Johanna Baumann ist Illustratorin, Animatorin und Comiczeichnerin. Als Bachelorarbeit im Studiengang Medien und Informationswesen an der FH Offenburg zeichnete sie den Comic danach, in dem zehn Personen von der „Zeit nach einer Trennung“ erzählen. Nachdem sie einige dieser Episoden auch beim Portal myComics veröffentlicht hatte, bot ihr der Panini Verlag an, danach als Buch zu veröffentlichen. Seit September ist es nun im Handel. Für Comicgate hat sich Stefan Svik per E-Mail mit Schlogger unterhalten.
COMICGATE: Was ist ein „schlogger“, ein schwäbischer Blogger?
Schlogger: Ächm. Nein 😉 Zum ersten bin ich badisch (und da muss man aufpassen, da zwischen Badnern und Schwaben eine alte Fehde herrscht) und zum zweiten gab es das Wort vor mir nicht. Es handelt sich um eine Wortkreation aus dem badischen „Das ist locker“ („Des isch logger“). Auch zu sehen hier.
Du schreibst in danach, das Dir die TV-Serie How I Met Your Mother ein treuer Begleiter war. Welche Figur in der Serie gefällt Dir am besten?
Ich mag Marshall sehr gerne, weil er super singen kann und weil ich seinen Humor gut finde.
Und welche weibliche Figur aus How I Met Your Mother ähnelt Dir am ehesten?
Das ist schwierig, da ich finde, dass die (Haupt-)Figuren nicht sehr konsistent geschrieben sind. Wahrscheinlich eher Robin, weil ich mich manchmal auch eher „männlich“ sehe.
Bist Du ein sehr fröhlicher, optimistischer Mensch und ähnelst der „Comic-Figur“ oder zeigst Du in danach nur wenig von Deinem Innersten?
Ich bin in der Regel ein sehr optimistischer Mensch! Eine Geschichte in danach ist ja auch von mir, ich zeige also schon viel von meinem Inneren. Und in meinen kleinen Webcomics, den „Gehirnfürzen“, geht es ja auch meistens um mich.
Mein erster Gedanke war, dass danach die Geschichte einer Trennung von Mutter und Vater aus Sicht eines Kindes wäre, das suggerierte das Cover zumindest für mich. Beim Lesen dachte ich persönlich dann auch an die Trennung von alten Jobs und ähnliches. Je älter man wird, umso weniger schwer ist eine Trennung, oder?
Wenn Du jetzt Beziehungstrennungen meinst, dann stimmt das leider nicht. Man hat sicher mehr Erfahrung in dem Bereich, das ändert aber nichts daran, dass jede Beziehung individuell ist und dass man durch den jeweils neuen Partner und die spezielle Zuneigung zu dieser Person jedesmal aufs Neue sehr verletzt werden kann, wenn es vorbei ist.
In danach gefallen mir einige visuelle Ideen wie „Der Alltag“ sehr gut. Die Szene auf Seite 64 hat etwas sehr verstörendes, wie ich finde. Das ist eine Vergewaltigung, die dann mal eben so eingestreut wird. Möglicherweise wird diese Stelle sogar übersehen. Was denkst Du darüber?
Ich hab die Geschichte so aufgezeichnet, wie sie mir erzählt wurde. Und mein Interviewpartner ist danach eben nicht mehr darauf eingegangen, als ich das gezeichnet habe. Ich habe allerdings mittlerweile gehört, dass diese Art Vergewaltigung (eine des Partners) anscheinend öfters passiert. Das finde ich natürlich eher erschreckend.
Hast Du für danach Männer und Frauen interviewt? Reagieren Männer und Frauen anders auf Trennungen?
In danach sind mehr Fraueninterviews, das lag einfach daran, dass ich diese zuerst zur Hand hatte und dass dann keine Zeit mehr war für mehr. In der Zwischenzeit habe ich auch mit sehr vielen Männern über ihre Trennung geredet. Ich habe höchstens den Eindruck, dass mehr Männer sehr sensibel auf Trennungen reagieren oder dass Frauen auch öfters einfach mal „weiterziehen“, aber eigentlich gibt es jede Art bei jedem Geschlecht.
Auf Seite 21 stört sich ein Mädchen am „Kindergarten-Humor“ ihres Freundes. Man sagt, dass Mädchen in den Teenager-Jahren in der Entwicklung weiter sind als die Jungs. Die Neuauflage des Yps-Heftes war innerhalb kürzester Zeit ausverkauft, ein Heft das sich an die 30- bis 45-jährigen richtet, die in den 70er und 80er Jahren Kinder waren. Es gibt den Film Jungfrau (40), männlich, sucht über einen 40-jährigen Mann, der sich mit Actionfiguren umgibt und Videospiele spielt. Immer mehr Menschen (nur Männer?) wollen anscheinend ewig Kinder bleiben. Ist da was Wahres dran und findest Du das lästig?
Da ist sicher was Wahres dran. Solange man seriös sein kann, wenn es gebraucht wird, finde ich das aber nicht lästig. Im Gegenteil, dieses „Kindliche“ ist für mich eher ein Zeichen, dass man das Jetzt genießen kann und sich kreativ austobt. Ich komme ja sozusagen aus der Game-Szene und die Menschen dort sind alle sehr sehr nett. Sie sind Beispiele dafür, dass sich das „Kindliche“ und das „Erwachsene“ nicht ausschließt.
Das Nicht-Reden-Können ist generell ein Problem in Beziehungen. Das ganze Jahr über häufen sich Probleme an, die nicht angesprochen werden und Weihnachten soll man dann auf Kommando glücklich und friedlich sein, dabei merkt man, das man nicht dem „Ideal“ aus den kitschigen Romantik-Komödien entspricht und leidet dann darunter. Ich denke, das Problem haben Männer und Frauen gleichermaßen. Eventuell reagieren Männer dann darauf eher roher als Frauen. Was meinst Du dazu?
Äh. Meine Erfahrung ist wie gesagt, dass ich genauso viele sensible Männer wie impulsive Frauen getroffen habe. Also ja: Das Problem haben dann doch auch Männer und Frauen gleichermaßen.
Es sind Extremfälle, aber immer mal wieder rasten Männer nach einer Trennung komplett aus, mit Mord und Totschlag. Haben Frauen den Vorteil, dass sie eher über ihre Gefühle sprechen, bevor etwas eskaliert? Wäre so eine Stalker-Geschichte nicht noch interessant für danach gewesen oder wolltest Du es nicht zu reisserisch gestalten?
Klar wäre das interessant gewesen! Hätte ich so eine Geschichte gehabt, hätte ich sie reingenommen. Aber wie gesagt, als ich meine Bekannten interviewt hatte, war das Buch schon voll. Und so nebenbei glaube ich, dass Frauen manchmal eher weniger über ihre Gefühle sprechen als Männer, sondern viele Probleme alleine in ihrem Kopf lösen wollen.
Carlsen hat gerade eine Reihe mit Graphic Novels extra für Frauen gestartet, etwa Luft und Liebe – ist danach auch ein Buch eher für Frauen? Hast Du mehr weibliche als männliche Fans? Angeblich werden ja über 60 % der Bücher (nicht speziell deiner, sondern allgemein) von Frauen gelesen – warum ist das so?
Mhm, das weiß ich leider nicht. Vielleicht weil Männer eher gerne „handfeste“ Dinge tun als „nur“ zu lesen? danach ist auf jeden Fall nicht nur für Frauen, denn Trennung geht ja beide Geschlechter etwas an. Ich selbst habe es auf jeden Fall genauso vielen Männern wie Frauen signiert.
Was kam bei Dir „danach“, also nach einer Trennung? Eine Mischung aus allen Geschichten im Buch oder gibt es eine, die besonders stark auf Dich zutrifft?
Wie gesagt, eine Geschichte ist meine eigene. Ich hatte aber mehr als eine Trennung in meinem Leben und die sind alle unterschiedlich verlaufen. Sei es, dass ich sofort einen Neuen hatte oder mich erstmal ausgetobt habe oder erstmal in ein tiefes Loch gefallen bin. Ich kann mich daher mit vielen Geschichten aus danach identifizieren.
Du arbeitest jetzt in Hamburg an Filmen, richtig?
Ich habe in Hamburg bei der Computerspielefirma Daedalic Entertainment an Spielen wie Deponia 1 und 2 und The Rabbit’s Apprentice mitanimiert. Jetzt bin ich allerdings wieder in Freiburg und mache erstmal meinen Master zu Ende.
Wie war diese Arbeit so? Stammen die Bilder im Spiel von Dir allein oder von einem Team?
Deponia ist ein klassisches 2D Click-And-Point-Adventure wie The Secret of Monkey Island oder Day Of The Tentacle. Die Spielstory stammt von Poki (der auch Edna bricht aus geschrieben hat) und das Art Design von Simone Kesterton. Ich habe also einfach „nur“ bereits bestehende Figuren animiert. Kleine Hintergrundfiguren wie Möwen oder Haifische konnte ich dann schon selbst entwerfen. Wir waren ein ziemlich großes Team, Daedalic Entertainment ist ja auch keine kleine Firma 😉
Wie unterscheidet sich die Arbeit für ein Spiel von der an einem Comic wie danach?
Dass ich bei Deponia animiert habe ist ein großer Unterschied zu danach. Beim Animieren muss man die selbe Figuren wie beim Trickfilm sehr oft in ähnlichen Posen zeichnen, um eine nachvollziehbare Bewegung hinzubekommen. Bei danach hingegen musste ich „nur“ statische Einzelbilder zeichnen.
Ist Freiburg für Dich sehr viel anders als Hamburg?
Beide Städte sind wirklich sehr schön! Hamburg ist eher kalt, dafür sehr groß, sympathisch, für jeden ist was dabei und das viele Wasser und die vielen Parks machen die Stadt sehr gemütlich. Außerdem ist dort eine viel größere Zeichnerszene und mein Freund wohnt auch da (lächelt). Dafür fehlen mir in Hamburg die Berge, die es in Freiburg mit dem Schwarzwald und dem Kaiserstuhl gibt. Die Stadt ist sehr klein, aber für mich wunderbar vertraut. Außerdem ist es in Freiburg oft wärmer und man kann länger draußen schwimmen gehen. Achja, in Hamburg sind die Schwimmbäder völlig überteuert, das nervt mich, da ich sehr gerne schwimme.
Wird es weitere Comics von Dir geben?
Auf jeden Fall! Seien das kürzere Werke wie im Comic-Magazin JAZAM!, Independent-Produktionen oder längere Werke wie meine Masterarbeit. Außerdem übernehme ich nebenher auch Illustrationsjobs.
Könntest Du Dir ein Buch von Dir in einem ganz anderen Zeichenstil vorstellen?
Mhm, schwierige Frage. Solange ich mich für den anderen Zeichenstil nicht sehr verstellen müsste, klar! Ich bin grundsätzlich offen für alles.
Bedeutet Dir Schreiben und Zeichnen gleich viel oder magst Du eines davon lieber?
Obwohl ich gerne schreibe, denke ich, dass ich lieber zeichne, da es hier mehr Möglichkeiten gibt, sich auszudrücken.
Welche Comic-Klassiker magst Du am liebsten? Welche Comics liest Du aktuell gerne?
Ich hab mit Asterix, Lucky Luke, Spirou & Fantasio und den Lustigen Taschenbüchern mit den Comics angefangen. Die lese ich auch alle noch sehr gerne, besonders Franquin zeichnet einfach beeindruckend! Dann kamen 1999 mit Dragonball und Sailor Moon noch die Mangas dazu und irgendwann dann die ganzen „Graphic Novels“. Achja, Ralf König finde ich auch genial! Zur Zeit lese ich Der alltägliche Kampf von Manu Larcenet und zum etwa 73. Mal Video Girl Ai von Masaku Katsura (hier geht es übrigens um „Video Girls“, die Männer trösten sollen, die unglücklich verliebt sind oder sich getrennt haben, also auch ein sehr emotionaler Manga).
In Hannover gab es neulich einen Doppel-Signiertermin mit dir und dem italienischen Zeichner Davide Fabbri. Hattest du da Gelegenheit, Dich mit ihm zu unterhalten? Tauschst Du Dich mit anderen Künstlern aus?
Ich tausche mich so oft es geht mit anderen Künstlern aus, wobei das eher Webcomiczeichner wie ich sind. Mit „Größen“ wie Davide Fabbri oder Colin Wilson hab ich immer nur bei kleinen Panini-betreffenden Gelegenheiten Zeit zu reden. Das ist dann aber immer sehr interessant.
Und wie war die Frankfurter Buchmesse für Dich?
Frankfurt war super! Ich liebe diese (positive) Hin- und Herhetzen zwischen Kollegen, Fans und Interviews!
Du bist sehr aktiv im Internet. Beeinflusst das Deine Arbeit sehr stark oder sind die Erlebnisse wichtiger, die Du offline mit Freunden und Verwandten hast?
Ich kann nur aktiv im Internet sein, weil ich offline etwas erlebe. Das Internet ist für mich eher ein Medium, in dem man die „Realität“ teilen aber nicht unbedingt erschaffen kann.
Macht es die „Umsonst-Kultur“ des Internets es für einen Künstler schwerer oder leichter, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten? Im Spiegel gab es dazu ein interessantes Interview mit Jan Delay und einem Mitglied der Piratenpartei. Ein „echter“ Verlag ist eben auch eine gute Methode um zu veröffentlichen und Künstler sollten angemessen entlohnt werden, richtig? Ist so was uncool für die Leser?
Ich habe eher den Eindruck, dass viele Leser gerne etwas bezahlen möchten. Das sieht man ja schon daran, dass flattr funktioniert (eine Art Spendenbutton, den man auf seiner Seite einrichten kann) oder dass beispielsweise Beetlebum von seinen Fans Comics gekauft bekommt. Daher sind die Online-Leser auch bereit, für Gedrucktes zu bezahlen – und selbst wenn das nur ein kleiner Prozentteil ist, so hat das Internet dann doch auch umsonst Werbung gemacht. Für Musiker ist das aber sicher etwas anderes, da es da keinen so großen Unterschied macht, ob man ein Lied aus dem Web hört oder gekauft hört, wie wenn man etwas auf dem Bildschirm oder gedruckt liest.
Wenn Du so viel im Internet liest, ist es dann schwer, nicht auf jeden Singsang zu reagieren? Vor 10 Jahren war es schwer etwas zu veröffentlichen, heute scheint die Schwierigkeit eher zu sein nicht jeden Quark sofort online zu stellen, finde ich. Ich lese über junge Menschen, die sich nach Facebook-Mobbing sogar umbringen und finde das traurig, begreife selbst auch nicht, wieso man ständig online sein sollte, ich finde das mitunter etwas zermürbend.
Viele der moderneren Generationen sind halt daran gewöhnt. Man benutzt das Internet als Allround-Zerstreuungsmedium, auf der Toilette, im Zug etc. Das mache ich selbst ehrlich gesagt auch. Es kommt dann wirklich darauf an, wie man damit umgeht. Man kann ja z.B. auch nur lesen, ohne selbst großartig etwas preiszugeben. Facebook-Mobbing bzw. Internet-Mobbing ist so brutal, weil es sich so schnell verbreitet und nicht zu unterbinden ist. Man kann schneller die Kontrolle verlieren. Mobbing ist aber auch ohne Internet schrecklich. Da muss dem einzelnen Menschen geholfen und nicht das Medium verteufelt werden.
Abbildungen: © Schlogger, Fotos: © Stefan Svik