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Interview mit Hansi Kiefersauer


Comicgate: Wie sind Sie zum Comic gekommen?

Hansi Kiefersauer: Dadurch, dass ich selbst gerne Comics gelesen habe als Kind – und geguckt natürlich, die Bilder waren ja sehr wichtig. Und das hat dazu geführt, wie glaub ich bei vielen Kindern, dass man halt zeichnet und wenn man zeichnet, auch Comics zeichnet. Und dieses Interesse an Comics hat sich bei mir über die ganzen Jahre erhalten. In meiner Kindheit gabs ja nicht sehr viele, es gab natürlich Micky Maus, diese Piccolos und diesen Krempel, sag ich mal ein bisschen abfällig, aber auch Prinz Eisenherz oder Robinson.

Und es hat sich erhalten. Zum Glück gabs dann später ja den amerikanischen Underground, der viele aus meiner Generation angespornt hat wieder Comics zu zeichnen und uns gezeigt hat, dass man mit Comics auch andere Inhalte transportieren kann als nur lustige Geschichten.

Ganz konkret dazu gekommen bin ich später, als ich in München beim Blatt angefangen hab zu arbeiten. Gerhard Seyfried, der damals dort für die Comics zuständig war und fürs Layout (das war die eigentliche Aufgabe), der ging ja nach Berlin. Dann bin gefragt worden, ob ich eben Layout-Arbeiten machen möchte.

Und bei der Gelegenheit konnte ich auch meine Comics einfach reinsetzen. Also es war recht ungezwungen und das wiederum hat dazu geführt, daß ich Kollegen kennen gelernt hab, andere Comiczeichner in München. Da entstand dann die Idee ein eigenes Comicheft zu machen, das war das Zomix – von dem’s dann insgesamt elf oder zwölf Ausgaben gab, über ein paar Jahre verteilt.

Ja und dann ging das los – die Überlegung, damit weiter zu machen und es zum Beruf zu machen hat sich natürlich auch langsam erst entwickelt. Die Möglichkeiten Comics zu veröffentlichen waren ja damals auch gering und sind es heute noch. Also mussten wir erstmal das Geld anderweitig verdienen, sprich Layout-Arbeiten; ich habe lange Lettering gemacht, für den Carlsen-Verlag und den Volksverlag. Und so hat sich das dann langsam entwickelt, bis man dann irgendwann festgestellt hat, jetzt ist man plötzlich Comiczeichner.

CG: Haben sie denn eine Grafikausbildung gemacht?

HK: Nein, überhaupt nicht, ich bin reiner Autodidakt.

Ich hab studiert, ich hab auch einen Lehrberuf gemacht, also ich war mal Dekorateur, aber das hatte alles mit Zeichnen nix zu tun. Das hab ich auch alles recht bald wieder aufgegeben. Sondern ich hab lange Jahre Musik gemacht – und gezeichnet und gejobbt.

Damals gab’s im Comic-Bereich keine Ausbildung. Das Einzige, das man machen konnte – das wusste ich gar nicht – war bei Kauka (Fix & Foxi), der ein paar Zeichner beschäftigt hat. Ansonsten weiß ich über diese damalige Szene auch recht wenig eigentlich. Ich war da recht naiv und wär auch gar nicht auf die Idee gekommen.

Später wollte man dann nicht mehr, da war man dann dran Autorencomics zu machen, also selbst alles zu regeln. Wir haben die Sachen selber organisiert, selber drucken lassen, einen Vertrieb aufgebaut und solche Geschichten. Das war ganz interessant und hat viel vom Hintergrund des Comiczeichnens gezeigt, mit dem man als Zeichner sonst eigentlich gar nichts zu tun hat. Ich fand das ganz schön.

Aber schwierig wurde es dann, wenn man gemerkt hat, man kann nicht davon leben.

Ich hab mich dann mehr aufs Zeichnen konzentriert und versucht, da eben mein Geld zu verdienen und da waren die verschiedenen Stadtzeitungen relativ hilfreich, denn da konnte man recht einfach Cartoons oder Comics unterbringen. Gutes Geld gabs nicht, aber mit 20, 25 oder auch 30 macht’s halt viel weniger aus noch mit wenig Geld auszukommen. Ich weiß offen gesagt nicht mehr wie die jungen Leute das heute machen, aber damals konnte man mit ein paar hundert Mark im Monat gut auskommen. Es gab ja auch die Wohngemeinschaften, die dazu beigetragen haben, dass viele Leute mit sehr wenig Geld gelebt haben.

Aber klar, die Ansprüche steigen, auch bei mir, da kommt Familie dazu usw., dann muss mehr Geld her, und das ist relativ schwer im Comicbereich.

Weiter ging es mit Zomix, mit Rad ab hier in Berlin, ich hab übers Blatt auch den Detlef Surrey kennengelernt, mit dem ich immer noch Hand in Hand hier im Studio arbeite. Und mit dem und noch ein paar anderen Kollegen zusammen, der Harald Juch und der Fuchsi, hatten wir die Idee, Kalender und Cartoon-Postkarten zu fabrizieren und da ergab eines das andere. Ich hab in Berlin immer mehr Zeichner kennengelernt – auch den Gerhard Seyfried später – und wir haben zusammen Bücher, Kalender, Kataloge und Ausstellungen gemacht. Ich hab auch für U-Comix was gezeichnet, Hugos Comiczeichen-Kurs. Ein anderer Band ist mehr zufällig entstanden, der erste Bubi-Livingston-Comic bei Alpha. Das waren eigentlich Blätter aus meinen Skizzenbüchern, davon gab’s eine Menge, damit konnte ich dann ein Buch machen.

CG: Damals ist doch auch im Semmel-Verlag das eine mit Gilbert Shelton und so erschienen …

HK: … die Mixed Pickles? Genau, da war ein Versuch von mir, nicht nur meine eigenen Sachen zu verlegen, sondern auch anderes. Es hat mir seit Zomix-Zeiten immer Spaß gemacht, Heftchen zu machen. Das hab ich mit Mixed Pickles auch versucht, war aber leider nicht sehr erfolgreich.

CG: Wie hoch war denn die Auflage?

HK: Das weiß ich nicht mehr, das werden wenige tausend Stück gewesen sein.

CG: Das ist ja doch schon relativ viel, wenn man das mit anderen Comicheftchen vergleicht…

HK: Ich hab ehrlich gesagt keine Ahnung, was so die Auflagen sind. Von diesen Alben scheint sich einiges im unteren Tausenderbereich bewegt zu haben. Zwei-, dreitausend waren dann wohl schon gut, aber das erscheint mir nach wie vor sehr wenig. Das ist wohl für den Verlag kein großes Geschäft und für den Zeichner noch weniger – davon kann ja kein Mensch leben.

Überhaupt, bei diesen Comicalben: Die Verlage haben ihre Politik glaube ich auch geändert. Ich kümmere mich nicht mehr darum, weil ich selbst sehr viel Arbeit hab und meine Sachen mehr verfolge. Aber 'ne Zeitlang war das ja schon so, dass Verlage versucht haben, deutsche Zeichner zu etablieren und haben Alben mit ihnen gemacht. Ich fand das immer fragwürdig, weil sich ein Zeichner in der Regel besser verkauft wenn er irgendwo regelmäßig erscheint, in einer Zeitung oder einem Comicmagazin. Und diese regelmäßigen Veröffentlichungsmöglichkeiten gibt es eben kaum.

Bei diesen Albengeschichten haben sich Leute dann viel Arbeit gemacht, 50 Seiten, oft in Farbe, und wenn dann 2000, 3000 Stück verkauft werden kommt nix bei rüber.

CG: Diese Berliner Zeichengruppierung ist ja dann auseinandergefallen. Mit Detlef Surrey arbeiten Sie ja noch im Studio zusammen, aber Fuchsi ist gestorben …

HK: … ja, Seyfried ist weggezogen. Aber das ist vielleicht ein falscher Eindruck. Es gab und gibt ja eine Zeichnerszene und Gruppen, die sich treffen, insgesamt ist das ja doch sehr lebendig. Das heißt man arbeitet vielleicht für Projekte zusammen, oder für Heftchen oder eine bestimmte Zeit. Aber man macht ja Verschiedenes und hat verschiedene Kontakte, das ist fließend. Und wenn man in den Beruf reinwächst wie ich und irgendwann sehr viel Arbeit hat, gehen diese „schönen Sachen“ wie Heftchen machen nicht mehr. Man muss sich auf die Sachen konzentrieren. Man hat Verpflichtungen und Deadlines, da bleibt dann wenig Spielraum für gemeinsame Aktivitäten. Das ist einerseits schade, andererseits ist man heilfroh, wenn man davon leben kann. Und die gemeinsamen Aktivitäten beschränken sich dann darauf, abends ein Bier zu trinken und über das Geschäft zu reden.

Die „Kopf-Hoch-Gruppe“, das waren der Detlef Surrey, Harald, der Fuchsi, der Peter Petri und ich. Und wir haben sieben, acht Jahre zusammen einen Kalender gemacht. Irgendwann war dann der Dampf raus. Dann haben wir 'ne Zeitlang das Rad Ab-Heftchen gemacht, das war wieder ne andere Gruppe. So formieren sich halt Gruppen, ich glaube, das ist heute nicht anders.

Ich hab zu jungen Zeichnern inzwischen relativ wenig Kontakt, ich bin ja nun auch ein alter Kerl im Geschäft, so gesehen. Die Leute, die ich noch persönlich kenne, das ist – ich sag immer so die nächste Generation, also Fil, Andreas Michalke, Oliver Naatz. Aber es gibt ja schon wieder neue Zeichner noch und nöcher. Wenn ich in einen Comicladen gehe fühle ich mich inzwischen völlig überfordert. Ich hab lange Jahre wirklich viele Comics gelesen, auch gerne, lese jetzt aber relativ wenig. Ich glaube das kommt durch zwei Sachen, erstens bin ich den ganzen Tag damit beschäftigt und will am Abend nicht noch Comics lesen, und zweitens ist es ja so, dass Comics oft von jungen Männern gemacht werden mit ihren eigenen Ideen oder so, und mich interessiert vieles einfach vom Inhalt nicht mehr. Auch diese autobiographischen Comics, die ich eine Zeit lang auch gerne gelesen hab, und Kindercomics sowieso nicht.

Ich selbst mache ja inzwischen Kindercomics und bin auch sehr froh darüber, denn ich fühle mich dabei tatsächlich unabhängiger als bei den eigenen Sachen, weil ich dabei nicht auf irgendwelche Moden oder sowas gucken muss. Ich mache das zusammen mit den Kollegen, die die Geschichten schreiben. Das ist für Blaubär der Ralph Ruthe …

CG: Blaubär auch?! Ich dachte nur bei Bubi Livingston …

HK: Nee, da hatte Ralph mir seit langen Jahren die Skripts geschrieben. Immer wo Ruthe drunter steht ist auch Ruthe drin. Im Moment mach ich die Bubis wieder selber, weil ich mehr Zeit und Lust habe, aber die Blaubär-Hefte macht der Ralph. Die Weeklys macht zur Hälfte der Ralph und zur Hälfte der Peter Petri. Ich fühl mich da wie gesagt etwas freier und kann mit Ralphs Geschichten sehr gut was anfangen und mir macht es richtig Spaß das Zeug zu zeichnen.

CG: Bei den Birne-Comics, die im Mike-Heft ( „Mike der Taschengeldexperte“) von der Volksbank erschienen, machen Sie da noch etwas?

HK: Das mach ich seit drei oder vier Jahren jetzt nicht mehr. Das habe ich gerne gemacht.

Aber ich hab durch den Blaubär doch recht viel zu tun und möchte meine eigenen Sachen auch noch machen, sprich den Bubi weiter zeichnen, das eine oder andere Kinderbuch illustrieren. Das hab ich in den letzten Jahren angefangen und es macht mir großen Spaß. Ich musste halt ein paar Sachen aufgeben, darunter die Birne.

CG: Gibt es etwas, das Sie gerne machen würden, aber noch nicht gemacht haben, weil die Zeit fehlt?

HK: Ja, so ein paar Ideen hat man immer im Kopf, aber im Moment wünsch ich mir Kinderbücher zu illustrieren. Es gibt jetzt zwei Stück, die Hermann Stange geschrieben hat, die bei Betz erschienen.

Es ist halt auch ne andere Arbeit als Comics zu zeichen. Comics zeichnen empfinde ich als persönlich als Knochenarbeit. Es macht einerseits Spaß, ist andererseits auch hart.

CG: Wieviele Stunden arbeiten Sie so täglich?

HK: Im Studio hier bin ich ungefähr neun Stunden, und davon zeichne ich etwa zwei Drittel der Zeit.Das andere Drittel geht für Gespräche, Telefonate und Rechnungen drauf.

CG: Wie kam es dazu, dass Sie die Blaubär-Comics zeichnen?

HK: Ich bin von Walter Moers gefragt worden, der hat mal angerufen und gefragt, ob wir – sprich das Honk-Studio – Interesse hätten, Blaubär-Comics zu zeichen, also die Weeklys. Das war für uns selbstverständlich eine hochinteressante Sache, weil es 'ne regelmäßige Geschichte ist, weil es Figuren von Walter Moers sind und die sind sowieso toll, wie ich finde.

Und für mich hat sich dann herausgestellt dass es nicht nur um die Weeklys ging, sondern auch im diese Lizenzgeschichten, also Merchandisingsachen. Und das war ziemlich rasant, das hat Ravensburg damals angefangen und ich bin da kopfüber reingestürzt und musste vom ersten Tag an auf die Schnelle ein paar T-Shirts und so erledigen und bin dann weiter reingekommen. Das mach ich jetzt auch schon zehn Jahre, oder so.

CG: Ist das quasi auch das Haupteinkommen?

HK: Na ja, so fifty-fifty. Blaubär macht relativ viel aus natürlich, aber ich versuche meine eigenen Sachen weiter zu machen, zum einen weil ich sie gern mache, zum anderen weil ich nicht von einer einzigen Sache abhängig sein will. Deshalb erledige ich die Blaubär-Arbeiten mit Kollegen zusammen, mit Textern wie Ralph Ruthe, Peter Petri und nach Bedarf auch mit weiteren Zeichnern oder Koloristen. Und dadurch geht auch sehr viel Geld wieder weiter.

CG: Gibt es irgendwelche Fehler, die junge Zeichner vermeiden sollten?

HK: Ein Ratschlag gleich vorab bei Heftchen: Sich mit Kollegen zusammentun, mit Freunden zusammentun und irgendwas produzieren. Und sei es in Miniauflagen, aber nur so kann man ja auch lernen. Die Wenigsten sind von Anfang an so gut, dass sie irgendwo professionell veröffentlichen können. Es gibt ja Ausnahmen, Leute, die fantastisch sind und bei denen es gleich klappt. Aber bei den meisten ist es so, dass sie doch erstmal auch viel lernen müssen, aber man kann's auch lernen.

Und dann ist mir aufgefallen, dass Leute, die uns Sachen geschickt haben für Zomix oder Rad Ab gleich unheimlich lange Geschichten angefangen haben, und das halt ich für einen schweren Fehler, weil da gehört 'ne enorme Energie dazu, gleich aus dem Stand 20 bis 30 Seiten zu machen. Und da ist die Chance, die veröffentlicht zu bekommen, minimal. Es ist immer besser erstmal kürze Sachen zu machen, Einzelbilder, Kurzgeschichten, Strips – oder im Grunde einfach zeichnen, zeichnen, zeichnen, egal was.

Sonst wüsste ich nicht, was man falsch machen kann. Wenn man das Zeichnen mag, dann zeichnet man. Natürlich ist es so, dass man erstmal für die Schublade zeichnet. Aber heute gibt’s ja vielleicht auch bessere Möglichkeiten an Hochschulen, Kunstschulen, an Zeichenkursen teilzunehmen. Und dazu würde ich raten, wenn man die Möglichkeiten hat.

CG: Vielen Dank für das interessante Gespräch!

Honk-Studios

M. Magenbitters Website

Gerrit Arndts Website

Bildquellen: Foto ruthe.de, Blaubär honk.de