illustration, diesmal zu den Rollenspielen. Seine frisch aufgeräumte Seite findet man unter grobi-grafik.de.]

[Alle Fotos von der Comic Action 2005 wurden uns freundlicherweise von Millus zur Verfügung gestellt. Alle Fotos von der Spiel 2005 stammen von Alexander Malik, sighpress.de. Herzlichen Dank Euch beiden!]

offizielle Seite der Comic Action

ausführliche Berichterstattung bei den Splashpages

eine sehr schöne Fotoberichterstattung von Sighpress