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Interview mit Joscha Sauer

Nicht nur wir feierten 2010 unser zehnnjähriges Jubiläum, auch Joscha Sauer kann mit seinem Cartoonreich Nichtlustig mittlerweile auf eine Dekade zurückblicken. Irgendwas hat er richtig gemacht: Joscha gehört zu den ganz wenigen Comiczeichnern in Deutschland, die von ihren Eigenkreationen leben können. Wir unterhielten uns telefonisch mit ihm Mitte Oktober 2010, kurz nach der Frankfurter Buchmesse und dem Erscheinen des fünften Nichtlustig-Bandes, über Freud und Leid von Popularität, seinen Auftritt bei TV Total, Geschäftssinn, warum Manga für die ganze Comicszene gut sind und was uns noch alles von ihm erwartet. Oder auch nicht.

 

Comicgate: Hallo Joscha, jetzt ist gerade die Buchmesse in Frankfurt herum und Du warst jeden Tag vor Ort für Interviewtermine und zum Signieren. Bist Du nun erleichtert, dass es vorbei ist?

Joscha Sauer signiert Nichtlustig 5 auf der Frankfurter Buchmesse 2010Joscha Sauer: Erleichtert wäre das falsche Wort. Ich bin trotzdem ganz froh, dass es jetzt rum ist. Allerdings weniger, weil mir die Anstrengung so zusetzt, sondern mehr, weil es einen so rausreißt aus dem, was man gerne machen würde oder woran man eigentlich gerade arbeitet. Es ist zwar immer ganz schön zu signieren; auch die Signiertour, die jetzt ansteht, da ist es auf der einen Seite immer ganz toll, wenn man den direkten Kontakt mit den Leuten hat, die meine Sachen lesen und meine Bücher kaufen, aber auf der anderen Seite bedeutet das natürlich wieder viel Rumgereise und dass man nicht zu sonderlich viel anderen Sachen kommt. Und das finde ich sehr schade. Ansonsten war es sehr entspannt bei mir auf der Buchmesse. Das Signieren laugt so ein bisschen aus, vor allem habe ich das jetzt sehr lange am Stück gemacht. Am Samstag habe ich fast sieben Stunden am Stück signiert, und danach ist man dann natürlich ein bisschen gematscht. Aber da regeniert man sich sehr schnell wieder.

 

CG: Bei sieben Stunden Signieren … zeichnet man dann irgendwann immer das Gleiche?

JS: Nö, ich versuche schon, sehr individuell auf die Wünsche der Leute einzugehen, die bei mir in der Schlange stehen. Teilweise warten die ja auch drei Stunden, bis sie dann endlich dran sind. Und dann frag ich natürlich, ob ich ihnen was Bestimmtes zeichnen soll. Neben Lemming- oder Yeti-Wünschen haben die zum Teil sehr spezielle Vorstellungen., bei denen ich mir dann komplett neue Sachen überlegen muss. So was wie „Kannst Du irgendwas machen mit einem Ninja und einer Petunie?“ [lacht] Gott sei Dank hat da nicht jeder so spezielle Wünsche. Denn sich für zwei-, dreihundert Leute jedes Mal etwas komplett Neues zu überlegen, wäre ja schon etwas schwierig. Aber das ist in dem Moment so Impro-Comedy und funktioniert auch sehr gut. Wenn man sich innerhalb von ein paar Sekunden tatsächlich irgendeinen Gag überlegen muss … Und ansonsten gibt es halt ein Standardrepertoir an ungefähr 50 verschiedenen Motiven, die ich dann wirklich ab und an mal wiederhole, dass aber trotzdem die Leute genau das bekommen, was sie wollen, wenn sie sagen, sie hätten gerne was mit einem Yeti oder einem Lemming, so dass ich mir nicht andauernd was Neues ausdenke.

 

CG: Verständlich. Ich glaube, das würde auch gar nicht anders funktionieren.

JS: Ja. Die Leute geben mir auch immer wieder zu verstehen, wie sehr sie sich darüber freuen und dass es sich gelohnt hat, jetzt mehrere Stunden angestanden zu haben.

 

CG: Bei wem würdest Du so lange anstehen oder hast es vielleicht schon getan?

Signierschlange bei Joscha Sauer auf der Frankfurter Buchmesse 2010JS: Das ist so gar nicht mein Ding. Hm, ich überleg gerade … Also das Konzept des Anstehens, um sich eine Signatur abzuholen, ist für mich nicht so reizvoll. Ich finde es sehr interessant, Leute, die ich bewundere, kennen zu lernen und mit denen mal zu reden. Aber die Kommunikation ist bei so einer Signierstunde, gerade bei so einer Menge von Leuten, schon sehr begrenzt. Ich kann verstehen, wenn Leute es toll finden, eine Originalzeichnung zu erhalten, aber da ich selber nicht so der comicbegeisterte Mensch bin, der eher wieder in diese Szene reingerutscht ist, als ich anfing, selber was zu machen, gibt’s eigentlich niemanden, bei dem ich für eine Signatur anstehen würde. Einer der tollsten Momente auf dieser Buchmesse war tatsächlich, als Ralf König sich in meine Signierschlange gestellt hat, um mir einen Cartoon von sich zu geben!

 

CG: Wir haben ihn gesehen und dachten, er steht für eine Signatur an …

JS: Nee. Ich hatte ja diese Aktion mit Gastzeichnern auf nichtlustig.de. Ich hatte auch Ralf gefragt, ob er Lust hat, was für mich zu machen. Da hatte er gerade nicht so viel Zeit und war sich unsicher, ob er’s hinbekommt, weil Cartoons ja nicht sein Medium wären. Wir kannten uns vorher schon und hatten dazu auch Mailkontakt, aber ich habe nicht erwartet, dass noch was kommt. Und dann stellt sich der Kerl tatsächlich eine halbe Stunde in meine Signierschlange, nur um mir dieses Ding zu geben. Das ist schon so etwas wie ein Ritterschlag. Das fand ich natürlich toll und hab mich auch gerne mit ihm unterhalten, weil ich mit seinen Comics groß geworden bin und ihn als Geschichtenerzähler unglaublich bewundere.

 

CG: Ich freue mich auch sehr für ihn, dass es jetzt nochmal einen Schritt nach vorne geht mit Prototyp, Archetyp und Antityp. Er ist natürlich vorher schon sehr bekannt gewesen, wurde aber meistens limitiert auf Schwulencomics. Für mich ist er ein unglaublich guter Beobachter.

JS: Der Mann kann einfach verdammt gut schreiben. Das ist ganz unabhängig davon, ob das nun im Schwulenmilieu spielt oder woanders. Er schreibt so unfassbar glaubwürdige Figuren und hat so ein gutes Gespür für Dramaturgie und Handlung … Das ist das, was ich so toll finde an ihm, und da ist es egal, ob es um Schwänze oder um Mann und Frau geht.

 

CG: Anlässlich des neuen fünften Bandes von Nichtlustig hattest Du für die Frankfurter Buchmesse die Aktion, dass jeder, der am 05.05.55 geboren ist, alle fünf Bände kostenlos erhält. War so jemand da?

Cover von Nichtlustig 5JS: Ich glaube nicht. Es waren aber einige Leute da, die am 05.05 Geburtstag haben und damit einen Band erhalten haben. Allerdings auch nicht so viele, wie ich erwartet hatte. Das waren so ungefähr zehn Leute. Ich hatte gedacht, dass da mehr Ansturm ist, weil ich es auch reichlich vorher via Facebook und Twitter kundgetan habe, aber nö. Ich hatte gedacht, dass da vielleicht auch welche kommen, die sonst auf der Messe nicht in dem Comicbereich gegangen wären, aber es wirkte eher so, als hätten diese Leute auch ohnehin bei mir angestanden.

 

CG: Wie hoch ist eigentlich die Auflage von Nichtlustig 5?

JS: Das müssten so um die 90.000 Stück sein.

 

CG: Das ist ja eine riesige Menge, gerade für uns im Comicbereich! Ist das die höchste Auflage, die Du bis jetzt hattest?

JS: Ja. Bei Nichtlustig 4 waren es noch etwa 60.000 Exemplare. Da hatten wir aber das Weihnachtsgeschäft nicht richtig kalkuliert, und so kam es, dass einige Händler vor Weihnachten nachbestellen wollten und es nichts mehr gab. Das wollten wir diesmal vermeiden.

 

CG: Du hast Dich bei Twitter ja mal zu dem Cartoon-Wettbewerb des Comiczentrums auf der Buchmesse (Carlsens „Deutscher Cartoonpreis„) geäußert. Du warst Juror im ersten Jahr und meintest nun neulich, dass Du mit den Einreichungen nicht glücklich warst und nicht mehr mitmachen wolltest.

JS: Das war zumindest damals der Fall. Ich glaube, es war eh der Gedanke, verschiedene Cartoonisten immer mal wieder als Juroren zu holen. Mit Ralph [Ruthe] haben sie aber, glaub ich, einen ganz guten Fang gemacht, weil der sich damit einfach mehr beschäftigen kann. Ich hab so richtig gemerkt, dass mir die meisten Sachen, die eingesandt wurden, einfach eher weh getan haben und wie sehr ich mich geärgert habe, wie wenig gutes Material es leider gibt. Denn ich bin ja selbst ein großer Fan von guten Cartoons. Ich hatte da einfach das Gefühl, dass es nicht ergiebig genug ist. Und dass es in dieser Gruppe von Leuten schwierig ist zu entscheiden, wer jetzt den Preis verdient. Zumal ich auch immer das Gefühl hatte, dass Cartoons was sind, was man nicht anhand eines einzigen Stücks bewerten kann. Für mich zeichnen Cartoons eher aus, dass eine Beständigkeit über eine längere Zeit und mit einer größeren Masse vorhanden ist und ein eigener Stil definiert ist, der sich dann einem erschließt, wenn man viel von jemandem sieht. Aber für Carlsen ist der Cartoon-Wettbewerb trotzdem ziemlich interessant, weil die dadurch zu sehr viel mehr jüngeren Cartoonisten oder Leuten, die sich mal versuchen wollen, Kontakt bekommen. Und vielleicht passiert es ja trotzdem mal, dass daraus interessante Leute hervorgehen.

 

CG: Von neuen Veröffentlichungen der bisherigen Gewinner habe ich offen gestanden noch nicht so viel mitbekommen.

JS: Das hat wahrscheinlich einen Grund … [lacht]

 

CG: Wahrscheinlich. 😉 Ich kann mich an einen wasserfesten Cartoonband, der auf ein Kunststoffgewebe gedruckt wurde, erinnern, aber ansonsten …

JS: Ja, das war von Tobias Schülert und ich glaub, er hat beim ersten Mal gewonnen, wo ich noch mit ausgewählt habe. Tobias hat tatsächlich ein paar Perlen geliefert, leider auch ein Kandidat, bei dem ich denke, der hätte mehr machen können und der zu wenig Zeug insgesamt geliefert hat. Das fand ich sehr schade. Mittlerweile arbeitet er für den Stern, was dann in eine andere Richtung geht. Mit ihm habe ich übrigens noch Kontakt. Es gibt insgesamt sehr wenig Leute, die qualitativ sehr hochwertig arbeiten und dann gleichzeitig noch einen gewaltigen Output haben.

 

CG: Meine nächste Frage ist, was für Dich einen guten Cartoon ausmacht, aber das kannst Du wahrscheinlich gar nicht so pauschalisieren …?

JS: Stimmt. Im Idealfall überrascht mich ein guter Cartoon. Er ist einfach originell und hat einen eigenen Stil. Das kann man schlecht in Worte fassen. Wenn’s an mein Humorempfinden appelliert und ich darüber lachen kann, was für mich eine Kombination aus Originalität und ’nem guten Stil und ’ner guten Umsetzung ist, dann ist das für mich ein guter Cartoon. Aber das bedeutet nicht, dass es zwangsläufig für alle ein guter Cartoon ist. Selbst Kollegen wie Ralph Ruthe, mit dem ich sehr eng befreundet bin und mit dem ich sehr oft auf einer Wellenlänge liege, findet manche Sachen im Humorbereich toll, denen ich einfach nichts abgewinnen kann.

 

CG: Humor ist halt immer eine extreme Geschmackssache.

JS: Ja, absolut. Und das ist ja eigentlich das Tolle an Humor: dass er letzten Endes so subjektiv ist, dass es eigentlich totaler Quatsch ist, so viel darüber zu reden. Es gibt natürlich einige prinzipielle Techniken, die so und so funktionieren. Oder einige Anfängerfehler, die gerne gemacht werden: dass der Aufbau eines Bildes falsch ist, so dass man zuerst an die falsche Stelle guckt und quasi den Gag sieht, bevor man den Aufbau sieht und so weiter. Aber das sind eher Techniken. Letzten Endes lässt sich dieses Gefühl dafür, ob ein Gag funktioniert und wie man etwas zeichnen muss, damit Humor entsteht, nicht beibringen, glaub ich. Entweder hat man es im Gefühl oder eben nicht.

 

CG: Hast Du eigentlich das Gefühl, dass Nichtlustig ein deutscher Humor ist? Es gibt zwar einige Deiner Cartoons auf Englisch, aber als Buch noch nicht, oder?

JS: Stimmt. Die englischen Cartoons sind meistens noch aus Band 1, bei denen ich noch nicht ganz zufrieden war. Man müsste die neu lettern, damit sie gut aussehen und so weiter. Es gibt ausländische Veröffentlichungen in Spanien, Italien und Russland. Da wurde aber vergleichsweise wenig umgesetzt.

 

CG: Ich frage mich halt, ob Humor generell landes- oder mentalitätsbedingt ist.

JS: Teilweise mit Sicherheit. Ich glaube, es ist immer schwierig, wenn man in die Kultur integriert ist wie bei mir hier in Deutschland. Da fällt es schwer, über den Tellerrand zu blicken und zu sagen, das ist sehr deutsch und das nicht. Ich finde schon, dass es Sachen gibt, die an meinen Cartoons sehr deutsch sind. Insgesamt glaube ich, dadurch, dass ich sehr geprägt bin durch amerikanischen Humor – ob das jetzt Sitcoms sind, Hollywoodfilme und dergleichen –, dass ich sehr viel internationaler arbeite und amerikanischer inspiriert bin als viele meiner Kollegen, weil es bei mir auch sehr losgelöst ist von irgendwelchen popkulturellen Dingen, die bei anderen Leuten noch eine Rolle spielen. Das ist mir wichtig. Bei mir ist es auch so, dass es keine festen Orte gibt und dass keine echten Personen da drin auftauchen. Dadurch würde es auch im Ausland sehr viel zugänglicher. Ob dann der Humor in anderen Ländern verständlich ist, kann ich selbst nicht einschätzen. Ich weiß, dass die meisten englischsprachigen Ländern meine Cartoons verstehen; es sind ja auch nur sehr wenige Wortwitze drin. Das versuche ich zu vermeiden. Falls ich mich doch mal zu einem Kalauer hinreißen lasse, geht’s mir einige Tage ganz schlecht. [lacht] Dann gibt es natürlich auch Länder, bei denen ich merke, dass es einfach ein anderes Humorverständnis gibt.

 

CG: Cartoons sind meiner Meinung nach auch recht heikel. Du hast nur ein Panel, und damit muss es funktionieren.

JS: Das ist gleichzeitig das große Plus und das große Minus bei Cartoons. Auf der einen Seite sind sie dadurch zugänglicher als zum Beispiel Comics. Man guckt drauf und lacht entweder oder eben nicht. Fertig. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich sonderlich viel Lebenszeit in etwas investiert habe, was mir nichts bringt. Auf der anderen Seite hat man nicht die Chance, Leute lange bei der Stange zu halten und zu sagen „So, wenn das hier nicht funktioniert, dann probiere ich das nochmal“, sondern Du hast halt diesen einen Versuch. Und entweder lesen die Leute dann direkt Deinen nächsten Cartoon oder das war’s dann. Deshalb bin ich auch der Ansicht, dass Cartoons erst in der Masse so richtig an Wert für mich gewinnen, weswegen auch Cartoonbücher für mich sehr voll sein sollten, so dass man sie nicht im Stehen im Buchladen durchlesen kann.

 

CG: Die Zeit, die man da als Leser rein investiert, ist im Vergleich zu einem Comic dann doch kürzer.

JS: Ja, das ist halt einfach eine andere Art. Wenn ich mich auf einen Comic einlasse, dann erwarte ich eine Dramaturgie, dass ich vielleicht mit den Figuren vertraut werde … Ich erwarte einfach mehr, als nur ein paar Mal zu lachen – was ich bei Cartoons genau will. Im Idealfall kann man das auch mal kombinieren miteinander. Ich versuche ja auch in meinen Büchern, ein bisschen zu spielen mit dem Medium Comic und auch längere Geschichten reinzumachen.

 

nichtlustig101103CG: Du siehst also weiterhin die Cartoons als Dein Haupttätigkeitsgebiet? Es juckt Dich nicht in den Fingern, mal ein Album mit einer durchgehenden Geschichte zu machen?

JS: Nein, die Richtung interessiert mich gar nicht. Was mir mehr in den Fingern juckt, ist endlich mal in den Filmbereich zu kommen und mit der Trickfilmserie, die ich schon seit längerer Zeit plane, voranzukommen. Das ist ein Medium, das mich sehr reizt, weil ich glaube, dass es dort Möglichkeiten gibt, mit meinem Humor Sachen zu machen, die in einem Bild so nicht funktionieren, weil sie Timing und eine zeitliche Abfolge benötigen, und da hab ich extrem Lust drauf. Ein Album oder eine längere Geschichte zu machen, dazu fehlt mir tatsächlich die Geduld und auch irgendwie der Anreiz, dass ich sage, das ist was, was ich unbedingt machen will, weil ich es so nicht hinbekomme in meinen jetzigen Büchern oder im Internet.

 

CG: Das kommt ja meist aus dem Bedürfnis, etwas zu erzählen.

JS: Da gibt es bei mir schon Sachen, die aber in eine ganz andere Richtung gehen. Ich will auch nicht mein Leben lang mit Humor arbeiten. Das ist was, was bei mir gerade fantastisch funktioniert und bei dem ich das Gefühl habe, dass ich schon noch einige Sachen zu machen habe. Aber ich habe früher auch Drehbücher für zum Beispiel Thriller geschrieben. Und das ist schon etwas, wo ich irgendwann auch wieder hin will, also in komplett andere Bereiche. Es ist nicht so, dass ich das Gefühl hätte, dass ich selbst alles zeichnen müsste. Ich fände es auch interessant, mal für jemand anderen zu schreiben. Mit Flix habe ich darüber gesprochen, ein gemeinsames Projekt zu machen. Ingo Römling ist ein guter Freund von mir, der ja auch hier in Frankfurt lebt und ein Zeichner, bei dem ich das Gefühl habe, dass der endlich eine gute Geschichte bräuchte, die inhaltlich auf einem Level ist mit dem, was er visuell erbringen kann; der Mann ist ein großartiger Künstler. So etwas würde mich also eher reizen. Ich selbst als Zeichner habe das Gefühl, dass das für meine Cartoons und für Nichtlustig gut funktioniert, habe aber keine Ambitionen, mich stilistisch zu verändern.

 

CG: Du hast also keinerlei Interesse, Dich mal an anderen Stilen zu versuchen?

JS: Nein, überhaupt nicht. Mir macht Zeichnen auch nicht sonderlich viel Spaß.

 

CG: Ach …

JS: Ja, das überrascht immer Leute, wenn ich das sage, aber für mich ist das Zeichnen eher Mittel zum Zweck, um meinen Humor zu transportieren. Die Zeichnungen funktionieren für den Inhalt. Wenn ich irgendwann auf die fesche Aquarellkolorierung verzichte, dann wäre das den meisten Leuten egal, weil es darum nicht geht. Es geht um den Humor und das Zusammenspiel zwischen Text und Bild. Ich bin nicht der großartigste Zeichner. Es langt immer dafür, was ich machen will, aber es gibt andere Leute, die viel besser zeichnen. Ich habe absolut kein Interesse, in diese Richtung weiterzumarschieren.

 

CG: Nach Lieblingscomics brauche ich dann vermutlich gar nicht zu fragen …

JS: Stimmt. Wenn ich mal Zeit habe, interessieren mich Filme und Serien viel mehr. Ich hab mal ein Reprodukt-Abo zwei Jahre oder länger gehabt. Mittlerweile empfiehlt mir Sebastian Oehler Comics aus ihrem Programm, die nehme ich mir dann auf Messen mit. Leider habe ich neben meinem Bett immer noch einen Riesenstapel an Empfehlungen liegen, die ich noch nicht durchlesen konnte.

 

CG: Kurz zurück zu den geplanten Trickfilmen. Was hast Du da vor?

JS: Es ist geplant, dass das klassische Halbstünder sind. Also keine kurzen Dinger, sondern halbstündige Episoden, die unterteilt sind in etwa Vier-Minuten-Abschnitte mit diesen ganzen verschiedenen Figurengruppen, die ich angehäuft habe. Wenn man sich die nacheinander anschaut, wird es wie in meinen Büchern sein, dass es also Zusammenhänge und Überschneidungen gibt. Das finde ich recht reizvoll, so zu arbeiten, und da habe ich relativ weit vorgearbeitet. Wir hatten letztes Jahr auch schon Verhandlungen mit einem Fernsehsender, das ist allerdings dann doch nicht zustande gekommen. Jetzt nutze ich es, dass wir nicht unter Zeitdruck stehen, und mache es kreativ wirklich so, wie ich es gerne hätte. Ich überarbeite die Drehbücher, die ich geschrieben habe, und arbeite in einem sehr kleinen Team dran, erstmal eine Pilotfolge fertig zu stellen. Ich hab noch ein paar Ideen, wie ich das Projekt weiter nach vorne bringen kann. Das bedeutet natürlich auch, Geld aufzutreiben, weil das leider viel teurer ist, als ein paar Cartoons zu zeichnen.

 

CG: Du bist mittlerweile wirklich sehr bekannt, man muss sich ja nur die Zahlen Deiner Fans auf Twitter und Facebook anschauen. Bedeutet Dir das was? Natürlich schmeichelt es einem, aber würdest Du jetzt genauso Deine Cartoons machen, wenn dem nicht so wäre und Du diesen Austausch nicht hättest?

JS: Popularität und Austausch sind für mich zwei verschiedene Paar Schuhe. Popularität bedeutet mir auf jeden Fall was, denn es macht mich unabhängiger. Der Erfolg gibt mir die Freiheit, tatsächlich das zu machen, was ich will. Ich muss mir nicht überlegen, wie ich an den nächsten Auftragsjob rankomme. Ich kann von meiner eigenen Arbeit leben, was für einen Comiczeichner ja die größte Auszeichnung und ganz selten ist. Das ist für mich schon ein Geschenk. Wenn ich in der Art Popularität definiere, bedeutet mir das schon sehr viel. Ansonsten habe ich immer versucht, die Sachen zu machen, die ich selber gut finde. Ich habe also keine undefinierbaren Block von Fans vor Augen, für die ich arbeite, sondern ich habe mir immer gesagt, wenn ich mir ein Cartoonbuch kaufen oder eine Internetseite mit Cartoons anschauen wollte, dann würde ich das erwarten, wie es jetzt bei mir ist. So gehe ich da ran, und das befreit natürlich sehr, wenn man merkt, dass man mit dem eigenen Qualitätsanspruch auch viele andere Leute erreicht. Das ist natürlich toll. Aber auf der anderen Seite auch ein zweischneidiges Schwert. Wenn Sachen sehr populär werden, bedeutet das auch, dass die Kritik prozentual mit ansteigt. Man wird öfters abgewatscht und bekommt gesagt „Früher war aber alles besser“ als Leute, bei denen alles klein ist und die nichts zu hören bekommen, weil alles unter dem Radar stattfindet. Aber damit lernt man ja irgendwann umzugehen und weder Lob noch Kritik zu sehr an sich ranzulassen.

 

CG: Wahrscheinlich darf man das gar nicht, wenn man noch irgendwie weiterarbeiten will.

JS: Nicht zu viel, zumindest. Ich versuche natürlich, nicht komplett immun dagegen zu sein, wie meine Sachen wirken. Und gerade, wo jetzt mein neues Buch erschienen ist (Nichtlustig 5), wollte ich einfach wissen, wie es bei den Leuten ankommt. Und wenn plötzlich alle gesagt hätten „Boah, was ist das denn für ein grauenhaftes Ding!“, dann hätte ich mir das natürlich nochmal angeguckt und überlegt, was ich denn da gemacht habe und warum ich es gut fand. Aber letzten Endes habe ich mir nichts vorzuwerfen, weil ich versuche, so gut zu sein, wie ich kann, und gleichzeitig was zu machen, was ich selbst gut finde. Und wenn man das erfüllt, dann können ja alle anderen Leute das doof finden, aber dann weiß ich zumindest, warum ich es gemacht habe.

 

CG: Wobei ich mir schlecht vorstellen kann, dass irgendjemand jetzt sagen würde, dass er alle anderen Bände gut fand und den jetzt scheiße.

JS: Ach, das gibt’s immer. Wenn Dinge lang genug existieren, dann gibt es bei manchen Leuten die Tendenz, die früheren Sachen besser zu finden. Aber ich glaube, dass meine Sachen besser geworden sind im Lauf der Jahre. Leute hinterfragen nie „Habe ich mich vielleicht verändert, wenn ich es jetzt anders sehe?“ oder „Überraschen mich die Sachen heute nicht mehr so, weil ich früher da frischer herangegangen bin?“ Da wird einfach nur gesagt „Ach, das neue Album vom … Robbie Williams ist halt einfach nicht so gut wie die früheren.“ Das ist ein ganz normaler Prozess. Ich empfinde es fast als Auszeichnung, wenn die Leute dahinkommen zu sagen, dass früher alles besser war, weil es nur bedeutet, dass man geschafft hat, lang genug dabei zu sein, dass es auch Meckerer gibt.

 

CG: [lacht] Na, so kann man es natürlich auch sehen. Eine entspannte Sichtweise. Du bist ja mittlerweile seit zehn Jahren im Internet vertreten. Hast Du das Gefühl, dass diese Verbreitungsmöglichkeit viel zu Deinem Erfolg beigetragen hat?

JS: Absolut, das ist der Hauptgrund. Das Tolle daran war ja, dass ich mir in den ersten drei Jahren, bevor das erste Buch bei Carlsen erschienen ist, einen Fankreis im Internet aufgebaut habe. Und das war zu dem Zeitpunkt, an dem ich angefangen habe, natürlich von mir überhaupt nicht der Plan und es war auch nicht klar, dass so etwas möglich ist. Ich hatte großes Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein und mit dem richtigen Ding anzufangen. Als dann das erste Buch erschienen ist, musste Carlsen nicht großartig rausgehen und allen erklären, was das ist, denn da draußen gab es schon genug Leute, die sich sofort darauf gestürzt haben. Und innerhalb der ersten Woche waren dann zwölftausend Stück weg. Da hat niemand mit gerechnet, vor allem ich natürlich nicht. Ich hatte mir also vorher drei Jahre lang – ohne dass es mir klar war – die Marke aufgebaut. Und indem es dann losging mit den Büchern, konnte ich plötzlich davon leben.

 

CG: Man weiß ja, dass Deine vorherigen Bewerbungen abgelehnt wurden, auch von Carlsen. Dann haben die einfach nicht vertraut auf die Zugriffe im Internet?

JS: Das war damals einfach noch nicht soweit. Ich muss mal den wenigen Comicverlagen, die es in Deutschland gibt, ein Kompliment machen. Die sind in der Hinsicht viel offener geworden in den letzten Jahren, lassen mehr Leute an sich ran und gucken einfach mal, was der Nachwuchs so macht. Als ich in den Jahren 2000 und 2001 mit meinen Sachen über die Buchmesse gerannt bin, da war das alles noch sehr viel verschlossener. Da würde mir öfter gesagt „Wenn Sie keinen Termin haben, dann können wir uns auch nichts von Ihnen angucken“ oder „Tschuldigung, wir machen nur Comics, keine Cartoons“. Die haben sich mein Zeug also gar nicht erst angeguckt. Und ich ganz klein mit Hut bin da ohne Selbstbewusstsein rumgehuscht und habe versucht, mal meine Mappe zu zeigen. Letzten Endes funktionierte das bei mir erst im zweiten Jahr, als ich Ralph Ruthe kennen gelernt habe. Der mochte meine Sachen und hat mich dann direkt dem damaligen Chefredakteur von Carlsen, Joachim Kaps, vorgestellt, der sich meine Sachen anguckte. Aber vorher war es richtig schwer, meine Mappe überhaupt mal jemandem unter die Nase halten zu können.

 

CG: Man brauchte damals also unbedingt Vitamin B, um überhaupt mal an die Verlage ranzukommen.

JS: Es ist sicher auch heute nicht verkehrt, Kontakte zu pflegen. Aber ich seh mittlerweile sehr viel öfter, dass sich Redakteure die Zeit nehmen, etwas anzuschauen, ihre Eindrücke und auch Tipps zu geben. Und ich glaube tatsächlich, dass da auch die jüngeren Mangazeichner, die in den letzten sieben Jahren über die Buchmesse und ähnliche Veranstaltungen streifen, sehr dazu beigetragen haben, weil das eine ziemliche Macher-Kultur ist. Da gibt es ja wirklich sehr viele, die angefangen haben zu zeichnen. Ob man da nun einen Zugang zu findet oder nicht – ich habe mit Manga nie was anfangen können – aber ich bewundere die Offenheit in dieser Szene und die Haltung „Ich mach das einfach und will meine Sachen auch präsentieren“. Ich glaube, dadurch haben sich die Verlage auch geändert, weil das ein Fankreis ist, der gleichzeitig produktiv ist, und für den musste man sich zwangsläufig öffnen. Davon haben alle profitiert.

 

CG: Dabei darf man aber nicht verschweigen, dass gerade die Großverlage unter einem ziemlichen Erfolgsdruck stehen. Es ist schön und gut, wenn sie neue Leute veröffentlichen, aber wenn die nicht das einbringen, was der Verlag erwartet, sind die schnell wieder weg. Es fehlt manchmal die langfristige Sicht.

JS: Es ist klar, dass es eine Industrie ist. Auf der einen Seite habe ich schon das Gefühl, dass mehr geguckt wird, aber auf der anderen Seite wird sehr viel selektiver ausgewählt, was denn überhaupt noch die Möglichkeit hat, Geld zu generieren, weil gerade die großen Verlage, wie Du auch schon sagst, mehr und mehr hitorientiert sind. Wie nun mal alle Märkte mittlerweile funktionieren, ob es nun Spielebranche oder Filmbranche ist. Das sind alles Märkte, die sich über Hits finanzieren, denn 95 % der Sachen, die da herausgebracht werden, bringen kein Geld ein und werden finanziert über die 5 %, die dann Superhits sind.

 

CG: Ich finde es einfach schade, dass nicht etwas mehr Geduld mitgebracht werden kann, damit Zeichner die Gelegenheit bekommen, sich etablieren zu können.

JS: Ich verstehe leider schon, wo es herkommt, aber schade finde ich das auch. Bei mir haben manche Leute wohl das Gefühl, dass es von Band 1 an total groß war, aber die Wahrheit ist ja, dass ich drei Jahre vorher dran gearbeitet habe, mir das aufzubauen, und es dadurch schon so groß war, dass ich Fans hatte, die sich das sofort gekauft haben. Da musste Carlsen relativ wenig Marketingarbeit machen. [lacht]

 

CG: Hat ja auch was für sich. Drei Jahre jemanden kostenlos arbeiten lassen … 😉
Hast Du eigentlich jemals an eine Eigenveröffentlichung gedacht?

JS: Ja, das habe ich tatsächlich. Kurz bevor es mit Carlsen losging, weil die sich nach der Buchmesse auch nochmal gut Zeit gelassen haben. Mir wurde da ganz einfach das Geld knapp. Zu dem Zeitpunkt habe ich in Berlin gelebt und hatte teilweise echt kein Geld für Essen. Es war wirklich so, dass ich mir überlegt habe, mich wieder eine Woche von Cornflakes und Leitungswasser zu ernähren, worauf ich nicht wirklich Lust hatte. Natürlich war ich zu stolz, meine Eltern um Geld zu fragen, und musste darüber nachdenken, ob ich mich als nächstes nicht doch als Grafiker bewerbe. Das wollte ich eigentlich alles nicht. Und Gott sei Dank kam dann drei Monate, nachdem ich auf der Buchmesse war, doch noch eine Mail von Carlsen, was in dem Moment die Rettung war.

 

CG: Du hast also, während Du in Berlin gelebt hast, Deine ganze Zeit in die Nichtlustig-Sachen gesteckt?

JS: Ja, so ziemlich. Natürlich habe ich ab und an kleine Auftragssachen gemacht, die mich aber nicht wirklich über die Runden gebracht hätten. Da habe ich hauptsächlich noch von Mama und Papa gelebt.

 

CG: Du bist aber kein ausgebildeter Grafiker, oder?

JS: Nein, gar nicht. Alles, was ich kann, habe ich mir selber beigebracht. Bevor ich mit den Cartoons angefangen habe, wollte ich in den Filmbereich und habe mich da ausprobiert. Studieren wollte ich nie, weil ich genug von Theorie hatte. Ich wollte was machen, was ich präsentieren kann und was direkt seinen Einsatz findet, weswegen ich nie eine Ausbildung oder ein Studium gemacht habe.

 

CG: Funktioniert ja auch so ganz gut.

JS: Joah, das ging auch so, stimmt.

 

CG: Zu einem ganz anderen Thema: Als Du dieses Jahr im September im Urlaub warst, wurden auf Deiner Website diverse Gastbeitrage anderer Künstler gezeigt, die sich in irgendeiner Art und Weise mit Figuren aus Deinem Universum beschäftigt haben. Gab es Vorgaben?

JS: Eigentlich nicht. Ich habe nur darum gebeten, das bekannte quadratische Format zu benutzen, so dass in dieser Größe was erkennbar ist, und eine meiner Hauptfigurengruppen einzubinden, damit man sieht, dass es was mit Nichtlustig zu tun hat. „Ansonsten habt Ihr komplett freie Hand. Interpretiert bitte in Eurem Stil, damit er erhalten bleibt.“

 

CG: Wie viele Künstler kamen da zusammen?

JS: 17 oder 18, so um den Dreh. Ich habe mich auf Leute beschränkt, die ich schon mal persönlich kennengelernt habe und deren Arbeit ich mag. Da waren natürlich auch ein paar Leute dabei, die – wie schon angesprochen Ralf König – keine Zeit gefunden haben. Aber im Großen und Ganzen war ich überrascht darüber, wie viele Leute mitgemacht haben und wie unterschiedlich und schön die ganzen Ergebnisse waren.

 

CG: Du warst also sehr glücklich mit dem Ergebnis.

JS: Absolut! Immer, wenn wieder jemand was gemacht habe, habe ich mich total gefreut drüber. Natürlich geht das stilistisch und inhaltlich zum Teil enorm auseinander, was ich ja aber so haben wollte. Einige Sachen finde ich sehr witzig, andere Sachen gar nicht, aber es passt total zum Künstler. Deswegen fand ich das trotzdem gut. Total interessant, was da für eine Bandbreite zusammengekommen ist. Das ist für mich auch eine tolle Honorierung meiner Arbeit, weil viele Kollegen ganz was anderes machen. Reinhard Kleist (Cash – I see a Darkness, Havanna – Eine kubanische Reise, Castro) zum Beispiel, der mit Cartoons und Funny-Figuren wirklich null am Hut hat, aber der dann trotzdem anfängt, meine Lemminge zu zeichnen als Fidel Castro. Da habe ich mich so gefreut drüber, dass Reinhard so etwas macht für mich … Einfach schön, solche Kollegen zu haben.

 

CG: Wobei sich einige der Beiträge nur vollständig erschließen, wenn man die Arbeiten desjenigen kennt.

JS: Ja, das stimmt, das war aber auch Absicht so. Ich wollte ja nicht, dass die sich ihrem eigenen Stil komplett entfernen, um zugänglicher zu sein. Für mich war das ein Experiment als Aktion zum Zehnjährigen, das ich auch nicht wiederholen werde. Zum einen will ich das für mich, weil ich es ein bisschen als Geschenk an mich selbst betrachtet habe, Zeichnungen von anderen Leuten mit meinen Figuren zu sehen, und zum anderen dachte ich, dass es vielleicht auch für die Leute interessant ist, die Interesse haben, die Künstler, die ich gut finde, an sich ranzulassen und da reinzuschnuppern. Einige Leute haben das ja tatsächlich gemacht. Ich habe sehr viele Zusendungen bekommen von Lesern, die dadurch auf die Arbeit von Reinhard oder anderen aufmerksam geworden sind, aber auch viele Nachrichten von Leuten, die damit nichts anfangen konnten und sagten „langweilig, doof“. Gab’s alles.

 

CG: Wir hatten es ja in kleiner Runde auf Twitter, dass bei Facebook, wo Du momentan über unglaubliche 120.000 Fans hast, etliche rummotzten, dass dieser und jener Gastbeitrag „nun wirklich nicht lustig ist“ und Deine Rückkehr forderten. Das ist an der Gesamtzahl gemessen zwar verschwindend gering …

JS: Das darf man wirklich nie vergessen: Die Meckerer sind immer die, die am lautesten sind.

 

CG: Ich fand deren Lautstärke und Vehemenz trotzdem verstörend.

JS: Das ist etwas, womit man umgehen lernen muss. Ich fand es natürlich auch schade, dass es zum Teil so gebündelt kam bei manchen Beiträgen. Aber man merkte, dass es hauptsächlich eine Verständnislosigkeit war, die die Leute da haben. Es ist mir ganz klar, dass 90 % der Leute meine Cartoons lesen, um darüber zu lachen und nicht um in die weite Welt der Comiczeichner eingeführt zu werden oder sich groß damit beschäftigen, wer das eigentlich zeichnet und was er sich dabei gedacht hat. Ich glaube auch, dass relativ wenige Leute mein Blog lesen im Vergleich zu den Leuten, die nur die Cartoons anschauen. Und das ist auch in Ordnung. Es gibt andere Sachen, da gehe ich genauso damit um. Wenn ich einen Song höre, der mit gefällt, beschäftige ich mich nicht damit, wer den denn geschrieben hat und was das genau für eine Musikrichtung ist. Allerdings würde es mir auch nicht in den Sinn kommen, lautstark zu meckern, wenn mir etwas nicht gefällt. Das ist dann doch ein Phänomen, dass jemand die Zeit aufbringt, zu schreiben bei Sachen, die einem nicht gefallen. Ich ignoriere als Leser so etwas und sage mir, entweder wird es wieder besser oder eben nicht.

 

CG: Du siehst Dich dann auch nicht als Botschafter, der von anderen Zeichnern kündet.

JS: Nein, null. Ich bin kein Messias, der die Leute auf den Pfad der guten Comictugend bringt. Meine Aufgabe ist es zu unterhalten und das ist das, was ich machen will. Das ist auch das, was ich bei Nichtlustig kommuniziere; es ist eine Toonserie, die Humor als Schwerpunkt hat. Das ist bei den meisten Cartoonserien so. Es gibt natürlich ein paar andere, nachdenklichere Serien wie Flix mit seinen Heldentagen, aber ich mache ganz klar pointenorientierten Humor. Das ist der Grund, warum meine Sachen so populär sind: weil das sehr zugänglich ist. Ich kann nicht erwarten, dass Leute offen sind und plötzlich auch andere Sachen toll finden, denn sie gucken Nichtlustig wegen was anderem an. Was ich allerdings erwarten kann, ist, dass gerade in so einem Angebot höflich damit umgegangen wird. Es ist jedem frei gestellt, Sachen schlecht zu finden oder mit ihnen nichts anfangen zu können, aber gerade, wenn man sie kostenlos bekommt und ich das Gefühl habe, dass die Leute keinen Anspruch darauf haben können, ist es schon merkwürdig, wenn es so rüberkommt wie „ich erwarte das aber so und so“. Ich stelle meine Sachen kostenlos im Internet zur Verfügung, ebenso wie meine Kollegen dadurch, dass sie etwas für mich gemacht haben, und das ist eine Geste. Das ist für mich leider so ein Ausdruck dieser ganzen Dienstleistungsgesellschaft, dass Leute oftmals das Gefühl haben, dass alleine das Konsumieren von Inhalten wohl schon etwas Bewundernswertes ist. Konsumieren selber hat plötzlich einen Wert. Es wird ja immer gesagt „der Kunde ist König“ und „Fans sind das Wichtigste“. Das ist auch alles schön und gut, aber als Dienstleister, als Hersteller, als Verkäufer will ich auch mit Respekt behandelt werden. Das geht nicht nur in eine Richtung. Ich finde es schade, wenn Leute einem das Gefühl vermitteln wollen „ich habe ein Anrecht darauf, dass Du es so und so machst“. So sehe ich das einfach nicht.

Weil das jetzt so negativ klingt, muss ich dazu sagen, dass ich auch ganz tolle Mails von Leuten bekommen habe, die sich bedankt haben und nach den Gastcartoons fragen (weil ich sie momentan runtergenommen habe). Gleichzeitig habe ich aber auch Mails bekommen von Leuten, die geschrieben haben „Wenn das so weitergeht, melde ich mich vom Newsletter ab!“

 

CG: Da hast Du aber Angst bekommen, was?

JS: Ja, wenn ich dann geantwortet habe „Mach doch!“, dann hab ich als Reaktion erhalten „Aber jeder Fan ist doch wichtig!“ Nein, es ist nicht jeder Fan wichtig. Wie ich vorhin gesagt habe, ich mache das, was ich gut finde, und Gott sei Dank gibt es da draußen genug Leute, die das auch gut finden. Ihr könnt Euch gerne alles angucken, aber Ihr seid zu nichts verpflichtet. Genauso wenig, wie ich zu irgendetwas verpflichtet bin. Der gegenseitige Respekt zwischen Geber und Nehmer ist mir sehr wichtig. Aber wie Du schon gesagt hast, in der Masse an Leuten gibt es immer ein paar, die respektlos sind oder manchmal auch einfach Idioten. Das ist total schade, weil es auch mal unflätig wird. Aber das hast Du überall. Das ist nichts, wo ich mich fragen muss, hoppla, was hab ich denn für Fans. Du gehst in irgendeinen Arbeitsplatz rein, und Du hast immer 10 % Idioten. Das ist leider überall in der Welt so, egal, wo Du gerade bist.

 

CG: Gerade diese Anspruchshaltung, die Du erwähnt hast, kommt bei den kostenlosen Angeboten, sei es bei Cartoons, Comics, Musik, Kurzfilm etc., zum Teil sehr ausgeprägt rüber.

JS: Das ist eine allgemeine Haltung im Internet, weil dortige Inhalte von Anfang an kostenlos waren. Momentan ist ein gewisser Umschwung da. Es sickert ins Bewusstsein ein, dass bestimmte Inhalte nicht kostenlos produziert werden; irgendjemand sitzt da und macht das. Und ich glaube, es ist zusätzlich noch ein anderes Level, wenn Dinge eine bestimmte Popularität erreichen wie Nichtlustig, dann wird nicht mehr wahrgenommen, dass da jemand dran sitzt. Das ist einfach da, wie wenn man zu McDonalds geht und dort einen Burger kauft. Dann mecker ich über den neuen Burger, wenn er mir nicht schmeckt. Da verletze ich niemanden mit. Wenn ich irgendwo schreibe „Der Burger ist scheiße“, dann sitzt nicht irgendwo ein Hamburger-Bäcker und weint, weil er ganz viel Herzblut in diesen neuen Burger reingesteckt hat. [lacht] Aber bei ganz vielen Internetinhalten ist das halt so, dass da jemand sitzt, der sich viel Gedanken und Mühe gemacht hat. Und da finde ich es schade, wenn Leute gar nicht mehr nachdenken, sondern nur konsumieren und es entweder abwatschen oder okay finden.

 

CG: Die Kommentare auf Facebook waren Dir also nicht die Beachtung wert, dass Du Dich mal äußerst dazu …

JS: Nö, überhaupt nicht. Ich bin auch nicht dazu da, dass ich mich dazu melde. Das sind ja keine Haltungen, die nur gegenüber meinen Cartoons auftauchen. Und das andere: Gerade bei so einer Haltung, direkt zu posten, wenn man was schlecht findet – und Facebook ist ja ein Medium, das geradezu ermutigt, Dinge zu kommentieren und irgendwo draufzuklicken, um zu zeigen, dass mir was gefällt oder durch eine Zeile, dass mir was nicht gefällt –, wird es diesen Leuten egal sein, wenn ich jetzt anfange zu erklären, warum ich so eine Haltung nicht gut finde.

 

CG: Mir tat’s halt echt leid für die Künstler, die noch nicht so viel Erfolg haben wie Du und sich viel Mühe gegeben haben, dass die dann so ignorante Kommentare zu ihren Gastbeiträgen erhalten haben.

JS: Ja, mir auch. Deswegen habe ich auch allen Leuten, mit denen ich seitdem nochmal Kontakt hatte, erklärt, wie ich das sehe und dass sie sich durch das Feedback nicht die Sicht verblenden lassen dürfen. Trotzdem sind ja ganz viele Leute auf ihre Arbeit aufmerksam geworden und fanden die toll. Naomi Fearn hat mir zum Beispiel erzählt, dass sie ganz viele positive Kommentare zu ihrem Cartoon bekommen hat und viele Leute auf ihre Seite gekommen sind. Und ich bin mir sicher, dass das bei jedem anderen Künstler auch der Fall war.

 

CG: Ja, wobei es natürlich Beiträge gab – wie eben von Naomi oder auch von Ingo Römling –, die gut ins Nichtlustig-Schema gepasst haben, weil es klassische Cartoons mit einer guten Pointe waren. Das passte dann in das Beuteschema Deiner Fans.

JS: Ja, es sind halt nicht alle gleich. Bei anderen, wie zum Beispiel Uli Oesterle, der eine wunderschöne Illustration gemacht hat, haben ganz viele Leute nicht verstanden, was das nun eigentlich soll. Kein Gag drin etc. Da darf man wirklich nicht zu viel auf die Kommentare geben. Diese Künstler machen nun mal keine Mainstreamsachen, und nur weil ich jetzt auf einmal sage, dass ich das das auf meiner Seite veröffentliche, finden nun nicht auf einmal alle Leute einen Zugang dazu. Und auch hier gab es Kommentare wie „Das würde ich mir sofort an die Wand hängen“, „Hector Umbra ist klasse“ und so weiter. Und auch wenn das weniger sind als solche, die durch die Gastbeiträge Zugang zu einem anderen Humoristen finden, dann war’s die Sache auch schon wert. Wenn man Sachen veröffentlicht, dann muss man aber einfach damit leben können, dass manche Leute nichts damit anfangen können oder dass man auf Unverständnis und Ignoranz stößt. Das war insgesamt eine hochinteressante Aktion für mich.

 

CG: Das hat auf jeden Fall die Augen geöffnet … Nochmal zu Deiner Popularität, diesmal im Fernsehen. Du warst ja schon zu Gast bei TV Total. Wenn ich mal in die Sendung reingucke, dann erscheint Stefan Raab immer als recht unvorbereitet, so auch bei Dir und Ralph Ruthe.

JS: Das stimmt. [lacht]

 

CG: Wie empfandest Du das als Gast? Fragt man sich dann nicht, ob sich der Moderator überhaupt auf seine Gäste vorbereitet?

JS: Gut, dass Du da direkt andockst, dass ist ein interessanter Vergleich. Das ist vielleicht in etwa so, was die Gastzeichner bei mir durchgemacht haben. Ich komm da halt rein und sehe das als eine super Plattform, um ganz, ganz viele Leute zu erreichen, die ich normalerweise niemals erreichen würde. Und auch, wenn Stefan Raab sich da jetzt nicht großartig vorbereitet – er hat einfach kein Interesse an Comics –, finde ich es trotzdem faszinierend, was der Mann gleichzeitig alles macht. Er komponiert, hat gerade Lena aufgebaut und produziert gleichzeitig seine ganzen Eventshows wie Schlag den Raab, Wok-WM etc. Ob man damit was anfangen kann, ist was ganz anderes, aber er ist unglaublich aktiv. Da ist es klar, dass für eine Show wie TV Total nur sehr kurze Briefings möglich sind. Auf der einen Seite gibt es dann Dinge, wo er zum Beispiel bei mir hätte nur kurz mal in Infos reingucken brauchen, aber auf der anderen Seite sind die meisten Leute, die vor dem Fernseher sitzen, in der gleichen Position wie er. Die haben noch nie von mir oder von Nichtlustig gehört. Und in dem Moment stellt er ganz konkret die Fragen, die die vielleicht auch haben. „Kannst Du davon leben?“, „Wie machst Du das mit dem Zeichnen?“ und so weiter. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir schon ganz schön nerdig in dieser ganzen Comicindustrie drinstecken, aber dass wir nur ein ganz kleiner Teil von Leuten sind, die sich damit beschäftigen. Vielleicht gibt es ja auch Leute, die irgendwann schon mal was von Nichtlustig gesehen haben, aber sich nie darüber Gedanken gemacht haben, dass das auch jemand zeichnet. Allein um diesen Punkt zu klären und mich vorzustellen, dafür ist das schon wunderbar. Dann kann man noch sein neues Buch in die Kamera halten, großartig.

 

CG: Den Ansatz, quasi stellvertretend die Fragen des Publikums zu stellen, finde ich an sich ja auch völlig in Ordnung. Was mich stört sind Dinge, bei denen man weiß, der hätte nur einmal was aufschlagen müssen, um die Antwort zu kennen. Und das finde ich dann respektlos den Gästen gegenüber.

JS: Ich habe selber gar keinen Fernseher, insofern weiß ich nicht, wie er sonst ist. Insgesamt habe ich den Eindruck, dass TV Total noch okay läuft und die einzig lang laufende Late-Night-Show ist, die Deutschland noch hat. Der Raab hat aber vermutlich hauptsächlich Lust auf die ganzen Aktionen, die außerhalb von TV Total laufen. Bei der Grand-Prix-Sache mit Lena, da hatte ich wirklich das Gefühl, dass er mit Passion dabei ist. TV Total ist wohl – sowohl für ihn als auch für die Leute, die dorthin kommen – hauptsächlich ein Promotiontool für Events. Und so funktioniert’s auch. Da werden Künstler aufgebaut, da werden andere Events angekündigt, und für Leute wie mich, die einen kleinen Bekanntheitsgrad haben, ist es natürlich auch toll, sich dahinzusetzen. Raab ist immer respektvoll. Bei der Redaktion und bei ihm habe ich mich extrem gut aufgehoben gefühlt, gerade hinter der Bühne. Man hat schon die Möglichkeit zu sagen, ich will da drüber erzählen und dies und jenes machen. Und das wird einem auch zugestanden. Es ist also eine Plattform, die von Stefan Raab moderiert wird, aber bei der man selber entscheiden kann, worüber man reden will.

 

CG: Wie läuft das denn eigentlich – wurdest Du einfach angefragt?

JS: Da war es wohl so, dass Carlsen mit einer Presseagentur zusammenarbeitet, die viele Redaktionen anschreibt, gerade beim Erscheinen des neuen Buches und aufgrund des Jubiläums. Und da gibt es in vielen Redaktionen immer noch das Vorurteil „Der ist Comiczeichner, ist der überhaupt fernsehtauglich?“ Es erwartet ja nicht jeder so eine Rampensau wie mich. [lacht] Dann gibt es ein paar Promovideos, Interviewausschnitte und so etwas. In den meisten Fällen sind die Redakteure dann positiv angetan, dadurch entwickelt sich dann so etwas. Man darf ja auch nicht vergessen, dass die auch Leute brauchen. Es gibt in Deutschland nicht so viele wirkliche Stars, die man einladen könnte, deshalb müssen auch Leute wie ich herhalten.

 

CG: Du Armer … Ich hoffe, das klingt jetzt nicht blöd: Du machst einen freundlichen, aber auch professionellen Eindruck …

JS: Dankeschön!

 

CG: … Lernt man mit der Zeit, wie man mit Leuten umgeht, dass man sie nicht zu sehr an sich ranlässt und ihnen nicht zu viel erzählt?

JS: Ja, absolut.

 

CG: Ich hätte Angst, dass ich in Interviews zu viel ausplaudere und mich nachher ärgere.

JS: Ja, am Anfang ging mir das auch so. Da war das ja auch noch mehr verbunden mit meinem Privatleben. Da hatte ich manchmal das Gefühl, jeder, der sich für meine Arbeit interessiert, kann auch teil an meinem Leben haben. Mittlerweile kriege ich das, glaube ich, ganz gut hin, dass ich den Leuten das Gefühl gebe, dass ich absolut bereit bin, über meine Arbeit zu reden, natürlich auch über die persönlichen Aspekte, die mit der Arbeit zu tun haben, aber auf der anderen Seite kann ich auch sehr charmant erklären, über welche Bereiche ich nicht reden will, wenn ich das Gefühl habe, dass das nichts mit meiner Arbeit zu tun hat.

 

CG: Ich finde es bewundernswert, wie lange Du das in der Öffentlichkeit aufrecht erhalten kannst. Ich glaube, es gibt niemanden im Internet, der schreibt „Ich habe Joscha Sauer getroffen und der war total doof.“

JS: [lacht] Doch, am Ende der Buchmesse gab’s wohl wieder ein paar, die das sagen. Das ist leider so bei Signierstunden. Das würde sonst ja nie aufhören, wenn ich nicht irgendwann klar machen würde „So, das war jetzt wirklich der Letzte.“ Es gibt immer welche, die sagen „Aber ich bin gerade extra über die Autobahn gerast, nur um ein Autogramm zu bekommen.“ Und irgendwann ist es dann so, dass es leider nicht mehr geht.

 

CG: Pressearbeit und Signierstunden sind wohl dann schon ziemliche Routine geworden.

JS: Mittlerweile ja.

 

CG: Auf Deiner Website ist alles selbstgemacht und wird von der Nichtlustig GbR betrieben. Wer ist da dabei?

JS: Das sind ich und Matze Vogel, der seit 2001 die Internetseite für mich baut. Den habe ich darüber kennengelernt, dass er ursprünglich mit mir ein Flash-Spiel machen wollte. Daraus ist nie was geworden, aber er hat mir dann meine krude und ohne jegliche HTML-Kenntnisse mit Adobe GoLive zusammengezimmerte Website abgenommen. Über die Jahre sind wir sehr miteinander gewachsen. Es ist ein fantastisches Team mit einer sehr guten Dynamik entstanden. Matze hatte früher eine Webagentur. Über die Jahre wurde Nichtlustig immer größer und professioneller, und nachdem wir vor drei Jahren gesagt haben, wir machen den Shop wieder selbst, hat er seine Webagentur aufgegeben und seitdem machen wir Nichtlustig Vollzeit. Er sagte, wenn er sich richtig reinhängt, funktioniert das, und er hatte recht. Mittlerweile ist eine richtig gut funktionierende GbR entstanden mit einem großen Lager in Sondershausen und mittlerweile zwei Angestellten, die sich um das Packen, die Reklamationen etc. kümmern.

 

CG: Also kann Nichtlustig mittlerweile mehrere Mäuler ernähren? Das ist beeindruckend.

JS: Ich bin momentan auch mit einer größeren Lizenzagentur am Werkeln, um Nichtlustig im Merchandise-Bereich noch ein wenig mehr zu platzieren, weil es mein Wunsch ist, da noch mehr zu machen. Dann bin ich noch an ein paar anderen Baustellen dran, zum Beispiel im Computerspielebereich. Da wird sich mit Sicherheit noch einiges tun.

 

CG: Dir ist dann auch wichtig, alles selber in der Hand zu haben?

JS: Ja, absolut. Alle Rechte verbleiben bei mir. Niemand hat Narrenfreiheit, mit meinen Figuren oder unter der Marke Nichtlustig zu machen, was er will. Wann immer ich mit einer Firma kooperiere oder neue Verträge mache, ist immer eine Klausel drin, dass ich die letzte Entscheidung fälle und alles stoppen kann, wenn es nicht der Qualitätsstandard ist, der mir schmeckt.

 

CG: Deine Cartoons reisen quer übers Internet. Wenn ich’s richtig verstanden habe, hast Du weniger Probleme damit, wenn die Sachen bei Privatleuten auftauchen …

JS: Ja. Sobald aber jemand mit meiner Arbeit Geld verdient, sehe ich es nicht ein, da nicht einzugreifen.

 

CG: Das ist absolut verständlich. Ich frage wegen mancher Massenuploads von Fans.

JS: Das ist tatsächlich eine ganz seltsame Grauzone. Auch da arbeite ich gerade dran und es soll Anfang nächsten Jahres endlich passieren, dass auch das möglich ist, ohne dass es in eine rechtliche Grauzone rutscht. Das Problem sind einfach die Löcher im Internetrecht samt der Web-2.0-Auswüchse und der User Generated Content, was es unheimlich schwer macht zu beurteilen, was ein Copyright-Verstoß und was einfach von einem Fan hochgeladen ist. Unter diesem Deckmantel kann man sich natürlich wunderbar an Material im Internet bedienen und nachher einfach behaupten „Ach so, ja, das hat irgendjemand bei uns hochgeladen.“ Da bin ich sehr kompromisslos, weil ich finde, dass es die Aufgabe einer jeden Firma und jeden Seitenbetreibers ist, zu kontrollieren, dass die Sachen, die auf der Seite veröffentlicht werden, bestimmte Regeln einhalten. Und dazu gehört für mich auch, dass das Copyright gewahrt wird. Unbekanntere Künstler lassen sich da oft abspeisen mit „Hab Dich nicht so. Ist doch auch Werbung für Dich.“ Ich könnte jedes Mal um mich schlagen, wenn ich das höre. Diese Aussage ist natürlich Quatsch, weil dieses Vorgehen niemals aufhört. Wenn ich in einem Supermarkt was klaue und meinen Freunden erzähle, dass der Kram super schmeckt, den ich da geklaut habe, dann ist das doch auch Werbung für diese Firma?! Also, ich achte sehr darauf, wo meine Cartoons landen und dass sie nur in einem Umfeld stehen, in dem ich sie auch stehen sehen will. Und damit bin ich bisher auch gut gefahren.

 

CG: Abschließend: Der fünfte Nichtlustig-Band ist gerade fertig, sitzt Du sofort am Inhalt für den nächsten?

JS: Na, nicht direkt. Bei mir ist es so, dass sich die Bände zum größten Teil mit Cartoons füllen, die ich im Internet veröffentliche. Deswegen werde ich natürlich an der Internetseite arbeiten und ich hab auch schon ein paar Ideen für das nächste Buch, aber wichtiger sind für mich gerade andere Projekte. Und oftmals brauchen ja gerade Sachen, die komplett in anderen Medien stattfinden, erstmal eine sehr lange Anlaufzeit. Ich plane zum Beispiel, für das iPhone mehrere Apps zu machen mit Nichtlustig-Spielen. Weil ich Sachen ja immer perfekt haben will und eine sehr konkrete Vorstellung davon, wie sie sein sollen, verschieben sie sich immer wieder. Sie kommen wirklich erst dann raus, wenn ich sie gut finde. Dadurch hat man dann einfach mal ein Produkt, das anderthalb Jahre braucht, bis man wirklich soweit ist und sagt „So, jetzt können wir es herstellen lassen.“ Es laufen bei mir auch immer ganz viele Sachen nebenher, bei denen man nach außen gar nicht unbedingt merkt, dass ich arbeite. Auch wenn ich mal nicht dazu komme, einen Cartoon zu machen, hat das meistens den Grund, dass ich gerade auf einer anderen Baustelle am Werkeln bin, von denen man erst in einem Jahr was mitkriegt. Oder vielleicht wird auch gar nichts draus. Das ist aber für mich das Reizvolle: dass ich nicht hinter dem Schreibtisch klebe, sondern viel mit anderen Leuten arbeiten und mich in vielen verschiedenen Bereichen ausprobieren kann.

 

CG: Und das hast Du Dir ja selber erarbeitet – dass Du Dir Dein Leben einrichten kannst und das machen kannst, was Dir Spaß macht. Das können wohl die wenigsten Leute von sich behaupten – gerade im Comicbereich ist das in Deutschland ja sehr überschaubar.

JS: Vielen Dank für das Kompliment. Diesen Balanceakt zu schaffen, ist für mich tatsächlich das Schwerste, weil ich finde, dass es ja doch mehrere Jobs sind, die hier zusammenkommen. Diese ganze Verwaltungssache, die unglaublich viel Zeit in Anspruch nimmt, dann noch wirklich mit vielen Leuten zusammenzuarbeiten … Der Balanceakt zwischen Geschäft und Kreativität ist sehr schwierig, weil das zwei Sachen sind, die erstmal konträr zueinander stehen, aber ich finde beide sehr reizvoll. Für mich ist es interessant, Verträge zu verhandeln und zu schauen, was passiert mit meinen Sachen und wie kann man sie vermarkten. Ich finde es schade, dass „Vermarktung“ in Deutschland so einen negativen Beigeschmack hat. Oder Dinge verkaufen. Das ist überhaupt nichts Verwerfliches in dem Moment, in dem man das Gefühl hat, man bietet gute Qualität an. Man achtet darauf, dass man keinen Ausverkauf macht. Das ist mir halt immens wichtig – dass alles, was raus kommt, den Geist von Nichtlustig atmet.

 

CG: Dann habe ich soweit meine Themen abgearbeitet und bedanke mich sehr herzlich für Deine Antworten! Noch eine kurze Frage: Dir haben bestimmt schon viele Leute erzählt, dass Lemminge gar nicht freiwillig in Massen über Klippen springen, oder?

JS: [lacht] Ja, das habe ich schon öfter gehört, dass die einfach runtergeschubst wurden. Aber was für ein großartiger Mythos dadurch entstanden ist, oder?

 

CG: Stimmt. Aber irgendwie tun sie einem auch leid. Das war ja schon ziemlich gemein. 😉

JS: Ich bin den Tierfilmern jedenfalls dankbar. [lacht]

 

Fotos © Tom Eickelau/Comicgate, Screenshots von tvtotal.prosieben.de, alle anderen Abbildungen © Joscha Sauer