Interviews

Interview mit Levin Kurio

Schon seit über 20 Jahren macht Levin Kurio Comics im selbstgegründeten Weissblech-Verlag. Im letzten Jahr bekam er dafür den Sonderpreis der Jury beim ICOM Independent Comic Preis. In der Laudatio heißt es: „Aus seinem Faible für Trash und Schundcomics hat er nie einen Hehl gemacht. Trotzdem sind seine Veröffentlichungen schon seit mindestens einem Jahrzehnt absolut professionell und ergo mittlerweile sogar an fast jedem Bahnhofshandel zu finden – und immer noch von ihm im Alleingang mit Hilfe fantastischer Mitarbeiter zusammengestellt.“

Stefan Svik hat Levin Kurio per E-Mail befragt und sich mit ihm über seine Comics und seinen Verlag unterhalten.

 

Levin KurioComicgate: Woher kommt der Name Weissblech Comics? Ist das WC-Logo eine Anspielung auf das Groschenheft-Image, mit dem Comics in Deutschland zu kämpfen haben, quasi Klolektüre?

Levin Kurio: Nein, so kompliziert ist es nicht – WC ist schlicht die Abkürzung für den Namen WEISSBLECH Comics. Der ist eher ein Zufallsprodukt … oder ausführlicher: so vor rund zwanzig Jahren brauchte ich einen Titelkopf für ein kleines Kopierheftchen. Vorher hatte ich mit relativ viel Sorgfalt einen Schriftzug für eine Art Schwermetall-Satire (oder was man so mit 13 darunter versteht) gezeichnet, den habe ich abgeschnitten und auf die Vorlage geklebt. Das war das allererste Weissblechheft. Der Doppel- bis Dreifachsinn hinter den Namen Weissblech Comics (Der Bezug auf Bierdosenblech war zeitweilig auch eine beliebte Interpretation) wurde später billigend in Kauf genommen. Natürlich überlege ich manchmal, ob ein anderer Verlagsname heuer nicht vielleicht besser oder passender wäre, aber irgendwie hat’s ja auch was.

 

Du bist Autor, Zeichner und Verleger. Wann schläfst Du mal? Wie viele Stunden arbeitest Du pro Woche?

Ich weiss nicht, wieviele Stunden in der Woche ich arbeite, aber es ist viel. Trotzdem schlafe ich vorzugsweise nachts.

 

WC-Comics gibt es im Internet, im Comic-Shop, am Bahnhofskiosk und direkt bei Euch zu bestellen. Welcher Vertriebsweg ist besonders wichtig für WC?

Eigentlich sind sie alle wichtig, und ich möchte nicht auf einen der Vertriebswege verzichten müssen.

 

Cover XXX-Comics 13Ich hatte mich dieses Jahr mal intensiver mit Altersempfehlungen und Zensur bei Comics beschäftigt, wohl auch wegen des Amok-Laufs bei der US-Premiere von Dark Knight Rises, den viele ja wohl eher mit dem Film als mit den Comics verbinden und sinnvollerweise auch eher Stimmen nach strengeren Waffengesetzen laut wurden statt es wieder auf Medienkonsum zu schieben wie bei Columbine oder Erfurt. Dürfen Eure „ab 18“-Comics ganz regulär im Comicshop gekauft werden?

Ja, natürlich! Man darf die Situation in den USA auch auf keinen Fall mit der hierzulande gleichsetzen, da gibt es himmelweite Unterschiede, die zu erläutern mir jetzt allerdings zu weit ginge, und da meine ich nur die Situation in Bezug auf Altersbeschränkungen bei Medien. Nur soviel: Grundsätzlich kann man hier alles verkaufen, solange sichergestellt ist, dass – in dem Falle der „Ab 18!“- Titel – keine Jugendlichen darauf Zugriff haben. Unsere „Ab 18!“ Titel sind ohnehin nicht wegen extremer Gewaltdarstellungen altersbeschränkt, sondern wegen ihrer explizit pornographischen Inhalte, und die haben mit Amokläufen ja nun nicht so viel zu tun.

 

Sind die Horrorschocker eine Hommage an EC-Comics und Creepy? Ich finde, manches könnte ruhig noch gruseliger sein, aber Dir ist Humor auch sehr wichtig, oder?

Cover Horrorschocker 30Ich würde eher sagen, Horrorschocker ist einfach auch eine Horroranthologie wie die genannten und benutzt die üblichen Genrestilmittel. Wenn’s nur eine Hommage wäre, hätte das Ganze wohl nicht schon über 30 Ausgaben getragen. Mit dem Grusel ist das immer so eine Sache, das hängt auch davon ab, was man darunter versteht. Splatter zum Beispiel ist nicht unbedingt mein Ding, schon deshalb, weil es unglaublich schwierig ist, damit glaubhafte Geschichten zu erzählen. Ich meine, es tut schon sauweh, wenn man sich mit einem Hammer auf den Daumen haut, deshalb kann ich mir nicht vorstellen, dass irgendwer einen klaren Gedanken fassen kann, wenn er an eine Foltermaschine à la Saw angeschlossen ist. Zumal dann immer die Frage ist: Wie ist der Betreffende in so eine Situation gekommen?! Letzten Endes ist mir immer am wichtigsten, eine in sich logische Geschichte zu haben, auch wenn der Horroreffekt nur eine Seite betrifft. Bei EC oder bei Creepy war es oft nur ein einziges Bild, aber das wird gerne vergessen, da nur die extremen Geschichten gesehen werden. Humor ist mir schon deshalb wichtig, weil es einfach Spaß macht, so etwas zu schreiben …

 

Über die Titel wie „Schlüpfer-lüpfende Manga-Schlampen“ musste ich laut und herzlich lachen! Magst Du keine Mangas?

Naja, der genannte Titel ist eine Veralberung, die mit den Klischees und Vorstellungen spielt, welche Nicht-Mangaleser von Mangas haben. Die Satire richtet sich eher gegen die Billigvertreter der comicähnlichen Produkte in Mangaoptik … Ich habe zur Recherche damals etliche Werke gelesen, die zielgruppentechnisch meilenweit an mir vorbei gehen, und ich fand’s logischerweise teilweise grotesk scheiße, zum Beispiel die aus Animation-Stills zusammengefummelten „Mangas“ zu bestimmten TV-Serien. Dass diese Sachen der Gattung Manga nicht ganz gerecht werden, ist mir allerdings bewusst.

 

Sind Stan Lee, Steve Ditko und Jack Kirby Vorbilder für Dich?

Ja. Obwohl … mit Steve Ditko bin ich nie so ganz warm geworden. Aber ich finde seine kauzige Eremitennummer sympathisch.

 

In einem Deiner Comics gibt es eine Anspielung auf das vermeintlich dumme Medium Fernsehen. Lehnst Du das Fernsehen komplett ab und scheidet das somit als Inspiration für Deine Comics aus?

Äh … nein?! Ich finde Fernsehen toll … natürlich wäre es mir am liebsten, wenn man Fernsehen, Internet, Radio, am besten überhaupt alle anderen Medien außer Comics abschaffen und dann komplett vergessen würde, dass es sie je gegeben hat. Dann würde die Comicbranche sicher einen Sprung nach vorne machen.

 

Wirst Du außerhalb von Messen mal auf Signiertour gehen?

Vorläufig eher nicht. Das ist unheimlich zeitaufwendig und anstrengend, und ich verwende meine Energien lieber darauf, neue Comics zu machen.

 

Welten des Schreckens – Ausgabe zum Gratis-Comic-Tag 20132013 gibt es wieder einen Gratis Comic Tag. Wie sind Deine bisherigen Erfahrungen damit?

Die sind sehr positiv – bei den bisherigen GCTs habe ich viele Neuleser gewinnen können. Die Bestellmengen im Comicfachhandel haben klar zugenommen. Und bei den Signieraktionen war auch sehr viel los …

 

Ist der GCT ausreichend oder hättest Du Ideen und Wünsche für andere Aktionen, um Verlage wie Weissblech bekannter zu machen?

Naja, man kann nie genug machen. Was mir wirklich fehlt, ist ein Vertriebskatalog für den Endkunden, wie es ihn früher mit dem Graphic Attack-Katalog vom Modern Graphics-Vertrieb gegeben hat – und bei dem wohl der Previews Pate gestanden hat. Ein Katalog also, über den sich der Leser über das gesamte deutschsprachige Programm informieren kann, dass er dann gegebenenfalls direkt bei den Händlern kaufen oder bestellen kann. Aber verständlicherweise haben weder die Vertriebe (denen das zu teuer ist) noch die großen Verlage (die schon ihre eigenen Kataloge haben) daran wirklich Interesse.

 

Du hast Dich mit etwas Sarkasmus über Graphic Novels geäußert. Manchmal hat man das Gefühl: da zeichnet jemand besonders schlicht, verkauft es zum doppelten Preis, der für einen Comic verlangt werden kann und wird dafür über Gebühr von der Kritik gefeiert. Fühlst Du Dich als Zeichner da etwas veralbert, weil Deine Mühe nicht genug gewürdigt wird?

Das mit den schlicht gezeichneten Comics zum doppelten Preis hast Du jetzt gesagt. Ich fühle mich nicht veralbert, aber der heilige Ernst, mit dem GNs als Nicht-Comics vermarktet werden, fordert seinerseits zur Veralberung heraus, und veralbern ist etwas, das Comics sehr gut können. Deshalb hab ich’s gemacht, sofern es die Geschichte in WWC #20: „Schauriger Schund“ ist, auf welche Du anspielst. Ich freue mich allerdings auch darüber, dass durch die GNs plötzlich sehr viele deutschsprachige Zeichner zum Zug kommen; zumindest habe ich das Gefühl, dass da mehr geht als je zuvor. Vom Prinzip her ist es mir egal, ob Manga, Graphic Novel oder wie auch immer die Sache benannt wird: Es sind alles Comics.

 

verleger kleinDeine sehr selbstironischen Verleger-Comics, in denen es um die Konflikte mit den Künstlern geht, finde ich sehr lustig! Die erinnern ein wenig an den Zwist zwischen Verleger und Redakteur im MAD-Heft unter Herbert Feuerstein – war das eine Inspiration für diese Idee?

Das Feuerstein-MAD war klasse und hat mich sehr geprägt. Kann also sein, dass etwas von der Idee daher kommt. Grundsätzlich war der Verleger mal dazu gedacht, (ich sage mal) „unpopuläre“ verlegerische Entscheidungen humorvoll zu kommunizieren. Das hat sich dann mit der Zeit verselbstständigt.

 

Welche Comic-Klassiker magst Du am liebsten und welche aktuellen Comics liest Du gerne?

Ganz aktuell lese ich gerade Fighting American von Simon und Kirby. Eine spaßige Sache, man merkt, dass den beiden ihr beinharter patriotischer Ansatz immer mehr entgleitet und schliesslich so übertrieben ist, dass es zur Satire wird. Im Moment kommen so viele Nachdrucke von uraltem Zeug, dass ich mich gar nicht so sehr mit aktuellen Comics beschäftige. Ich lese regelmäßig einige Webcomics und das COMIX von JNK, das war es im Moment auch schon.

 

Kommt bei Deiner Arbeit der Computer viel zum Einsatz?

Ziemlich viel, denn für Colorierung, Lettering, aber auch für die Buchhaltung und die Verwaltung ist der Kasten unverzichtbar. Daher behalte ich mir vor, die Zeichnungen selbst noch analog anzufertigen.

 

Wie war das vergangene Jahr für Deinen Verlag?

2012 war ein wirklich gutes Jahr, und auch 2013 läuft nicht schlecht an …

 

Cover Welten des Schreckens 6Was waren Deine persönlichen Top-3-Comics 2012 (egal ob eigene oder von anderen Verlagen)? 

Uff, da war einfach zuviel, was auf die eine oder andere Art gut war. Mein hauseigener Favorit war unsere Welten des Schreckens-Alien-Invasions-Ausgabe.

 

Was dürfen die Leser von WC 2013 erwarten?

Vor allem den Fortgang der Serien, es gibt neue Ausgaben von Horrorschocker, Welten des Schreckens und von XXX-Comics. Im Moment haben wir ziemlich viele Geschichten in Arbeit …

 

Vielen Dank für das Interview!