Ende Januar 2010 kommt in Deutschland The Surrogates in die Kinos mit Bruce Willis in der Hauptrolle. Die Vorlage dazu liefert der gleichnamige Comic von Autor Robert Venditti und Zeichner Brett Weldele. In den USA schon seit 2006 als Sammelband erhältlich, erscheinen die Lizenzversionen erst diese Tage. Auf Deutsch verlegt Cross Cult den Comic, der im Oktober veröffentlicht wurde und der erste Band einer geplanten fünfteiligen Serie ist.
Auf der Frankfurter Buchmesse Mitte Oktober unterhielten sich Andreas Völlinger und Frauke Pfeiffer mit den beiden Herren, die sich das erste Mal auf europäischem Boden befanden.
Wir bieten Euch das Interview im Original auf Englisch und übersetzt auf Deutsch an.
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Andreas: Okay, Robert und Brett [Foto: links Brett Weldele, rechts Robert Venditti], beginnen wir mit dem Interview. Ist es merkwürdig, einen Comic zu promoten, der bereits wie alt ist … vier Jahre?
Robert: Ja, die einzelnen Hefte erschienen 2005.
AV: Ihr habt bereits damals Interviews gegeben und The Surrogates beworben. Doch nun seid ihr vier Jahre später wegen der Veröffentlichung der internationalen Ausgaben und des Films wieder mit diesem Comic unterwegs. Ist es komisch oder schwierig, das Ganze noch mal mitzumachen?
RV: Nein. Genau genommen herrschte in den vergangenen Jahren etwas Flaute in Sachen Surrogates, es tat sich in den Jahren dazwischen nicht viel. Und da es der einzige Comic war, den ich geschrieben hatte, habe ich auf Conventions immer nur das gleiche erzählt. Aber dieses Jahr hat mir diesbezüglich wirklich neuen Antrieb gegeben. Nicht nur durch die Verfilmung, auch durch die Lizenzausgaben. Und wir haben außerdem ein Prequel veröffentlicht, „The Surrogates: Flesh and Bones“. Das promoten wir natürlich auch. Es macht schon eine Menge Spaß.
AV: Es macht euch also Spaß, deutsche Buchmessen zu besuchen und Interviews zu geben?
RV: Ich liebe es, über mich zu sprechen. (lacht)
AV: Und wie ist es mit Dir, Brett?
Brett: Na ja, Rob kennt man hauptsächlich von The Surrogates, aber ich habe in den letzten Jahren auch an anderen Comics gearbeitet, daher ist es für mich schon etwas anderes. Und ich promote nicht so gern, wie Rob es tut.
AV: Aber Du genießt den momentanen Rummel?
Brett: Ja, bisher war es großartig. Aber auch irgendwie unwirklich …
AV: Wohin geht es als nächstes, nach eurem Aufenthalt in Deutschland? Besucht ihr noch andere Orte in Europa?
RV: Ja, wir reisen als nächstes weiter nach Frankreich. Dort machen wir eine nette kleine Signiertour und dann geht es für einen Tag nach Brüssel. Und danach nach Italien für das Comicfestival in Lucca. Insgesamt werden es 18 Tage sein. Übrigens, da ihr meine PR-Arbeit für den Comic angesprochen habt … Wusstet ihr, dass ich gleichzeitig auch beim Verlag von The Surrogates [Top Shelf] angestellt bin?
Frauke: Wir haben gelesen, dass Du dort in der Poststelle angefangen hast …
RV: Ja, ich habe früher im Versand gearbeitet, als Nebenjob. Aber ich arbeite immer noch für die Firma. Ich sehen meinen Redakteur täglich und wir reden ständig miteinander, es war also ein ziemlich einfacher Übergang. Oft spreche ich auch beruflich mit jemandem am Telefon und nach einer Weile wird meinem Gesprächspartner klar, dass ich auch der Kerl von The Surrogates bin, und dann sprechen wir darüber.
AV: Ist es nicht schwierig, zwischen den Rollen als Autor und als Verlagsangestellter hin- und herzuwechseln?
RV: Eigentlich ist es sehr vorteilhaft. Denn bei Top Shelf bin ich mittlerweile hauptsächlich für den Direktvertrieb an alle amerikanischen und viele europäische Comicläden verantwortlich. Wir verkaufen nämlich auch Comics an eine Menge Läden in Belgien, Frankreich und Großbritannien … Und ich kümmere mich um die Rechnungen und so was. Ich habe den Comic 2002 geschrieben und er erschien dann 2005 als Heftreihe. Während des dreijährigen Zeitraums dazwischen habe ich täglich mit Comichändlern im ganzen Land gesprochen. Das hat sehr geholfen. Ich habe außerdem überall in Amerika auf Messen gearbeitet – nicht so noblen wie der Frankfurter Buchmesse, sondern Comicmessen. Und die ganze Zeit über habe ich die gesamte Comicpresse gelesen. Als es dann Zeit für meinen Comic wurde, kannte ich all diese Leute bereits.
AV: Lass uns über Deine Herangehensweise sprechen. Du hast das Skript für The Surrogates geschrieben, ohne einen Künstler für das Projekt zu haben und ohne einen Verlag im Rücken, obwohl Du bei einem gearbeitet hast. Hast Du das Ganze mehr aus Spaß in Angriff genommen oder hast Du von Anfang an gehofft, Du könntest Deine Geschichte irgendwo unterbringen?
RV: Ich wollte definitiv, dass der Comic veröffentlicht wird. Ich habe studiert, um Autor zu werden. Ich habe vorher Kurzgeschichten geschrieben. Aber ich habe keine Comics gelesen, während ich aufwuchs. Ich weiß nicht warum, ich tat es einfach nicht. Im Jahr 2000 habe ich meinen ersten Comic gelesen und beschloss, dass ich von nun an welche schreiben würde.
FP: Welcher Comic war das?
RV: Astro City Vol. 2 Nr. 4. Der erste Teil der „Confessor“-Story. Ein Freund empfahl mir, diese Geschichte zu lesen, weil er wusste, dass ich mich für Religion interessiere – was man auch in The Surrogates sehen kann. Diese Geschichte handelt von einem Priester, der auch ein Vampir ist. Das ist nebenbei bemerkt die größte Enthüllung der gesamten Story. (lacht) Ich hab mir den Comic also Durchgelesen und mochte ihn sehr und war überrascht von der Komplexität der Geschichte und der Figuren. Bei meinen Prosageschichten gab es zwei unterschiedliche Arten von Fiktion. Zum einen literarische Fiktion, die auf den Figuren basiert und Genrefiktion, in welcher der Plot dominiert. Und ich dachte immer, das Comics ausschließlich Genrefiktion seien, aber als ich erkannte, dass es sich hier um eine charakterbasierte Geschichte handelt, beschloss ich, dass ich das auch machen würde. Ich hatte keine Ahnung wie, ich hatte keinen Zeichner, ich arbeitete in der Poststelle. Ich habe einfach das getan, was sich richtig anfühlte.
AV: Wie hast Du die Grundlagen erlernt? Hast Du fertige Comicgeschichten genau analysiert? Einen Comic zu schreiben unterscheidet sich ja doch vom Schreiben für andere Medien, wie beispielsweise Film.
RV: Es gab damals nicht viele Informationsquellen. Aber mittlerweile findest Du im Buchladen ja eine Million Bücher über das Comicschreiben, denn jetzt sind Comics auf einmal wieder cool.
AV: Wie „Writing for Comics with Peter David“ oder das Buch von Denny O’Neil [„The DC Comics Guide to Writing Comics“] …
RV: Oder „The Idiot’s Guide to Writing Comics“. Doch als ich anfing, gab es nicht so viel Material. Ich habe die Will-Eisner-Bücher „Graphic Storytelling“ und „Comics & Sequential Art“ durchgearbeitet und dann das getan, was sich auf dieser Grundlage wie ein natürlicher Arbeitsprozess anfühlte. Als Brett dazustieß – ein Jahr, nachdem ich mit dem Schreiben fertig war -, sagte ich ihm sofort: „Ich bin kein Zeichner, das ist mein erster Versuch in diesem Medium. Wenn Du einen besseren Weg findest, um die Geschichte umzusetzen, dann mach es so. Wenn Du Winkel verändern willst oder ähnliches, kein Problem.“ Ich war in meinem Skript nämlich unheimlich detailliert.
AV: Ja, ich habe die Beispiel-Skriptseiten in der deutschen Ausgabe von The Surrogates gelesen.
RV: Mein Skript war einfach sehr lang. Ich glaube, das liegt an meiner Vorgeschichte als Prosa-Autor. Auch Prosatexte schreibe ich sehr ausführlich und detailliert. Ich wusste damals ja auch noch nicht, wer der Zeichner sein würde und ob er, so wie Brett, einen eher lockeren Stil haben würde, so dass er die ganzen Details gar nicht benötigen würde. Als wir dann zusammen an Flesh and Bone arbeiteten, habe ich das Ganze ziemlich runtergeschraubt. Denn nun weiß ich ja, wie Brett arbeitet.
FP: Ich vermute, dass man in den USA, so wie in Deutschland, nicht wirklich viel Geld mit einem Comic verdienen kann, der bei einem kleineren Verlag veröffentlicht wird. Hast Du die ganze Arbeit also nur aus Freude am Medium auf dich genommen? Einfach nur, damit dieser Comic veröffentlicht wird?
RV: Ich hatte damals ja einen Vollzeitjob. Ich war also nicht auf das Geld angewiesen. Aber ich wollte mich an einer Karriere als Comicautor versuchen und schauen, ob ich davon leben könnte. Da ich wusste, dass man hier, wie in jeder Form des Kunstgewerbes, wahrscheinlich keinen Schnelleinstieg finden würde, habe ich meinen Job vorerst behalten. Ich arbeitete damals Vollzeit bei Borders [US-Buchladenkette], vierzig Stunden die Woche an vier Tagen, an meinen drei freien Tage habe ich Versandkartons bei Top Shelf gepackt und nachts schrieb ich The Surrogates. So entstand der Comic. Ich habe das alles gleichzeitig gemacht. Aber da ich die anderen beiden Jobs hatte, musste ich keine Schreibarbeit machen, nur weil ich auf das Honorar angewiesen war.
FP: Hast Du es damals noch eher als ein Hobby betrachtet oder wolltest Du von Anfang an ein professioneller Autor werden?
RV: Ich wollte es definitiv professionell machen. Ich habe das sogar mit meiner Frau besprochen und mir ihre Zustimmung eingeholt. Ich wollte daraus eine Karriere machen. Ich weiß nicht, ob ihr euch mit dem Programm von Top Shelf auskennt – die veröffentlichen hauptsächlich schwarz-weiße Kunstcomics. The Surrogates war ihr erster Mainstreamcomic. Ich wusste also von Anfang an, dass wir mit einem Fuß im Grab und mit dem anderen in der Bananenschale standen. Es war ein Mainstreamcomic von einem Indieverlag. Wir hatten also weder die Reputation noch die entsprechende Leserschaft.
FP: Hattest Du nie die Absicht, ihn woanders zu veröffentlichen?
RV: Nein. Chris [Staros, Top-Shelf-Herausgeber] sagte mir ganz ehrlich: „Wenn Du den Comic woanders rausbringen willst, werde ich Dir andere Verleger vorstellen und sie werden Dir mehr Geld bezahlen. Aber dann wird der Comic nicht mehr Dir gehören oder zumindest nicht mehr so sehr Dir gehören oder Du wirst nicht so sehr kontrollieren können, was mit ihm geschieht, wie es bei Top Shelf der Fall wäre.“ Da ich die anderen Jobs und daDurch mein Einkommen hatte, brauchte ich das Geld halt nicht.
FP: Also liegen alle Rechte bei Dir?
RV: Ja. Ich habe nur die Veröffentlichungsrechte an Top Shelf abgetreten – für 300 Dollar. Das muss in etwa das sein, was damals für Superman bezahlt wurde.
FP: Du bekamst 300 Dollar und dann einen Anteil am Verkaufserlös?
RV: Richtig. Da ich mich für Top Shelf entschieden habe, besitze ich alle Rechte. Was auch immer mit dem Comic geschieht, ich bekomme meinen Anteil. Als der Film gemacht wurde, bekam ich das Geld; als die Lizenz für die deutsche Veröffentlichung vergeben wurde, bekam ich das Geld. Und ich verdiene Tantiemen an den verkauften Comics. Ich mag es persönlich auch nicht besonders, einen großen Honorarvorschuss zu bekommen. Ich möchte keinen großen Vorschuss bekommen und diesen dann abarbeiten. Das fühlt sich an, als ob man sich aus einem Loch freischaufeln muss. Ich bekomme lieber erstmal kein Geld in dem Gewissen, dass ich es zukünftig verdienen werde.
AV: Brett, als Dir Robert und seine Arbeit vorgestellt wurden, was überzeugte dich damals, den Comic zu zeichnen? Dachtest Du, dass die Geschichte Potenzial hat oder dass sie gut zu Deinem Zeichenstil passen würde?
BW: Ich wurde von Chris Staros kontaktiert und ich kenne ihn seit dem Studium.
AV: Also hast Du einfach seinem Urteilsvermögen vertraut?
BW: Ja. Ich hatte seit drei oder vier Jahren ein sehr gutes Arbeitsverhältnis zu Chris, und als er mir eines Tages eine E-Mail schickte und fragte, ob ich The Surrogates zeichnen würde, sagte ich gleich zu.
AV: Lasst uns mal über die Verfilmung reden. Ich kenne den Film noch nicht, habe aber gelesen, dass sich die Handlung vom Comic unterscheidet. Was hältst Du davon, Rob? Ihr wart ja beratend tätig, oder?
RV: Nicht so wirklich, ich möchte da nichts aufbauschen. Wir waren zwar involviert, aber das ging nur soweit, dass wir während der Produktion wussten, was gerade passiert. Wir haben mit dem Produzenten geredet, die Dreharbeiten besucht und sowas, aber wir hatten keinerlei Einfluss.
FP: Ihr habt also die Rechte an der Verfilmung komplett verkauft?
RV: Genau. Ich wollte damit nichts zu tun haben. Ich hab mir gedacht, wenn Leute ihre Zeit und Energie in meine Geschichte investieren wollen, dann sollen sie ihren Spaß haben und ihre Kreativität ausleben. Ich habe ja bereits die Geschichte genau so erzählt, wie ich sie erzählen wollte – im Comic. Wenn ich ein Drehbuch geschrieben hätte, das eingekauft und dann 47-mal umgeschrieben worden wäre – wenn es die ursrpüngliche Geschichte also nicht mehr geben würde -, dann wäre das natürlich was anderes. Aber so, wie es jetzt ist, ist mir die Filmumsetzung herzlich egal, sie ändert nichts.
AV: Nachdem Du den Film das erste Mal gesehen hast, hattest Du denn das Gefühl, dass er Deiner Geschichte gerecht wurde? Oder ist das einfach ein Film, der ein paar Ideen des Comics beinhaltet?
RV: Nein, auch der Film ist The Surrogates. Die Grundidee und ein Großteil der Figuren sind ja vorhanden. Harveys Ehe kommt im Film sehr gut rüber, was mir wichtig ist. Obwohl diese Szene im Comic nur so zehn Seiten lang ist, war es immer meine Lieblingsstelle. Das macht einfach das Menschliche in der ganzen Geschichte aus. Und diese Stimmung wurde perfekt übertragen.
AV: Auch wenn Bruce Willis Harvey nicht gerade ähnelt, so ist er doch die perfekte Besetzung, oder?
RV: Ja, das hab ich mir auch von Anfang an gedacht. Als ich 2002 an der Story saß, haben meine Frau und ich immer rumphilosophiert, wer bei einer Verfilmung geeignet wäre. Wir waren uns einig: Bruce Willis. Er ist wirklich perfekt für die Rolle.
AV: Hast Du ihn persönlich kennen gelernt?
RV: Ja, und Brett auch.
FP: Mit James Camerons Avatar kommt ja bald ein Film mit einer ähnlichen Thematik in die Kinos …
RV: Von dem habe ich noch nichts mitbekommen. Aber es gibt sowieso eine Menge an Filmen, die Ähnliches erzählen. Ich glaube, bestimmte Ideen haben einfach ihre Zeit. Wenn ich es richtig verstanden habe, dann erzählt Gamer eine ähnliche Geschichte. Nicht wie Surrogates, aber es geht wohl auch um ferngesteuerte Körper. Dann gibt es noch einen Film namens Sleep Dealer. Das ist ein Independentfilm aus den USA und er …
BW: Der ist doch aus Mexiko.
RV: Aber er wurde neu gedreht, oder? Wurde nicht der Namen geändert? (Rob und Brett diskutieren) Egal. Es ist ein mexikanischer Film, der auch in den USA gezeigt wurde. Es geht um mexikanische Immigranten, die … Also, man muss wissen, dass in den Staaten viele Mexikaner in der Landwirtschaft arbeiten. Es gibt da aktuell eine große Debatte über Immigration, das ist ein heißes Thema in der Politik. Also, in dem Film ist es so, dass die Mexikaner in Mexiko bleiben und Roboter steuern, die die landwirtschaftlichen Tätigkeiten in den Staaten verrichten. Hier geht es also auch um ein verwandtes Thema. Selbst die aktuellen Internetphänomene wie Second Life streifen es. Und in der Technik auch: In Schweden wird daran gearbeitet, dass Ärzte über einen ferngesteuerten Roboter Operationen in anderen Städten durchführen können … Wenn schon Tesla und Marconi unabhängig voneinander das Radio erfinden konnten, dann kann ja eigentlich fast alles gleichzeitig passieren.
AV: Du hast schon „Flesh and Bones“ in den Raum geworfen, den zweiten Band von The Surrogates, der aber vor dem ersten Band spielt.
RV: Ja, stimmt. Er ist 15 Jahre davor angelegt. Den hab ich (schaut Brett fragend an) 2008 geschrieben. Und er kam jetzt im Juli raus.
AV: Gibt es noch mehr Geschichten, die Du in dieser Welt spielen lassen willst?
RV: Ja, es soll noch drei weitere Bände geben. Ich hoffe, ich kann mit dem Nächsten im Dezember anfangen.
AV: Brett, wirst Du wieder mit von der Partie sein?
BW: Ja.
AV: Worum wird’s gehen?
RV: Das will ich noch nicht verraten. Brett ist der Einzige, der das Ende kennt. Wenn ich also irgendwelche Gerüchte darüber höre, dann weiß ich, wer geplaudert hat. (grinst Brett an)
AV: Wird das denn wieder eine Vorgeschichte sein?
RV: Nein nein. Es ist so: Erst der erste Band, dann das Prequel. Ich würde gerne zwei weitere Bände zwischen dieser Vorgeschichte und dem ersten Band machen. Und dann noch eine Story, die chronologisch nach dem ersten Band anzusiedeln ist.
FP: Das hört sich nach Star Wars an …
RV: Stimmt, ist etwas verwirrend. (lacht)
FP: Wie ist denn die Lesereihenfolge, wenn erstmal alle Bände veröffentlicht sind?
RV: Die bleibt so, wie die Bände erscheinen. Man muss wirklich zuerst den ersten Comic lesen, bevor man das Prequel liest. Dort reden Harvey und Marga über ihre Ehe und man sieht, welchen Einfluss die Surrogaten haben. In der Vorgeschichte zeigen wir dann, wie Marga ihren ersten Surrogaten mit nach Hause bringt. Für Harvey ist das sehr spannend – seine Frau sieht ja plötzlich komplett anders aus. Es ist fast so, als ob er mit einer anderen Frau zusammen wäre, obwohl es immer noch Marga ist. Das gibt einem ein merkwürdiges Gefühl, weil man ja schon weiß, was ihnen die Zukunft bringt. Deshalb ist die Reihenfolge wichtig.
AV: Brett, Du hast unter anderem auch Southland Tales gezeichnet. Autor ist Richard Kelly, den man hierzulande em ehesten als Autor und Regisseur von Donnie Darko kennen dürfte. Wie war denn die Zusammenarbeit mit jemandem, der vom Film kommt? Ich habe gelesen, dass er es ziemlich anstrengend fand, ein Comicskript zu schreiben.
BW: Er kommt zwar aus der Filmecke, wollte aber unbedingt Comics machen. Im Grunde hatte ich eine enorme Freiheit beim Arbeiten. Er drückte mir eher ein Film- denn ein Comicskript in die Hand. Als ich zum Projekt dazustieß, hatten die Dreharbeiten noch gar nicht begonnen; die Schauspieler wurden noch gecastet. Deswegen entstand der erste Band fast ohne den Film. Wir arbeiteten uns Schrit für Schritt heran; ich bekam Standaufnahmen vom Set und den Szenen zu sehen, so dass ich dies in den Comic einarbeiten konnte. Diese Vorgeschichte ist also sozusagen der Weg zum Film. Das war ein sehr interessantes Konzept. Es gibt nicht viele Geschichten, die im Grunde zwei Medien brauchen, um sie im Ganzen zu erfassen. Man kann sich zwar den Film anschauen, um den Großteil mitzubekommen. Aber erst durch den Comic erfährt man viele Hintergründe und bekommt die Charakterentwicklung der Figuren mit. Das ergänzt sich also.
Es war fantastisch, mit Richard zu arbeiten. Er ist ein toller Kerl mit klasse Ideen und immer offen für meine Vorstellungen der Umsetzung.
AV: Da Southland Tales ebenfalls eine dystopische Gesellschaft zeigt – magst Du so etwas, bist Du ein Genre-Fan?
BW: Jepp, total.
AV: Du arbeitest also bevorzugt in diesen Bereichen?
BW: Ja, absolut. Ob es nun Noir- oder Samurai-Geschichten sind … Es gibt immer eine Sicht, die ich auf bestimmte Genres habe und die ich dann anwende.
FP: Rob, unterscheidet sich die Cross-Cult-Version von The Surrogates von der US-Version und wie findest Du sie? [Abbildung rechts: limitierte Variantcover-Ausgabe von Cross Cult]
RV: Die ist spitze! Ist natürlich der gleiche Comicinhalt, aber es ist zusätzlich ein Interview mit uns enthalten. Das Format ist identisch oder zumindest sehr ähnlich. Und Hardcover sind eh toll.
Es ist eine unglaubliche Erfahrung, dass mehrere Verlage meinen Comic in einer anderen Sprache veröffentlicht haben. Ich bin da sehr dankbar für. Ihn in einer anderen Sprache zu sehen – das gibt Dir das Gefühl, etwas Besonderes zu sein …
AV: Dann könnt Ihr ja den Comic auf Deutsch laut lesen – und müsstet dabei wahrscheinlich laut lachen …
BW: (lacht) Das würden wir noch nicht mal versuchen.
RV: Neben der englischen Ausgabe gibt es sechs weitere: französisch, spanisch, deutsch, portugiesisch, italienisch und belgisch [vermutlich flämisch].
AV: Habt Ihr denn alle zu Hause stehen?
RV: Nein, aus dem einfachen Grund, dass die meisten erst in den nächsten Wochen erscheinen. Die deutsche Version habe ich heute zum ersten Mal gesehen.
FP: Ich hab mir mal das erste kostenlose Kapitel von The Surrogates aufs iPhone heruntergeladen. Das bringt mich zu der Frage, was Ihr von digitalen Comics haltet. Ist das okay für Euch, Euren Comic auf so einem kleinen Bildschirm zu sehen oder würdet Ihr es lieber sehen, wenn die Leute ihn auf Papier lesen?
RV: Wir haben mit vielen Firmen über die Umsetzung fürs iPhone gesprochen. Letztendlich hat uns iVerse überzeugt, weil sie sich an das Statische des Comics gehalten haben. Es ist kein Motion Comic, zum Beispiel kommen die Sprechblasen nicht aus den Mündern oder so etwas. Es gibt keine Wartezeiten, weil irgendwelche Gimmicks geladen werden müssen. Unsere Version ist sehr schnell. Man bestimmt selber das Lesetempo und es sieht immer noch wie ein Comic aus. Wenn man Bewegung in etwas reinbringt, ist es halt ein Film, nicht mehr ein Comic.
Was ich sehr interessant finde: Man nimmt sich dabei ja einer Geschichte an, die für Seiten konzipiert wurde. Die schneidert man neu zurecht und hat dann einen anderen Blickwinkel drauf. Wenn man einen Comic schreibt, dann bezieht dieser seinen Reiz unter anderem aus dem Spiel mit dem Umblättern von Seiten und dem Überraschungsmoment. Davon geht dann halt ein Großteil verloren in der Version für die kleineren Bildschirme. Was doch wirklich interessant wäre, wenn Comics für das iPhone geschrieben werden würden und dann vielleicht später in den Druck gehen. Wenn es also den iPhone-Comic zuerst gibt, wie würde der aussehen? Und wie würde man mit Mitteln umgehen, die der Printcomic in Form von Seitenumbrüchen hat? Ich bin technisch nicht versiert genug, um darauf Antworten zu haben, aber ich finde das Thema sehr interessiert. Es ist klasse, dass es Surrogates als digitale Version gibt.
FP: Also seid Ihr nicht unglücklich damit …
RV: Nein, nein. Das wäre ja nie umgesetzt worden, wenn wir die Verträge nicht unterschrieben hätten.
AV: Brett, hattest Du das Gefühl, dass Dir Dein Seitenlayout zerpflückt wird? Das ist ja doch eine ganz andere Art des sequentiellen Lesens …
BW: Einen gewissen Unterschied gibt es schon. Meine Seiten sind aber relativ einfach auseinanderzunehmen. Das Layout ist bewusst zurückgenommen, beinahe retro angehaucht. Zum Beispiel benutze ich fast ausschließlich viereckige Panels. Mir geht’s eher darum, was in den Paneln passiert. Bei diesen ganzen unterschiedlichen Formen und den verrückten Designideen, die man heutzutage in vielen Comics sieht, wüsste ich gar nicht, wie das zusammenpassen würde.
Das iPhone ist sicherlich ein interessantes Medium, und auf die ihm ganz eigenen Storytelling-Ideen können wir uns sicher freuen. Und dann kommen gerade ja auch die ganzen E-Book-Reader raus, die vom Kindle inspiriert wurden. Mit Sicherheit wird es Veröffentlichungen geben, die speziell für diese Geräte entworfen wurden. Eine spannende Sache.
FP: Na ja, viele Leute sagen ja, dass sie die Haptik von Papier für Ihren Lesegenuss brauchen, was ich nachvollziehen kann.
RV: Ja, mir geht es so. Andererseits frage ich mich … Na ja, unsere Kinder wachsen in dieser Welt auf. Für sie ist das eine ganz andere Welt als für uns. Diese Thematik ist sicherlich auch eine Generationenfrage.
FP: Kannst Du Dir vorstellen, auch mal Webcomics zu machen, die später als Sammelbände gedruckt und verkauft werden?
RV: Persönlich werde ich den Printcomics treu bleiben. Vielleicht bleibe ich irgendwann einsam zurück, während all die Neulinge erfolgreich an ihrem Internetkram arbeiten, wer weiß …
Die Zuda-Seite [von DC Comics] ist ganz okay. Leider erzählen die wenigsten Beiträge Geschichten. Meistens sind es nur Cartoons oder Comicstrips.
AV: Was sind denn Eure Pläne für die Zukunft? Ich nehme an, dass jeder von Euch aktuell eigene Veröffentlichungen hat?
RV: Gerade am Mittwoch kam ein One Shot für Iron Man von mir raus. Den habe ich noch gar nicht gesehen, weil ich unterwegs bin. Aktuell arbeite ich an einer Adaption von Percy Jackson & The Olympians. Der wird verfilmt, und ich schreibe vom Buch eine Umsetzung als Comic. Und dann soll es ja bald mit dem neuen Surrogates-Band losgehen.
BW: Zusammen mit dem Autoren der Image-Serie Olympus [Nathan Edmondson] arbeite ich an einer Horror-Miniserie. Das geht so in Richtung John Carpenter, also ziemlich geradeheraus.
AV: Wann geht’s los?
BW: Weiß ich noch nicht.
AV: Percy Jackson gehört doch Disney, oder?
RV: Teils. Der Film nicht. Aber die Bücher; die sind von Hyperion, und das gehört zu Disney. Sie kannten aber The Surrogates gar nicht. Als ich mich mit dem zuständigen Redakteur getroffen habe, wusste er gar nichts darüber. Das war im Februar, es waren also noch nicht mal Trailer draußen. Ich habe den Job also nicht dank The Surrogates bekommen.
FP: Wenn Ihr die Wahl hättet, dann würdet Ihr aber doch nur noch Eure eigenen Comics machen, oder?
RV: Nicht wirklich. Wenn man für die Verlage arbeitet, dann erhält man einen netten Scheck, der einem durch die Zeiten hilft, in denen man an seinem eigenen Kram sitzt. Dafür bekommt man ja kaum Vorschuss. Dieses Gleichgewicht gefällt mir.
FP: Wie siehst Du das, Brett?
BW: Ich mache auch beides. Auch viel im Lizenzgeschäft.
FP: Und das macht Dir nichts aus?
BW: Nein. Es kommt ganz einfach auf den Stoff an und den Lizenzgeber. Bei manchen ist es sehr schwierig, Dinge abgenickt zu bekommen. Aber wenn es ein sehr entspanntes Arbeitsumfeld ist, dann habe ich keine Probleme damit. Ich mag’s sogar.
RV: Ich finde es sogar auf eine gewisse Art befreiend, weil man nicht das Gefühl hat, das eigene Baby in der Hand zu halten. Bei The Surrogates hatte ich ständig das Gefühl „Ich will das jetzt nicht gegen die Wand fahren!“ Wenn man an dem geistigen Kind von jemand anderem arbeitet, dann kann man im schlimmsten Fall nur diesen Job verlieren.
Comicgate: Rob und Brett, vielen Dank, dass Ihr Euch Zeit für uns genommen habt, obwohl Ihr vor wenigen Stunden erst in Frankfurt gelandet sein. Wir wünschen Euch noch eine schöne Signiertour durch Europa!
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Rezension auf Comicgate
Cross Cult (Verleger der deutschen Ausgabe von The Surrogates, mit Leseprobe)
Video-Trailer zu „The Surrogates: Flesh & Bone“
Brett Weldeles Website
Fotos © F. Pfeiffer/comicgate.de