Interviews

Interview mit Marc Hempel (OmU)

Wir bieten Euch das Interview im Original auf Englisch und übersetzt auf Deutsch an.

Für das Originalinterview bitte hier klicken – please click here for the English version.

Comicgate: Du hast Gregory vor über zehn Jahren erschaffen. Was ist das für ein Gefühl, wenn du diese Figur heute betrachtest?

Marc Hempel (c) José Villarrubia at insightstudiosgroup.com Marc Hempel: Eigentlich ist es sogar fast 20 Jahre her, als ich die Arbeit am ersten Buch begann! Gregory ist eins meiner „Kinder“, und ein sehr besonderes … also wird er mir immer nahe am Herzen liegen.

CG: Offensichtlich ist Gregory ein Kind, trotzdem wird sein Alter, sein Hintergrund an keiner Stelle erwähnt; demnach ist er gewissermaßen ein anonymes menschliches Wesen. Gab es einen besonderen Grund, Gregory so zu erschaffen, wie er ist, oder war die Idee eines Kindes mit dreieckigem Kopf in Zwangsjacke einfach Teil deines Planes, den Wahnsinn auf die Spitze zu treiben?

MH: Gregory trat das erste mal in der ursprünglichen Version von „It’s Spring!“ auf, damals noch als größerer, schlaksigerer Erwachsener (mit runderem Kopf). Das war ca. 1987 in Honk!, einem humoristischen Magazin von Fantagraphics. Ich mochte die Story und die Figur an sich, aber über diesen Auftritt hinaus gab es keine weiteren Pläne. Aber ich war dadurch mit dem Charakter vertraut genug, um weitere Storys für ihn zu schreiben und ihn auch optisch weiter zu entwickeln. Über die Zeit wurde er kleiner, runder und süßer, weil ich merkte, dass das Gefühl von Geringschätzung und Machtlosigkeit in dieser Form am besten rüberkommt.

Seite aus Gregory 1CG: War es von Anfang an deine Absicht, Herman Vermin komplette Kapitel und Stories zu widmen, in denen Gregory kaum eine Rolle spielt, oder entwickelte sich die Figur dahingehend?

MH: Herman wurde erst ein paar Storys nach Beginn entwickelt und war als zynischer, bitterer Kontrapunkt zu Gregorys unschuldigem Wesen gedacht. Zum Spaß entschied ich, dass der zweite Band ein alleiniges Herman-Projekt werden sollte (oder beinahe zumindest …). Aber hauptsächlich ist er dazu da, um als Gregorys Sidekick zu fungieren.

CG: Es scheint, als wäre dein Interesse in manchen Episoden mehr an Herman Vermin als an Gregory gelegen. Oder an der Darstellung der Außenwelt. Wie wichtig ist Gregory überhaupt für die Erzählungen?

MH: Nun, als ich zu den späteren Storys kam, gingen mir die Ideen für einen einfachen, fast stummen Charakter aus … Also interessierte ich mich mehr für Herman und Wendell, die tatsächlich in der Lage sind, miteinander zu interagieren … und für Geschichten über Familienkonflikte und komplexere Beziehungen. Hätte ich je ein fünftes Gregory-Buch gemacht, wäre es durchaus möglich gewesen, dass Gregory selbst darin gar nicht aufgetaucht wäre! Nachdem ich für Sandman gezeichnet hatte, widmete ich mich im Anschluss meiner nächsten „Familie“, Tug & Buster.

Seite aus Gregory 2CG: In der zweiten deutschsprachigen Ausgabe findet sich ein Beitrag, den du dafür erstmals koloriert hast. Gregory erforscht darin die Welt außerhalb der Anstalt. Bist du zufrieden mit dem Ergebnis? Glaubst du, dass die Serie komplett in Farbe für dich und die Leser hätte funktionieren können?

MH: Genau so sollte die Story „Out“ von Anfang an sein — also ja, ich bin ziemlich zufrieden mit dem Ergebnis. Damals, das war 1993, wollte DC die Kosten für den Farbdruck nicht übernehmen (obwohl sie zuvor zustimmten), also erschien stattdessen eine recht witzlose s/w-Version der Story. Die war zwar immer noch lesbar, aber die teilweise Kolorierung, die ursprünglich geplant war, sollte eben den wichtigsten Punkt der Geschichte ausmachen – um die Unterschiede zwischen Gregorys subjektiver Wahrnehmung der Außenwelt und der Realität zu unterstreichen. Nun, es hat 14 Jahre gebraucht, aber jetzt liegt „Out“ endlich so vor, wie es sein sollte (zumindest für die glücklichen Leser der deutschsprachigen Ausgabe).
Gregory komplett farbig? Ich wüsste nicht warum, da es das Material nicht witziger oder pointierter machen würde. In Gregorys trister, kleiner Welt gibt es sowieso nicht viel Farbe … also für mich wäre das nur unnötige visuelle Information. Zudem könnte man sagen, dass diese Art von Humor in einer schlichteren s/w- Anordnung besser funktioniert.

Seite aus Gregory 2CG: Ich hab gelesen, dass Gregory in gewisser Weise autobiografisch ist. Inwieweit stimmt das Gefühl der Isolation und des Unverständnisses der Figur mit deiner persönlichen Kindheitserfahrung überein? Welche Teile deines Lebens finden sich in den Büchern wieder?

MH: Ich hatte eine traumatische Kindheit, die bewirkte, dass ich gegenüber anderen Menschen sehr zurückhaltend und misstrauisch bin. Und ich habe seitdem mit geringem Selbstbewusstsein und einem Gefühl der Machtlosigkeit zu kämpfen. Gregory (das Buch und die Figur) ist ein Ausdruck dieser Gefühle … von der Angst vor der Außenwelt und der inneren Freude, die das Leben auch unter den schwierigsten Umständen lebenswert macht.

Seite aus Gregory 2CG: Wie reagierten die Menschen in den USA auf Gregory?

MH: Das erste Buch bekam viele überschwängliche Kritiken – und die Verkäufe waren auch nicht schlecht (zwei Auflagen mit insgesamt 25.000 Exemplaren). Es war außerdem nominiert für ein paar Eisner- und Harvey-Awards. Die nachfolgenden Ausgaben waren hinsichtlich der Verkaufszahlen nicht ganz so erfolgreich … aber insgesamt war die Resonanz auch in den darauf folgenden Jahren extrem positiv, was natürlich sehr erfreulich ist. Ich meine, an wie viele Comics von 1989 erinnern sich die Leute mit derartiger Wertschätzung, wenn sie sich überhaupt an welche erinnern können?

CG: Ist dir irgendein Projekt bekannt, das sich mit Gregory vergleichen ließe? Vielleicht außerhalb der Comics?

MH: Hmm … Gregory ist einzigartig, vermutlich weil ich selbst einzigartig bin. Ich bin mir sicher, dass es andere Künstler gibt, die ihre persönliche Realität mittels Parabeln und Symboliken ausdrückten … aber mir fiele nichts ein, was sich mit Gregory exakt vergleichen ließe. Meine Einflüsse sind Comicstrips wie Peanuts, Pogo und Barnaby… man kann also Elemente von Gregory in diesen frühen Werken wiederfinden, obwohl darin zugegebenermaßen die intensive persönliche Komponente nicht diesen großen Stellenwert einnimmt.

www.cross-cult.de (Verleger der deutschsprachigen Gregory-Bände, mit Infos und Leseproben)

Marc Hempels MySpace-Seite (englisch)

ausführliche Hempel-Biografie (englisch)

Bibliografie (englisch)

Foto Marc Hempel (c) José Villarrubia at insightstudiosgroup.com
Bildquellen: cross-cult.de
Gregory ist © von Marc Hempel und Cross Cult (dt. Ausgabe)

 

 

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Comicgate: You created Gregory more than ten years ago. How do you feel if you look at this character today?

Marc Hempel (c) José Villarrubia at insightstudiosgroup.com Marc Hempel: Actually, it's been nearly twenty years since I started work on the first book! Gregory is one of my „children,“ and a very special one… so he'll always be close to my heart.

CG: Obviously, Gregory is a little kid, although his age and his background aren't mentioned at all, so he's like an anonymous human being. Was there any special reason for creating Gregory as he is or was a kid with a triangular head in a straitjacket just part of an attempt to push the madness as far as you can?

MH: Gregory began life in the first version of „It's Spring!,“ as a taller, lankier adult (with a rounder head). This was in Honk!, a Fantagraphics humor magazine, ca. 1987. I liked the story and then-nameless character, but there were no plans to go beyond this one appearance. Well, I was drawn to the character enough to write more stories for him, and also to develop him visually. He became smaller, rounder, and cuter over time, as I felt he expressed smallness and powerlessness better in that form.

page from Gregory 1 (German version) CG: Was it your intention from the beginning to write complete chapters and stories about the rat Herman Vermin and nearly without Gregory or was the character still in progress?

MH: Herman was created a few stories later, and was intended to be the cynical, acerbic counterpoint to Gregory's innocence. For the fun of it, I decided to make book two an all-Herman project (or mostly, anyway) … but he's mainly there to function as Gregory's sidekick.


CG: To me, it seems that in some episodes you were more interested in Herman Vermin, and in the outside world, respectively,
than in Gregory. How important is Gregory for the stories, anyway?

MH: Well, by the time I got to the later stories, my ideas for a simple, non-verbal character were running out … so I became more interested in Herman and Wendell, who could actually interact … and in writing stories about family conflicts and more complex relationships. There's a good chance that, had I ever done a fifth book, Gregory himself may not have even appeared! Thusly, after drawing The Sandman, I moved on to my next „family“ of characters, in Tug & Buster.

page from Gregory 2 (German version)CG: There is a story you colored exclusively for the second German book in which Gregory discovers the world outside the asylum. Are you content with the result? Do you think coloring all stories of Gregory would had worked for you and the readers?

MH: This is how the story „Out“ was intended to appear–so, yes, I was quite happy with the results. Back in 1993, DC Comics wouldn't foot the bill for the color printing (after initially agreeing to do so), so a somewhat pointless black and white line version appeared instead. While it was still readable, the planned partial coloring was the main point of the story–there to underscore the differences in Gregory's subjective perception of the outside world versus xobjective reality. Well, it took fourteen years, but „Out“ finally works the way it's supposed to (for lucky German readers, anyway).
A full color Gregory? I don't see the point, as it wouldn't make the material any funnier or more poignant. And there's not much color to Gregory's drab little world, anyway … so, to me, it would just be gratuitous visual information. Also, arguably, this type of humor tends to work better in a simpler, black and white treatment.

page from Gregory 2 (German version)CG: I've read Gregory is in some way autobiographical. How did the isolation and the misunderstanding of the character agree with your own child-experience? Which parts of you can be found in the books?

MH: I had a traumatic childhood which resulted in me becoming very withdrawn and mistrusting of people. And I've struggled with low self-esteem and feelings of powerlessness ever since. Gregory (both the book and character) is an expression of those feelings … of fear of the outside world, and of the inner joy that makes life worth living even under the worst of circumstances.

page from Gregory 2 (German version)CG: How are the reactions on Gregory in the United States?

MH: The first Gregory book received a lot of rave reviews–and healthy sales as well (two printings totalling 25,000 copies). It was also nominated for a few Harvey and Eisner Awards. The subsequent volumes didn't do quite as well in terms of sales … but overall the reaction has been extremely positive in the ensuing years, which of course is very gratifying. I mean, how many comics from 1989 are fondly remembered, or even remembered at all?

CG: Is there any kind of project you know that is like Gregory? Not necessarily a comic…

MH: Hmm … Gregory is unique, mainly because I'm unique. I'm sure there are other creators who have expressed their inner realities via parables and symbolism … but nothing comes to mind that resembles Gregory in any significant way. My influences include comic strips like Peanuts, Pogo, and Barnaby … so you can see elements of Gregory in those earlier works, though (arguably) without the intensely personal focus.

RELATED LINKS:

cross-cult.de (publisher of the German version of Gregory, including example pages for book 1 and 2)

Marc Hempel on MySpace

Marc Hempel's biography

Bibliography

picture of Marc Hempel (c) José Villarrubia at insightstudiosgroup.com
image sources: cross-cult.de
Gregory is © Marc Hempel, and Cross Cult (German version)