David Füleki, kreatives Vielzeichnertalent und bisher eher für charmant-lockerflockige Unterhaltung wie Entoman, Studieren mit Rind oder die Neuinterpretation von Struwwelpeter bekannt, zeichnet seit etwa einem Jahr auch die Comicstripserie seitwärts für vorwärts – die Zeitung der deutschen Sozialdemokratie. Zehn Strips sind bis jetzt erschienen. Die Folge in der aktuellen Ausgabe März 2012 des vorwärts erregte allerdings heftig die Gemüter der Genossen (anzusehen auf der vorwärts-Website, rechte Spalte unter „Druckausgabe“, S. 27). Auf dem JuSo-Blog gab es einen offenen Brief an den vorwärts-Chefredakteur Uwe Knüpfer, die Facebook-Pinnwand des Magazins läuft heiß bis hin zur Androhung von Abonnementskündigungen und auch ins Lafontaine-Blog hat es die Folge geschafft. Dabei wird vor allem die Redaktion des vorwärts angegangen, weniger der Autor und Zeichner David Füleki.
Kritikpunkte sind unter anderem, dass in diesem Comicstrip ein „sozialistischer Jugendtreff“ als gewaltbereit dargestellt wird, dass zwischen den Zielen links und rechts Orientierter nicht differenziert wird sowie klischeehafte Darstellungen in Form eines sächselnden Rechtsradikalen und eines schweinsnasigen Linken.
Wir befragten David Füleki am 03.03.2012 zu diesem Thema.
Comicgate: David, kannst Du die Aufregung verstehen? Hast Du mit ihr gerechnet oder wolltest Du vielleicht sogar derart provozieren?
David Füleki: Gut, dass Du’s schreibst. Bisher hab ich davon nämlich noch gar nichts mitbekommen gehabt. Krass! Hab gerade mal nur die politische Blogosphäre tangiert und schon massig dazu gefunden. Okay. Sowas hatte ich ja noch nie!
Also vorerst: Provozieren kann man nur die, die sich angesprochen fühlen, also die, die sich mit den Figuren identifizieren. Und die Figuren des seitwärts-Comics sind so dermaßen überzeichnet, dass ich bis vor zehn Minuten noch gedacht hätte, dass allen klar ist, dass es sich dabei um eine satirische Übertreibung handelt. Im Kontext weiterer Kapitel erkennt man das auch sicher besser. Generell bin ich davon ausgegangen, dass satirische Überzeichnung hierzulande Tradition hat und klar geht, solange man den Koran außen vor lässt. Aber okay. Dann sind einige Vertreter der linken Ecke wohl nicht ganz der Meinung.
Und klar wird da nicht weiter differenziert – sonst wär die Pointe langweilig! Mein Comic erfüllt ja keinen Bildungsauftrag, er soll eher zum Nachdenken anregen. Das hat er ja auch. Insofern hab ich meine Arbeit wohl ganz gut gemacht, auch, wenn im Lafontaine-Blog steht, dass die Geschichte nicht lustig war. Geschmackssache.
Generell fühl ich mich gerade fast schon ein bisschen zu stolz drauf, dass das erste Mal eins meiner Werke so ein enormes Echo hat. Darf man das in dem Fall überhaupt sagen? Klar, mir tut’s leid für diejenigen, die das Ganze fehlinterpretieren oder sich auf den Schlips getreten fühlen. Und für die vorwärts-Redaktion tut mir die Kritik leid. Aber so ein Diskurs ist doch letztlich auch was wert und eigentlich für „politischen Witz“ erstrebenswert.
Ansonsten bleibt zu sagen, dass gegen die linke Gesinnung definitiv nichts zu sagen ist, aber sehr wohl gegen den – egal ob links oder rechts motivierten – ausartenden Extremismus, den ich als Tiefost-Kind nur zu gut kenne – von beiden Seiten gleichermaßen. Und eben das ist ja die Botschaft des Comics. Denn bei bloßer Anarchie und Zerstörungsgeilheit verschwimmen eh die politischen Motive.
Übrigens soll der Dialekt des Nazis nicht Ostdeutsch sein. Das ist vielmehr ein Mischmasch aus verschiedensten Dialekten und schlichtweg ironischerweise falschem Doitsch. Da find ich’s viel befremdlicher, in dieses Kauderwelsch Sächsisch reinzuinterpretieren, denn das bedeutet ja, dass man in gewisser Weise voreingenommen ist, was mein wunderschönes Heimat-Bundesland anbelangt. Wie man nur auf sowas kommt?
CG: Den Erzürnten geht es wohl hauptsächlich darum, dass jeder als (potenziell) gewalttätig dargestellt wird, der sich in einer politisch ambitionierten, demokratischen Jugendarbeit (eben zum Beispiel der „sozialistische Jugendtreff“) engagiert.
DF: Ja, ist auch verständlich, sich da aufzuregen, wenn man persönlich betroffen ist. Aber der Comic sollte halt auch echt nicht so oberflächlich gelesen werden, wie er auf den ersten Blick aussieht.
In dem offenen Brief kommt noch mal gut was an Meinungen zusammen – leider sehr einseitig, wenn alles von links kommt. Deswegen mach ich jetzt noch mal ’ne eigene Diskussionsrunde, ist auf meiner Facebook-Pinnwand zu verfolgen [nur mit FB-Account sichtbar – Anm. d. Red.].
CG: Gab es einem konkreten Anlass für diese Folge?
DF: Ja, in jeder vorwärts-Ausgabe gibt’s ja ein Leitthema. Für die aktuelle Ausgabe war das „politische Jugend“.
Autobiografisch gesehen war der Anlass, genau diesen Stoff umzusetzen, die oben genannte Erfahrung auf dem Gebiet. Hier und da versuch ich in die seitwärts-Comics eigene Erfahrungen einzubauen – eben damit dann niemand meckern kann von wegen: „So is das aber nich!“ Klappt aber nicht immer.
CG: Wie sieht die Zusammenarbeit mit der Zeitung aus: Besprichst Du Deine Ideen mit einem vorwärts-Redakteur, wurden auch schon mal Folgen abgelehnt?
DF: Jede Folge muss erst mal durch eine Kontrolle, bevor ich ins Reine zeichnen kann, und einige Folgen fallen auch durch. Das hat teils politische Hintergründe, teils aber auch einfach humoristische, wenn mal ’n Gag nicht so zündet.
CG: Ziehst Du irgendwelche Konsequenzen aus den heftigen Reaktionen?
DF: Noch keine Ahnung. Hab ja gerade erst davon erfahren.
Man könnte natürlich nachträglich noch mal ein „How to read“ zu dem Comic rausbringen, indem genau die ironischen Momente und die Satire erklärt wird. So was find ich dann immer traurig, weil man ja meinen könnte, dass sich das im gegebenen Kontext erübrigt, ohne dass man alles klein und kaputt redet.
Sollten sich aber wirklich enorm viele echauffieren, könnte man eine Entschuldigung anstreben. Schade eigentlich.
CG: Wie kam es überhaupt zu dem Kontakt mit vorwärts?
DF: Da hat Tokyopop [der Comicverlag, der David hauptsächlich publiziert – Anm. d. Red.] die Vermittlungsarbeit übernommen. Die vorwärts-Redaktion suchte jemanden für ’nen neuen Comic, Tokyopop hat mich vorgeschlagen, man hat sich in Berlin getroffen und letztlich ist auch was draus geworden. [Link: vorwärts-Interview mit David Füleki zum Einstand]
CG: Siehst Du Dich selber als politischen Menschen?
DF: Ja, schon. In gesund-gemäßigtem Rahmen.
Zwar bin ich nicht unbedingt jemand, der sämtliche aktuelle Nachrichten studiert und sich zu allem auf Krampf eine Meinung bildet, aber ich bin auch nicht gerade der, der den ganzen Tag unreflektiert schimpft: „Die [Politiker] machen doch eh mit uns, was sie wollen!“
Wenn mich ein Thema besonders stark betrifft oder interessiert, investiere ich gern die Zeit, mich darin zu belesen und versuche mir daraus ’ne ordentliche Meinung zu bilden.
CG: Kann man sich eigentlich irgendwo alle bisherigen Folgen von seitwärts anschauen?
DF: Das wär natürlich toll, wenn sich jetzt viele die Frage stellen! 😀
Aber ich glaube, das ist nicht möglich. In Berlin werden die Ausgaben sicher in der Redaktion archiviert und ich behalte meine Belegexemplare in Ehren. Aber ein sonstiges Archiv, zum Beispiel online, ist mir ansonsten nicht bekannt. [rechts: eine der älteren Folgen von seitwärts]
NACHTRAG 05.03.2012: Der vorwärts-Chefredakteur Uwe Knüpfer hat sich mittlerweile ebenfalls zu dem Thema geäußert.
CG: Kommen wir zu einem ganz anderen Thema, nämlich Deiner Website Manga-Madness. (Folgende Fragen wurden bereits Ende 2011 gestellt und beantwortet.)
Im Impressum wird der Verlag Tokyopop als Inhaber genannt, obwohl es Deine eigene virtuelle Heimat ist. Was hat es damit auf sich?
DF: Dahinter steckt vor allem die weise Voraussicht eines Jo Kaps‘ [Verlagsleiter von Tokyopop – Anm. d. Red.], der sich das Ganze ausgedacht hat und sich sicher auch einen nachhaltigen Nutzen für meine Aktivitäten bei Tokyopop von dem Projekt verspricht. In der Tat schweben schon seit einigen Jahren Pläne durch die Tokyopop-Redaktion, wie man meine Internet-Präsenz besser in meine Print-Comic-Karriere einbinden könnte. Es gab sogar konkrete Pläne (unter anderem im Bereich interaktiver Comic), die dann allerdings an ihrer sehr schweren Realisierbarkeit scheiterten. Nun haben wir uns letztlich für einen – oberflächlich betrachtet – klassischen Mittelweg entschieden: Eine Internetseite, auf der ich meine Werke archivieren kann sozusagen. Zudem können nun meine Leser endlich mal einen Großteil meines Schaffens auf einer Seite finden, statt sich durch ein gutes Dutzend Web-Galerien zu klicken.
Die eigentliche Idee hinter der Seite ist, dass ich von Tokyopop-Seiten aus Narrenfreiheit eingeräumt bekomme bei der Gestaltung und Verwaltung der Seite. Und diese Narrenfreiheit kann ich nun ausloten mit vielen Comic-Projekten, die nur mit Online-Publikum realisierbar sind. Das heißt, ich werd auch mein Bestes versuchen, mittels dieses Werkzeugs den Webcomic in irgendeine Richtung weiterzuentwickeln.
Der Nutzen für Tokyopop wird dann darin bestehen, dass meine Experimente eine Art Marktforschung sind, über die man wiederum den Erfolg von möglichen Buchprojekten abwägen kann. Daher sind auch schon erste Print-Umsetzungen solcher – erfolgreich verlaufener – Experimente, in Arbeit wie zum Beispiel die Veröffentlichung der ursprünglichen Webcomics „Blutrotkäppchen“ und „Serial Sausage Slaughter“ bei Tokyopop.
Die Seite wird regelmäßig aktualisiert und mit neuen Material versehen. Ich veröffentliche jetzt viele meiner Werke – auch solche, die nicht bei Tokyopop erscheinen – unter dem Label „Manga-Madness“, um deutlich zu machen, dass in meiner Comic-Welt irgendwie alles miteinander in Verbindung steht. Alles spielt sozusagen im selben Universum – auch, wenn es in der Regel nicht oder nur gering miteinander in Verbindung steht.
CG: Wird Tokyopop auch andere Künstler mit eigenen Seiten unterstützen oder hat es vielleicht schon?
DF: Also zumindest von der im Netz ebenfalls sehr aktiven Kollegin Natalie Wormsbecher gibts eine entsprechende Seite. Auch hier sieht man sehr gut den persönlichen Einfluss der Zeichnerin auf die Seiten-Gestaltung und den Aufbau. Es sind also tatsächlich Seiten, die die Künstler repräsentieren und weniger den Verlag, der dahinter steht.
Eventuell sind diese ersten Seiten der Probelauf für mögliche zukünftige Projekte dieser Art.
NACHTRAG 05.05.2012: Laut Natalie hat Tokyopop mit ihrer Website nichts zu tun. Trotzdem lassen wir den obigen Link stehen – einfach, weil die Seite sehr gut gemacht ist.
CG: Wie kam es zum Kontakt mit Nichtlustig, der Firma rund um Joscha Sauer, die Dir die Seite programmiert haben? Kannst Du selber updaten oder läuft das alles über Nichtlustig?
DF: Die Nichtlustig-Gang sind ja alte Homies vom Dr. Kaps und ich war auf alle Fälle arg geflasht, dass so hochkarätige Leute mit so ’nem Bummel-„Nachwuchszeichner“ wie mir zusammenarbeiten. War auf alle Fälle ’ne feine Sache, auch mit soviel Erfahrung zu tun zu haben. Eine meiner schlechteren Ideen konnten die Jungs mir zum Glück ausreden, einige Ideen, die ich mal besser gehabt hätte, aber nicht hatte, konnten sie mir nahelegen.
Momentan bin ich immer noch im Einarbeitungsprozess, was die Seitenverwaltung anbelangt. Mir wurde da ein Content Management System zurechtgewerkelt und da werd ich noch eingearbeitet. In Kürze kann ich dann hoffentlich das Wesentlichste selbst administrieren und somit auch das Tempo ganz nach meinem Ermessen vorgeben.
CG: Gibt es bestimmte Pläne für Manga-Madness (vielleicht Sneaks zu anstehenden Projekten bei Tokyopop) oder ist es auf absehbare Zeit einfach eine Portfolio-Seite von Dir?
DF: Fest steht, dass nach und nach immer wieder alte Sachen ihren Weg auf Manga-Madness finden werden – egal, ob Artwork, Cartoons, Comics oder sonstige Schmankerl. In der Hinsicht hat es also eine Archiv-Funktion. Das heißt, dass vor allem vergriffene und kaum mehr erhältliche Printcomics dort ihren zweiten Frühling erleben werden – stets in einer überarbeiteten, verschönten Form. Gerade für die aktuelle Verlagspolitik meines Kleinverlags Delfinium Prints sowie unsere Leser wird das eine wichtige Rolle spielen, da wir nach und nach unsere älteren Titel nun abverkaufen werden und die in Zukunft gratis online gelesen werden können. Die Idee dahinter ist, dass die Sachen ihr Geld drinhaben, wie man so schön sagt, und jetzt den Fans geschenkt werden.
Für mich aus künstlerischer Sicht wird allerdings das bereits angesprochene Experimentelle von zentralem Interesse sein. Wer letztes Jahr meine Entoman-Comics auf comicstars.de oder in den letzten Jahren meinen Animexx-Comic Studieren mit Rind verfolgt hat, wird vielleicht meine interaktiven Aktionen kennen, die ich regelmäßig mit meinen Lesern durchziehe. Bisher waren all diese „Happenings“ (so nenn ich das immer) schöne Erfolge, weshalb ich mich daran auch weiterhin versuchen will. Mir kommen auch ständig neue tolle Ideen, die Leser aktiv zu beschäftigen; mir fehlt nur die Zeit, all diese Projekte umzusetzen. Auf alle Fälle glaube ich, dass ebendiese Interaktivität einer der wichtigsten, wenn nicht gar der wichtigste Grundpfeiler des Webcomics in Zukunft sein wird.
CG: Kam der Namensvorschlag eigentlich von Dir? Dein Stil ist meiner Meinung nach ein ganz eigener und hat nicht viel mit dem klassischen Manga zu tun.
DF: Ich weiß gar nicht mehr, ob ich einen eigenen Vorschlag hatte. Manga-Madness war – wie mir berichtet wurde – das Ergebnis eines laaangen Kollektiv-Brainstormings. Ich selbst bezeichne meine Art des Comics ja auch nicht als Manga und mich selbst nicht als Mangaka, aber ich denke, dass es auf alle Fälle Sinn macht, das „Manga“ mit in den Titel reinzunehmen. Dabei erhoff ich mir natürlich auch einen gewissen Grad an Unvoreingenommenheit gegenüber japanischen Comics von Seiten potenzieller Leser, die sich sonst wahrscheinlich was entgehen lassen würden.
CG: Danke für die Beantwortung unserer Fragen, David!