Interviews

Jogis Löwen: Im Gespräch mit Lutz Mathesdorf

Schon seit den 1990er Jahren ist Lutz Mathesdorf bekannt für seine Sport-Funnies, in denen die deutsche Fußball-Nationalmannschaft (Bertis Buben, Ribbecks Racker) oder Rennfahrer Michael Schumacher (Unser Schumi) zu Comicfiguren werden. Gemeinsam mit Zeichnern wie Kim Schmidt oder Volker Sponholz produzierte er etliche solcher Bücher, die meist passend zu einem großen Turnier veröffentlicht wurden. Nun ist es wieder soweit: In Polen und der Ukraine läuft die Fußball-Europameisterschaft, und Mathesdorf hat abermals einen Comic zum Event geschaffen: Jogis Löwen, umgesetzt vom serbischen Zeichner Gabriel. Wir trafen den Autor im Mai 2012 im Hannoveraner Comicladen „Comix“, wo er sein neues Buch bei einer Signierstunde vorstellte.

Lutz Mathesdorf bei der Signierstunde im „Comix“Mathesdorf ist fußballbegeistert, geht aber nur selten ins Stadion, „weil die Mannschaft dann immer verliert“, was bei den letzten Spielen überraschenderweise aber nicht immer der Fall war. Einen echten Lieblingsverein hat er eigentlich nicht, St. Pauli und Bayern München imponieren ihm – vor allem aber Union Berlin, weil die Fans dort mit viel Eigeninitiative das heimische Stadion renoviert haben. Leidenschaftliche, unverwechselbare Spieler gefallen ihm, kantige Typen sind dann auch spannender und leichter zu zeichnen als glatte Sportler mit zu glatten Gesichtern. Selbst für Fußball-Laien sind die Figuren in Jogis Löwen aber gut erkennbare Abbilder der realen Athleten.

Zeichner Gabriel hat es nicht zur Buchvorstellung geschafft, er lebt in der serbischen Stadt Novi Sad. Der ehemalige Fix & Foxi-Chefzeichner Mathesdorf schreibt und zeichnet seit 20 Jahren Comics und freut sich gut gelaunt darauf, sein neues Werk vorzustellen. Ein halbes Jahr habe es gedauert, allein viereinhalb Monate gingen für die Kolorierung drauf. Ende Januar war Jogis Löwen dann fertiggestellt – zu früh, um noch auf die aktuellen Ereignisse in der Ukraine und Polen einzugehen, was aber ohnehin nicht zur Stimmung des Comics gepasst hätte, in dem es um Fußball und um Lacher geht und nicht um allzu heikle Themen. Damit es sich lohnt, sich ein halbes Jahr nur auf ein Projekt zu konzentrieren und „in dieser Zeit kein Geld zu verdienen“, wie Mathesdorf betont, sei eine verkaufte Auflage von 30.000 Stück nötig. Der letzte Bertis Buben-Band brachte es auf 60.000 Exemplare, sagt der Autor stolz.

Cover Jogis LöwenComics seien ein schweres Geschäft, erklärt der Norddeutsche mit der Vorliebe für Sport-Themen. Momentan konzentriert er sich vor allem auf Filme, setzt auf Apps und weist auch auf die E-Book-Edition von Jogis Löwen hin, bei der es als Bonus Videos obendrauf gibt. Für Autoren sei das eine interessante Entwicklung, so Mathesdorf: E-Books, Apps, soziale Netzwerke, Online-Comics. „Da trifft man auf Menschen, die lesen. Das ist so schön! Lob von Lesern zu bekommen ist mehr wert als Geld.“, schwärmt er. Sehr praktisch an den Apps sei es, sie sehr schnell erstellen und veröffentlichen zu können. Ich frage, ob das auch eine Möglichkeit ist, unmittelbare Rückmeldungen der Leser als Gelegenheit zu sehen, um Änderungen an den Geschichten vorzunehmen. Diese Aufgabe übernehmen eher Freunde, antwortet Mathesdorf. Neue Ideen werden erst mal im Bekanntenkreis präsentiert, um zu prüfen, ob ein Gag gut ankommt. Für Apps aber wäre es denkbar, mal die Leser entscheiden zu lassen, wie die Geschichte weitergehen soll. Eine Erkenntnis aus den Leserreaktionen sei es, dass seine Fußball-Comics vor allem bei weiblichen Lesern beliebt sind. Für sie könne ein solcher Comic der Einstieg sein, um beim Thema Kicken mitreden zu können. Auch bei den Zeichenkursen, die Mathesdorf in Neumünster veranstaltet hat, waren es 14 Mädchen und ein Junge, die sich für das Medium interessierten. Liegt es da nicht nahe, mal in Richtung Manga zu gehen, weil das seit Jahren beim jüngeren Publikum so populär ist? „Das ist eine andere Generation. Mein Manga ist Akira„, sagt er lachend und deutet auf die dicken Bände dieses japanischen Comic-Klassikers, die hier im Comic-Shop im Regal stehen. Wenn er selbst Comics lese, sei er besonders von Neil Gaiman begeistert. Eine ganz andere Richtung als Jogis Löwen.

Seite aus Jogis LöwenOb das das mal eine Idee wäre, eine ernste Geschichte zu erzählen, frage ich. Er bleibe lieber bei den lustigen Büchern, sagt er, die Welt sei eh schon düster genug. Wenn er eine ernste Story erzählen würde, könnte er sich selbst nicht ernst nehmen. An politischen Comics hat er sich schon versucht, für alle demokratischen Parteien, Beiträge für den Wahlkampf waren das. Vor Jahren gab es auch, in Zusammenarbeit mit Werner-Erfinder Brösel, eine schräge Barschel-Geschichte (Barschel – Wege in die Wanne, Achterbahn Verlag 1997). Außerdem sei da noch seine Begeisterung für Musik. Jimi Hendrix und der Sturm auf Fehmarn ist längst vergriffen, eine Bildergeschichte über die Toten Hosen war mal im Gespräch – „einer aus der Band kommt aus Kiel“, so Mathesdorf – wenig später erschien allerdings ein Comic für Die Ärzte und danach geriet die Sache in Vergessenheit.  

Und wie wäre es mit einem weiteren Formel-1-Comic, etwa mit Sebastian Vettel als Hauptfigur? Zumal der Autor betont, dass ihm die in nur zwei Wochen gezeichneten Geschichten für Unser Schumi und ein Halber (ebenfalls gezeichnet von Gabriel, Achterbahn Verlag 2002) den größten Spaß gemacht hätten, auch wenn das Buch beim Publikum weniger gut ankam als die Vorgänger. Die Formel 1 interessiere ihn kaum noch, zu glatte Typen, zu wenig Spannung. Einmal war er selbst bei einem Rennen dabei, am Nürburgring. Als Inspiration für die Geschichten war das allerdings nicht sehr ergiebig, wie auch bei den Fußballcomics sind es eher Medienberichte und persönliche Erlebnisse, die Ideen für die Strips liefern. Er sei mal mit einem Rennkart mit 160 km/h gefahren, das sei hilfreich gewesen, um Material für Formel-1-Comics zu sammeln.

Seite aus Jogis LöwenUnd dann war da noch die Sache mit dem Schreiben von Schumachers Anwälten. In seiner Antwort forderte Mathesdorf den Rennfahrer zu einem Rennen auf: Ferrari gegen Isetta. Kam nicht zustande. Ex-Bundestrainer Berti Vogts war gerüchteweise nicht sehr zufrieden mit seiner Darstellung als Cartoon-Figur, während Torwart Oliver Reck sogar enttäuscht gewesen sein soll, nicht im Buch vorzukommen. Eine freundliche Reaktion sei von Michael Ballack gekommen, und ein anderer Spieler wäre am liebsten 20-mal gezeichnet worden, erzählt Mathesdorf. „Einige der in den Büchern porträtierten Sportler haben entspannt reagiert und realistisch eingeschätzt, dass ihnen schon nicht allzu viele Tantiemen entgehen werden, denn Comics machen viel Arbeit und Spaß, aber erreichen eher keine Millionenauflagen. In der Welt der Phantasie von Unser Schumi natürlich schon: Bernie Ecclestone wird als Dagobert Duck inszeniert, der geht ja auch so wie Dagobert“, sagt Mathesdorf und freut sich, mit dem Briten einen würdigen Gegenspieler für seine Geschichte gefunden zu haben- etwas, was in Jogis Löwen fehlt.

Olli Kahn soll einmal gesagt haben, er wäre als Kind gerne wie Dagobert Duck gewesen, werfe ich ein. „Das wusste ich nicht“, lacht Mathesdorf und bekennt „das ist einer meiner Lieblingsspieler, wir mussten ihm im letzten Buch nun aber endlich mal klar machen, dass er jetzt wirklich nicht mehr als aktiver Spieler mit darf“ schmunzelt er. In Jogis Löwen wird Michael Ballack ganz ähnlich als Running Gag eingebaut. Stolz weist der Autor auch auf “das grausige Boateng-Geheimnis“  hin, das im Comic enthüllt wird. Und wer Europameister wird, beantwortet das Buch gleich zu Beginn: Deutschland besiegt Spanien 9:0.

Lutz Mathesdorf zeichnet in ein SkizzenbuchWährend des Interviews habe ich auch Gelegenheit, Mathesdorf beim Zeichnen zuzusehen. Er selbst sieht sich als Zeichner und Autor, greift aber auch aus Zeitmangel gerne auf die Hilfe von Zeichnern wie Gabriel zurück. Meinem Wunsch nach einem Porträt von Sebastian Vettel kann leider nicht entsprochen werden, ich habe kein Foto als Vorlage dabei, also zeichnet sich Mathesdorf selbst im Nationaltrikot als Panini-Sammelbild, was ihm sehr leicht von der Hand geht. Länger dauert eine Zeichnung von Jogi Löw und bei einem Schumi-Bild muss der Cartoonist erstmal nachdenken – „den habe ich ewig nicht mehr gezeichnet“ – es klappt dann aber trotzdem. Es klingt wie ausgedacht, aber das Interview dauerte gut 90 Minuten und ich fand es interessanter als manches Ballspiel auf dem Rasen.

 

Jogis Löwen – Ich will!
Piper Verlag, 2012
Text: Lutz Mathesdorf
Zeichungen: Gabriel
Kolorierung: Lutz Mathesdorf
96 Seiten, farbig, Softcover
Preis: 10,30 €

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Website von Lutz Mathesdorf und Gabriel
Jogis Löwen beim Piper Verlag

 

Abbildungen: © Lutz Mathesdorf/Gabriel/Piper Verlag, Fotos: Stefan Svik