Interviews

Mana

Comicgate: Christian, gerade warst du zusammen mit Michael Vogt und den anderen Kollegen von INKplosion auf der Buchmesse in Leipzig. Du hast unter anderem auch Workshops für angehende Comickünstler gegeben. Bitte erzähl uns ein wenig über deine Erlebnisse dort. Wie war die Resonanz?

Christian Nauck: Wer eine sehr objektive und mitreißende Berichterstattung in Comicform lesen will, die sich trefflicherweise auch noch mit meinen Erfahrungen deckt, sollte hier klicken: Alexander Gellners Leipzig-Erfahrungen. Leider endet sie schon bei Seite 3, da die unsichtbare Fliege Krumpholz all seine Stifte klaute, als wir alle einen Kaffe mit Yann (Krehl) trinken waren.

Daher muss ich wohl doch noch was dazu erzählen: Leipzig ist schon sehr mangalastig ausgelegt, was es für mich jetzt nicht so megainteressant machte. Im Großen und Ganzen war ich aber doch erstaunt, wie sich der Comic- und Mangabereich auf der Messe gemausert hatte. Unser Workshopbereich war auch riesig, was speziell für uns ein nicht unerheblich positiver Faktor war. 😉

Die Workshops selbst haben dann am meisten Spaß gemacht, wenn die Leute auch wirklich interessiert waren, neue Anstöße zu bekommen.

CG: Hast du Potential unter den Teilnehmern entdeckt?

Ich kann Mangazeichner meist nicht besonders gut einschätzen, wenn es um Können oder Talent geht, da man schwer sagen kann, was einstudiert ist und was nicht. Ein oder zwei waren aber schon dabei, wo man durchaus auf mehr hoffen kann.

Für mich war Leipzig noch interessant, weil ich die Freude hatte, Maike Hallmann endlich persönlich treffen zu können, für deren neuen Roman ich zusammen mit Kai Spannuth ein Cover gemacht habe, und ich „die Ehapas“ und Kai Meyer persönlich kennengelernt habe, was sehr angenehm und für die kommende Zusammenarbeit (dazu unten mehr) sehr praktisch war.

CG: INKplosion ist ja schon seit längerem deine hauptsächliche Veröffentlichungsplattform. Das Online-Magazin erfreut sich aufgrund exzellenter regelmäßiger Webcomics und Print-Specials großer Beliebtheit. Wie kam es zu deiner Mitarbeit damals, und wie beurteilst du die Entwicklung der INKies?

CN: Micha (Vogt) und Alex (Gellner) habe ich damals übers Forum kennengelernt, das erste mal über den Weg gelaufen sind wir uns dann aber auf dem Berliner Comicgarten. Da sie mich dann sofort mit Geld und Ruhm geködert haben, konnte ich natürlich nicht anders, als mich mit reinzuhängen. 😉

Ich finde gut, wie’s im Moment läuft, vor allem gefällt mir, dass wir immer eine ziemlich bunte Mischung im Magazin haben. Was ich noch gerne sehen würde, wären ein paar neue Gesichter. Sowas kommt ja meistens schubweise, also einfach mal schauen, wann’s wieder soweit ist. Dass wir uns letztes Jahr mit „Versus“ weiter in den Printbereich vorgewagt haben, fand ich natürlich auch nicht verkehrt. Es haben sich dadurch schon neue Türen geöffnet und wir konnten unsere Zusammenarbeit schon mal aufs Härteste durchtesten.

Ansonsten hoffe ich noch sehr, dass die „Moritaten“ mal eigenständige Kurzstorys machen, Steffi (Schütze) wieder mit was rausrückt und dass Micha bald mit seiner Mariachi-Story loslegt, für mich irgendwie der Klassiker des INK-Magazins. Ich selbst würde gern wieder etwas für INK machen, leider siehts erstmal zeitlich etwas zu knapp aus, aber vielleicht lassen sich kleinere Comics dazwischenschieben. Ohne INK gehts dann auf Dauer eben doch nicht. Und wenn Alex mit seinem neuen Gazegull Zyklus durchstartet, bleibt eh nix mehr stehen!

CG: Zwischen dir und Alexander Gellner kam es schließlich zu einer Art Duell, bzw. zwischen euren beiden Comic-Charakteren, nämlich Deinem Clown Serge und Alex‘ Gazegull. Was zuerst in schwarzweiß im INK-Special #10 begann, führte dann zur vierten und bislang aufwendigsten Print-Ausgabe von INKplosion, dem Prestige-Band “Versus“ (geinkt von Michael Vogt, koloriert von Sven Strangmeyer). Kannst du uns etwas dazu sagen, wie das Projekt entstand und wie die Kooperation mit Alexander Gellner verlief? Wie kam Sven dazu?

CN: Du hast es schon fast gesagt. Unsere beiden Kämpfer waren einfach noch nicht ausgelaugt genug, also musste neuer Platz geschaffen werden. Erst in unseren Köpfen, dann auf unseren Schreibtischen (seit einer Weile habe ich jetzt zum Glück nen kippbaren Lichttisch, da kann man die Schräge nicht mehr so gut vollmüllen), dann im INKmag. Als dann die ersten Seiten fertig waren, war Micha so überzeugt von der Qualität, dass wir das Onlinekonzept durch eine erweiterte, schönere, bessere, einfach noch fantastischere Printausgabe ergänzt haben. Die Suche nach einem Coloristen gestaltete sich dann gar nicht so kompliziert, da Sven zu der Zeit im Forum aktiv war und man so leicht abchecken konnte, dass sein Stil ins Konzept passt. Schnell angeschrieben, angetestet und für supergenial passend befunden. Als sehr angenehm stellte sich auch schnell die Zusammenarbeit heraus, da Sven sehr gut mit meiner Kritik bzw. Rummäkelei klarkam und einfach verdammt schnell und gut gearbeitet hat. Die Kooperation mit Alex lief auch sehr locker ab. Wir trafen uns ab und zu, um die grobe Marschrichtung des Comics festzulegen, trafen uns dann ein paar Monate später wieder, um sie wieder umzuwerfen usw. 😉
Wir sprachen meist im Groben ab, was auf welche Seite kam, zeichneten sie dann und trafen uns zum Ende hin noch mehrmals, um die Dialoge zusammen mit Steffi Schütze für die Printversion zu überarbeiten.

CG: Man vernahm einige Stimmen von Lesern, die erstaunt waren über die professionellen Actionzeichnungen, wie sie in dem Comic zu finden sind. Wie waren die Reaktionen der Fans und Fachleute aus deiner Sicht?

CN: Die Reaktionen waren zu meiner wirklichen Überraschung durchweg positiv (bis auf ein paar Fanboys und Mangakiddies, die das Heft zu teuer fanden, bzw. rummaulten, dass es nicht umsonst war). Ich hatte erwartet, dass wir mit unserem Zeichen- wie auch Erzählstil genau zwischen den Lagern landen würden. Optisch zu Amerika-Mainstream-orientiert, für den Superheldenleser zu teuer und unsinnig… also zu sehr independent. Gerade der DVD-mässige Specialbereich hinten im Heft machte unserer Meinung nach das Heft erst richtig rund, konnte die Leute aber durch den hohen „Nicht-Comic“-Anteil auch abschrecken.

Letzten Endes haben aber, soweit wir es anhand der Reaktionen abmessen können, die meisten Leser sich doch amüsiert und „Versus“ als das genommen, was es ist: ein Spaßcomic. Wir zitieren, bemühen Klischees und verarschen Superhelden, weil wir sie eigentlich auch gerne lesen. Mehr steckt nicht dahinter, die gewollte Sinnlosigkeit als Konzept, die meisten sind wirklich damit klargekommen. Das hätte ich vor dem Print noch nicht gedacht. 😉

CG: Würdest du selbst auch sagen, dass „Versus“ deine bislang am besten gelungenste Arbeit war?

Jup, auf jeden Fall war „Versus“ meine bis dato beste Arbeit. Manche Szenen haben wir uns extra reingeschrieben nach dem Motto: „Holla, das würde ich gern sehen, kann ich das zeichnen? Keine Ahnung, muss ich halt ranklotzen!“ Ich habe daraufhin Sachen gezeichnet, von denen ich vorher nicht wusste, ob ich dazu in der Lage wäre. Allein dieser Aspekt war an „Versus“ immens wichtig für mich.

CG: Und wenn Marvel anklopfen würde…?

CN: …würde ich sagen: „Keene Zeit, machtma ’n Abjang!“
Naja, genau kann ich das nicht sagen. Die kommenden ein, zwei Jahre hätte ich eh keine Zeit, für danach kann ich nicht sprechen. Aber es hat schon was reizvolles; andererseits ist das geforderte Pensum gewaltig und die Bezahlung auch nicht der Überflieger. Also – der wirkliche Traumjob ist es auch nicht… vielleicht, wenn ich nen cartoonigeren, schneller umsetzbareren Style hab. 😉

CG: Kommen wir zu deinem aktuellen Projekt. Du zeichnest für Ehapa/vgs das Comicalbum „Zoe“, eine Art Spin-Off von „Berlin, Berlin“, einer TV-Serie über die fiktive Comickünstlerin Lolle, gespielt von Felicitas Woll. Ist dies deine erste Comic-Auftragsarbeit?

CN: Ja, war es. Die ich allerdings vor ein, zwei Jahren nie angenommen hätte. Durch „Versus“ wusste ich, welches Pensum und welche Qualität ich liefern kann. Von daher konnte ich in etwa abschätzen, ob „Zoe“ für mich in der kurzen Zeit machbar war.

CG: Wie bist du dazu gekommen? Bist du selbst Fan der TV-Serie? Und… wer ist Zoe überhaupt?

CN: Nope, habe die Serie vorher nie gesehen. Ich habe aber mit Uwe Heinelt zusammen an diversen Aufträgen gearbeitet u.a. an Requisiten für „Berlin, Berlin“. Uwe, der im Sommer dann mit dem zweiten Band für „Berlin, Berlin“ (ebenfalls bei Ehapa) begann, kam dann die Idee zu einem weiteren Band – eben „Zoe“.

Zoe ist eine Figur, die von Lolle in „Berlin, Berlin“ erdacht wird. Sie zeichnet einen Comic mit ihr, der dann auch verlegt wird (in der 3.Staffel, glaube ich). Die Idee war nun, diesen fiktiven Comic wirklich herauszubringen, mit mir als Lolles Ghostwriter, oder besser „Ghostdrawer“. Und das haben wir dann auch gemacht.

CG: Bei „Zoe“ musstest du dich wahrscheinlich ein wenig an Uwe Heinelt orientieren, der für die regulären Comic-Umsetzungen von „Berlin, Berlin“ zuständig war und ist, oder? Wie war es, dich künstlerisch eingrenzen zu müssen, im Gegensatz zur Arbeit bei Inkplosion, wo es sicherlich etwas lockerer zuging? Wieviel Freiheit wurde Dir gelassen?

CN: Das war nicht ganz ohne. Wenn man sich den Comic anschaut, wird man vielleicht bemerken, wie sich der Stil zu den letzten Seiten hin verändert. Zu Beginn habe ich mich noch recht stark an Uwes Vorgaben orientiert, hatte aber, logischerweise, auch das Gefühl, mich dadurch einzuschränken. Als ich merkte, dass Uwe mir mehr Freiraum ließ, wurde ich etwas lockerer. Trotzdem hatte ich bis zum Ende hin mit den fremden Charakteren zu kämpfen. Zoe ist ja wie Lolle sehr ikonografisch angelegt, was eine Umsetzung im Comic nicht immer ganz einfach macht. Am meisten Spaß haben dann auch die selbst entworfenen Charas, wie die Skins oder die kleinen Gags im Hintergrund gemacht.

Von den generellen Stil- und Charaktervorgaben abgesehen, hatte ich allerdings viele Freiheiten. Die brauchte ich auch, da das Skript sehr filmähnlich geschrieben war und die Umsetzung fürs Comic sich daher meist als schwierig und zeitaufwendig herausstellte. Nachdem der Grundstil geklärt war, gab es eigentlich keine weiteren Einschränkungen von Uwe oder Ehapa, was sehr angenehm war.

CG: Was kann der Leser beim gerade erschienen „Zoe“ erwarten? Weiteres Futter für die TV-Gucker oder eher neues Material in deinem gewohnten Stil?

CN: Hah, das fragst du mich?! 😉 Also, wer meinen Stil mag, wird ihn auch bei „Zoe“ hoffentlich mögen. Vielleicht nicht in jeder Figur oder Haltung, aber die Strichführung, die Art der Überzeichnung etc. – es gibt schon Elemente, wenn auch in einer „verzerrten“ Darstellung, in denen man mich und meinen Stil wiedererkennt. Zu der Story kann ich wirklich nicht viel sagen, ich hoffe einfach nur, dass sie im Zusammenspiel mit den Zeichnungen locker und lesenswert daherkommt. Das müssen mir dann aber andere Leute sagen, ich selber kann das nicht mehr beurteilen.

CG: Wenn du „Zoe“ mit deinen früheren Werken vergleichst, hast du da selbst eine zeichnerische Entwicklung entdecken können?

CN: Uh, schwere Frage. Die Vorzeichen sind anders. Ich habe mich an einem anderen Stil orientiert und ich hatte krassere Zeitvorgaben… bzw. Geldvorgaben. Ich habe gelernt, Sachen nicht x-mal zu überarbeiten, nicht immer das „perfekte“ Panel am Schluss sehen zu wollen. Ich habe während des ganzen Comics stets versucht, den Spagat zwischen Qualität und Anspruch und der Deadline zu schaffen, das war in dem Ausmaß neu und wichtig für mich. Inwieweit mich „Zoe“ auch zeichnerisch nach vorne gebracht hat, werde ich wohl erst bei meinem nächsten Projekt wissen.

CG: Wo siehst Du dich mittlerweile von deinen zeichnerischen Fähigkeiten her?

Irgendwo in der Mitte. Ich kann gewisse Dinge gut, sehr viele überhaupt nicht. Man kann nur dranbleiben. Auf jeden Fall ist die Bestätigung von Außen da, was gut tut.

CG: Was sagt Uwe Heinelt zu Zoe?

CN: Der ist zufrieden… soweit ich’s verstanden habe ;). Am Anfang hat ihm die Koloration nicht ganz so zugesagt, aber mittlerweile gefällts ihm glaube ich doch. Ist halt für ihn auch noch mal ein ganz eigenes Ding, seine Charaktere in einer anderen Version zu sehen.

CG: Bist du mit dem Ergebnis, wenn es in gedruckter Form vor dir liegt, hundertprozentig zufrieden?

CN: Ups, glaube den Großteil habe ich eben schon beantwortet. Hundertprozentig zufrieden bin ich definitiv nicht. Aber ich bin schon stolz es so durchgezogen zu haben. Ich habe ja von den Layouts bis zum Lettering alles allein gemacht. Nur die Farbseparation habe ich ausgelagert und am Ende bei der Druckvorstufe waren Mel (Maathuis) und Micha (Vogt) mir eine unglaublich große Hilfe – ohne sie hätte ich da ziemlich dumm ausgesehen.

CG:: Was waren deiner Meinung nach die größten Hürden bei der Arbeit an dem Band, und auf was bist du besonders stolz? Hast Du vielleicht sogar neue Seiten an Dir entdeckt?

Ein sehr großes Problem war der Zeitruck. Ich habe bis auf zwei bis drei Jobs nebenbei fünf Monate nur an „Zoe“ gearbeitet. Das schlaucht ungemein und nimmt einem die Möglichkeit, sich nebenbei weiter zu orientieren. Auch dieses permanente Nur-am-gleichen-Projekt-arbeiten war nervig und machte es ziemlich schwer, dran zu bleiben und das tägliche Pensum zu schaffen, am nächsten Tag war ja wieder das gleiche dran. Aber natürlich war’s auch hier so, wenn etwas gut gelungen ist, freut man sich dann doch, egal wie stressig es war. Und jetzt freu ich mich halt auf die Veröffentlichung. Und manche Szenen waren auch wirklich spaßig zu zeichnen – gerade Gesichtszüge entgleisen zu lassen, bringt fun. In den Punkten sind meine Zeichnungen dann zum Teil auch gleich recht mangalastig ausgefallen.

CG: Wie sieht jetzt die Zukunft aus? Sind weitere Bände aus dem Lolle-Umfeld geplant oder folgen evtl. weitere Projekte oder Kooperationen mit anderen Künstlern für Ehapa?

CN: Lolle ist für mich vorbei. Ich bin froh, dass ich die Gelegenheit bekommen habe, diesen Comic zu machen, aber jetzt brauche ich neue Ziele. Sehr wichtig für mich war, sollte ich ein neues Comicprojekt in Angriff nehmen, dass ich noch Zeit für andere Aufträge oder mein Portfolio habe.

Da Ehapa mit „Zoe“ wohl zufrieden war, hat sich auch wirklich ein Nachfolgeauftrag ergeben. Es handelt sich dabei um die Comicumsetzung der „Wellenläufer“-Romane von Kai Meyer. Kai hatte meine Zeichnungen gesehen und konnte sich diese in einer Wellenläuferumsetzung auch gut vorstellen. Ich werde diesmal nur die Zeichnungen machen – die Koloration wird voraussichtlich wieder Sven machen, Micha macht die Organisation. Somit ist dieser Auftrag ein echter Hammer: wunderbare Buchvorlagen, ich kann die Charaktere selbst entwerfen, es hat fantastische Elemente und ich muss das Projekt nicht allein durchziehen. Als Szenaristen konnten wir Yann Krehl verpflichten, was mich schon mal guter Dinge stimmt. Im Moment schreibt Yann am Skript für Band 1 und ich entwerfe die Charaktere. Wenn alles glatt läuft, ist das Album dann zur nächsten Leipziger Buchmesse erhältlich.

CG: Und langfristig gesehen? Wo siehst du dich in ein paar Jahren? Gibt’s in Gedanken schon Ideen für die entferntere Zukunft? Ist es dein Traum, als Comiczeichner dein Lebensunterhalt zu verdienen?

CN: Das tue ich Moment sogar. „Wellenläufer“ wird den Grundstock meines monatlichen Einkommens stellen, dazu kommt noch ein paar mal im Jahr ein Werbecomic für Carrera, den Rest werde ich durch Illustrationen reinbekommen müssen (wie im Moment durch Bibi-Blocksberg-Gameboy-Illus). Wenn’s nach mir ginge, könnt’s so weiter gehen, aber mit fix steigendem Einkommen. Ich brauche unbedingt eine Wohnung mit Arbeitszimmer! 😉

CG: Vielen Dank für deine Zeit, Christian, und viel Erfolg weiterhin.