Comicgate: Autor und Verleger, das ist nicht gerade eine häufige Kombination: Wie kommt’s?
Rochus Hahn: Ich arbeite hauptsächlich als Drehbuchautor. Nach nun 25 Jahren in dieser Branche hat sich eine gewisse Frustration eingestellt, was die Umsetzung meiner Bücher durch Regisseure angeht. Daher war der Schritt naheliegend, Herzblutstoffe im Bereich der Comics umzusetzen. Der Verlag war, weil Mille (Michael Möller) und ich endlich künstlerische Freiheit wollten.
CG: Als Drehbuchautor bist Du auch mitverantwortlich für den Erfolg des Filmes „Das Wunder von Bern“. Wie lange hast Du daran gearbeitet?
RH: Etwa ein Jahr. Ich schrieb die drei ersten Fassungen des Buches, und Sönke Wortmann hat dann die Bucharbeit übernommen, als er sich mit dem Skript einigermaßen wohl gefühlt hat und es an die Feinarbeiten ging. Die wollte er ganz nach seinen Vorstellungen haben, weil das sein wichtigstes Filmprojekt überhaupt war.
CG: Hast Du diesen Erfolg erwartet? 3,6 Millionen Zuschauer für ein deutsches Drama ist sehr ungewöhnlich.
RH: Ich hab schon damit gerechnet, weil ich von mir ausging. Als ich die Dokumentation des Wunders von Bern zum ersten Mal im Fernsehen sah, war ich total fasziniert und auch sehr ergriffen. Da hab ich dann am Ende auch geheult. Beim Film nicht mehr, aber eben bei der Dokumentation. Wir in Deutschland haben wirklich dicke Bücher mit dunklen Kapiteln, aber nur eine einzige Erfolgsstory. Jedes Land braucht eine Legende. Es sagt was aus, dass wir Deutschen auf die Weltmeisterschaft in Bern zurückgreifen mussten.
CG: Hast Du von dem Erfolg profitiert?
RH: Nicht unbedingt in finanzieller Hinsicht. Die Senator-Film ging pleite, und so war auch meine Beteiligung futsch. Aber beruflich ist dieser Erfolg überaus wertvoll. Jeder Produzent hat es heute schwer, Stoffe beim Sender zu plazieren. Da müssen schon schwergewichtige Namen ins Aufgebot der Kreativen, und da wird der ‚Wunder von Bern-Hahn‘ gerne genommen.
CG: Was machst du im Moment?
RH: Ich habe gerade die dritte Saison der Serie „Bewegte Männer“ für SAT 1 fertig geschrieben und setze mich danach an eine Kinoadaption des Buches: „Warum Männer lügen & Frauen schlecht einparken“. Danach ist wieder eine Serie dran, und dann muß ich mal gucken.
CG: Hört sich nicht so an, als ob du da noch viel Zeit für Comics hast, geschweige denn für deinen Verlag!
RH: Dazu kommt, dass ich einen dreijährigen Sohn und eine einjährige Tochter habe, die mich auch beanspruchen. Ich hab tatsächlich zu wenig Zeit für die Comics, aber es ist auch mehr mein Steckenpferd. Mille schmeißt das Tagesgeschäft im Verlag, und ich schreibe Szenarios für unsere Serien…
CG: Da kommt einiges zusammen: Alraune, Horst, Arsinoe, Dipperz, die Hurengeschichten. Und auch das neue SF-Epos von Toni Greis, Luna.
RH: Ja, so das Notwendigste, um die Zeichner Greis und Geier zu versorgen, mache ich schon. Die sind unsere Stützen. Aber die neuen Formate, die anstehen, kann ich unmöglich betreuen. Durch meine Drehbücher verdiene ich gut und kann das Verlagsgeschäft mit Geld auf Touren halten, aber es gibt keine Schreiber. Ich meine, natürlich gibt es sie, aber find mal einen.
CG: Deswegen also auch der Autorenwettbewerb…
RH: Ja. Zeichner kommen mit ihren Mappen zu uns, die Texter gehen zu den Verlagen oder sonstwohin. Die kommen nicht automatisch auf die Idee, was für Comics zu machen.
CG: Was ist denn für dich an Comics besser als an Filmen?
RH: Filme sind teuer. Deswegen heuert man auch immer eine Armada Verhinderer und Bremser an, die demonstrieren, dass die Investoren Angst um ihr Geld haben. Bei Comics ist es völlig egal, ob in der ersten Szene brennende Zeppeline auf Berlin stürzen, es wird gezeichnet. Außerdem ist die Zusammenarbeit mit einem Zeichner konzentrierter. Zu viele Köche verderben eben den Brei. Die Künstler, mit denen ich arbeite, halten sich sehr genau an das Skript, und die Ergebnisse sind manchmal so umwerfend, dass ich von meinen eignen Stories umgehauen werde. Siehe Geier mit Horst, Toni Greis mit Luna und Andi Drude mit Dipperz 2&3.
CG: Was ist denn der Unterschied zwischen einem Drehbuch und einem Szenario?
RH: Ich weiß es auch nicht so ganz genau, weil ich Szenarien auf meine eigene Art schreibe. Vielleicht gibt es da in Frankreich auch Normen. Ich kenne sie nicht. Drehbücher sind komprimierte Geschichten. Beim Roman erzählst du alles, was dir wichtig erscheint, beim Filmskript muß deine Geschichte in 100 Minuten passen. Das heißt, du mußt ökonomisch mit dem Platz umgehen. Comic-Szenarios sind noch komprimierter. Das ist der Unterschied. Du hast weniger Bilder, um etwas auszudrücken und mußt dir schon gut überlegen, welche Bilderfolge deiner Geschichte am besten gerecht wird.
CG: Bei dem Autorenwettbewerb hofft ihr, Szenaristen zu finden. Was wird von ihnen erwartet?
RH: Ich erwarte alles und gar nichts. Die Leute haben drei Seiten. Wenn einer fünf schickt, fällt er deswegen auch nicht durchs Raster. Aber ich will etwas sehen. Ich bilde mir ein, Talente zu erkennen. Deshalb erwarte ich, dass mir die Leute ihr Herzblut schicken und nicht versuchen irgendwas nachzumachen, was gerade überall in ist. Für mich hat gutes Schreiben immer etwas Biografisches. Das heißt: Selbst wenn ich einen Space-Western mit schwulen Vampiren habe, will ich mich mit der Geschichte identifizieren können, sie muß etwas mit den Bedürfnissen, Zwängen und Sehnsüchten von uns allen zu tun haben, sonst berührt sie mich nicht.
CG: Die, die ausgewählt werden, dürfen zu dir in einen Workshop kommen. Was bringst du ihnen bei?
RH: Schreiben hat etwas zu tun mit Talent, Routine und Technik. Es ist wie Geige spielen. Die hohe Schule erreichst du, wenn du viel, viel übst. Also schreibst. Schreiben muß Spaß machen, damit man sich ans leere Blatt traut, und es sollte Erfolgserlebnisse nach sich ziehen, damit man am Ball bleibt. Ich möchte versuchen, den Autoren zu helfen, ihre persönliche Schreibe zu finden.
CG: Danke für die Auskünfte, Robi!