Interviews

Eckartsberg, Benjamin von

Wolfgang Hohlbein 2002 (copyright Droemer Knaur) Comicgate: Hallo Herr Hohlbein, zuerst möchte ich mich ein wenig mit Ihnen über Ihre Serie „Die Chronik der Unsterblichen“ an sich unterhalten. Der 7. Band ist vor kurzem erschienen. Vor einiger Zeit sagten Sie, Sie planen 8 Bände. Bleibt es dabei?

Wolfgang Hohlbein: Sicher. Ist schon in Arbeit und wird voraussichtlich Mai/Juni 2005 erscheinen.

CG: Wussten Sie schon beim Schreiben von Band 1, wie der letze Band enden wird?

WH: Keine Ahnung. Ich arbeite prinzipiell intuitiv und habe meist nur eine vage Grundidee, die die Geschichte gewissermaßen „anschubst.“ Die Story selbst entwickelt sich dann zum Großteil beim Schreiben.

CG: Sie schreiben an mehreren Büchern gleichzeitig. Fällt es nicht schwer, sich immer wieder neu auf komplett eigene Welten einzustellen und die Grundstimmung des jeweiligen Buchs wieder einzufangen und beizubehalten?

WH: Ganz und gar nicht. Ich arbeite ja bewusst an vollkommen unterschiedlichen Themen. Schwierig würde es allenfalls, wenn ich zwei „ähnliche“ Geschichten gleichzeitig schreiben würde, aber das vermeide ich ganz bewusst.

CG: „Die Chronik der Unsterblichen“ ist eine Geschichte über Vampire – ein Genre, das von der Thematik her relativ eingeschränkt ist, in dem es aber trotzdem bereits zahlreiche Publikationen gibt. Welches ist ihr Lieblingsvampirbuch? Und was denken Sie, können Sie dem Genre noch Neues bringen? Oder ist das gar nicht Ihr Anspruch?

WH: Bram Stokers Dracula natürlich.
Was ich versuche, ist eine etwas „modernere“ Sichtweise in die Geschichte hineinzubringen. Andrej z.B. findet ja mehr und mehr Indizien dafür, dass es eine beinahe „natürliche“ Erklärung für das gibt, was ihm und einigen anderen widerfahren ist (lassen Sie sich in Band 8 überraschen… ).

CG: „Die Chronik“ existiert ja nun in einigen Formen. Neben den Büchern und dem Comic gibt es ein Hörbuch zur „Chronik“, das Sie selber lesen. Auf Ihrer Homepage habe ich eine Umfrage zu einem CdU- Computerspiel gefunden. Heißt das, dass nun sogar ein Computerspiel geplant ist?

WH: Ja.

CG: Wenn ich das richtig verstanden habe, war Thomas von Kummant interessiert daran, ein literarisches Werk umzusetzen, einige Zeit später wurde er von Ehapa gefragt, ob er die „Chronik“ umsetzen wolle. Ehapa kam also auf Sie zu, verstehe ich das richtig? Wissen Sie, wie es dazu kam, dass die Wahl auf Sie fiel?

WH: Nein. Die Anfrage kam über den vgs-Verlag, und nachdem ich ein paar Arbeiten von Thomy gesehen habe, war ich hellauf begeistert und habe sofort zugesagt.

CN: Bis jetzt wurde noch keines ihrer Bücher verfilmt, da Ihnen nie ausreichend Mitspracherechte eingeräumt wurden. Also stellt dieser Comic die Premiere dar für eine Adaption eines Ihrer Werke? Wie groß war denn diesmal Ihr Mitspracherecht? Mussten auch Kompromisse geschlossen werden?

WH: Ein paar. Aber Thomy und ich liegen da ziemlich auf einer Welle, so dass es ohne große Diskussionen abging.

CG: Was halten Sie von dem Ergebnis? Sind Sie zufrieden? Es musste ja sicherlich ein wenig gekürzt oder gestrafft werden.
Und sind Sie verärgert über die Verzögerung?

WH: Ich bin sehr angetan von dem Comic.
Und verärgert wegen der Verzögerung. Nun ja…. der Pünktlichste bin ich ja selbst nicht…
Irgendwie passen wir da zusammen… 🙂

CG: Sie, Thomas von Kummant und Benjamin von Eckartsberg waren persönlich auf der Franfurter Buchmesse 2004, auf dem das Album vorgestellt wurde. Wie groß war das Medien- und Publikumsinteresse zur Premiere des Comics?

WH: Das kann ich nicht beurteilen, da die Comicszene für mich vollkommenes Neuland ist. ICH war zufrieden.

CG: Der erste Band des Comics zeigt in etwa die Geschehnisse der ersten Hälfte Ihres ersten Bandes. Wissen Sie schon, ob es weitergeht, und wenn ja, wieviel Comicbände geplant sind?

WH: Sicherlich den zweiten Band mit der zweiten Hälfte des ersten Romans. Wenn es danach weitergeht (und es sieht so aus), werde ich sicherlich neue Geschichten schreiben, die es dann original nur im Comic gibt.

CG: Durch den Comic kam es vermutlich zu einer Art „Aufarbeitung“ des ersten Bandes für Sie. Sind Ihnen Stellen oder Situationen aufgefallen, die Sie heute anders schreiben würden, oder sind Sie noch zufrieden mit dem 1. Buch, das nun doch schon ein paar Jahre alt ist?

WH: Mittlerweile verstehe ich nicht mehr, dass das Buch so erfolgreich geworden ist… 🙂 HEUTE würde ich ALLES anders machen (aber das geht mir eigentlich bei jedem Text so).

CG: Thomas von Kummant und Benjamin von Eckartsberg haben für eine Neuauflage Ihres „Hexers“ die Titelillustrationen übernommen. Wird es noch weitere Zusammenarbeiten zwischen Ihnen geben?

WH: Konkret nicht, aber ich bin sicher, dass sich das eine oder andere ergeben wird.

CG: Könnten Sie sich vorstellen, auch einmal direkt das Skript für einen Comic zu schreiben? Einerseits sicherlich schwierig, da man reduziert arbeiten muss, aber andererseits ergeben sich ja mit der Bildsprache auch ganz neue Ausdrucksmöglichkeiten.

WH: siehe oben…

CG: Herzlichen Dank für die Beantwortung der Fragen! Viel Erfolg weiterhin und natürlich kreative Gedanken. 🙂

Thomas von Kummant: Eigentlich war das Ganze meine eigene Idee. Nach dem Erscheinen des zweiten Goethe-Comics war ich mit Michael Walz (damaliger Chefredakteur bei Ehapa) bei einer Verlagsfeier in Erlangen zusammengesessen und habe ihn gefragt, warum der Verlag nicht Zeichner und Romanautoren zusammenbringt. Ein halbes Jahr später bekam ich dann einen Anruf von Michael Walz mit dem Vorschlag, „Die Chronik der Unsterblichen“ von Wolfgang Hohlbein umzusetzen, da der vgs-Verlag die Rechte an diesem Titel hält.
Der Ehapa-Verlag wurde zu dieser Zeit dem vgs-Verlag einverleibt, und somit war der Weg geebnet.

CG: Wie kamt ihr beide dann dazu?

TK: Der erste Schritt war, Wolfgang Hohlbein davon zu überzeugen, dass ich der richtige Mann dafür bin.
Der Verlag zeigte Wolfgang Hohlbein Arbeitsproben von mir, und es fand ein großes Treffen in den Räumen der Artillerie (unser Gemeinschaftsatelier) statt, wo ich ihm erste Charakterdesigns gezeigt habe. Wolfgang Hohlbein war begeistert, mein Entwurf für Andrej Delany war ihm aber um einiges zu hart (O-Ton: „….wie ein Verbrecher“). Damals gingen wir davon aus, dass Wolfgang das Comicszenario selbst schreibt.
Als nach einigen Monaten klar wurde, dass er zu viele andere Verpflichtungen hat und keine Zeit dafür findet, habe ich Benjamin für diesen anspruchsvollen Part vorgeschlagen. Dies war eine hervoragende Entscheidung.

CG: Wieviel ist von deinem Andrej am Ende noch übrig geblieben? Gab es noch andere Kompromisse?

TK: Auf meinen ersten Zeichnungen hatte Andrej eine kleinere Kopfkugel, und die Nase ist direkt von der Stirn abgegangen, was ihn um einiges härter aussehen lies. Das sind aber auch die beiden einzigen Anderungen, die ich vorgenommen habe.

Es freut mich, dass Wolfgang nichts gegen die Tätowierung einzuwenden hatte, die aus Andrej unter anderem einen eigenständigen Comiccharakter gemacht hat.

CG: Benjamin, Comics sind in aller Regel sehr komprimierte Geschichten, da sie an gewisse Seitenzahlstandards gebunden sind. Wie bringt man einen 358-Seitenwälzer storymäßig auf das Albenformat?

Benjamin von Eckartsberg: Also eins ist natürlich klar. Man muss schon ein ziemlich toller Hecht sein, um so was Kniffliges hinzukriegen. 😉 Aber wenn man diese nicht unwesentliche Voraussetzung erfüllt, muss man sich nur noch ein Tape zusammenstellen. Am besten mit einschlägigen Soundtracks à la „Das Schwert ist mein bester Freund und damit hau ich alle tot“, gemischt mit etwas gepflegter Herbstmusik. Diese Stimmungstapete kann man dann prima zum Reinfühlen nutzen. Ach ja, wenn man eine Freundin hat, sollte man sich schleunigst von ihr trennen, sonst kommt man feierabends eh nicht zum Schreiben. Hat man das überlebt, kann man auch schon loslegen. Der Rest ist dann nicht weiter wild.

Wir haben nämlich nicht den ganzen 358 Seitenwälzer zu einem Album zusammengekocht, sondern nur die Hälfte.
Doch zuerst einmal habe ich eine Storyline von dem ganzen Roman erstellt, d.h. von jedem Kapitel eine knappe Zusammenfassung geschrieben, um einen besseren Überblick über die Handlung zu haben. Wir hatten uns für eine epische und filmische Erzählweise entschieden, und die braucht sehr viel Raum.
Also habe ich alle Handlungsstränge rausgekürzt, die für den Hauptverlauf der Handlung nicht dringend notwendig sind. Vor allem im Hinblick auf die nachfolgenden Romane. Für die durch die Kürzungen entstandenen Handlungslücken habe ich neue Übergänge und neue Szenen geschrieben. Ausserdem habe ich emotionale Straffungen durchgeführt und einigen Figuren neue Handlungsfunktionen zugewiesen.

Ein Beispiel: Andrej Delany findet im Roman nicht seinen Sohn Marius durchbohrt und gefoltert, aber merkwürdigerweise lebend vor, sondern seinen Onkel Barak. Seinen bereits toten Sohn findet er unter den ganzen anderen Leichen der Dorfbewohner. Hätte ich das für den Comic so beibehalten, hätten wir dafür zwei raumgreifende Szenen gebraucht, die sich emotional sehr ähnlich sind. Man kann ja nicht so schnell darüber wegholpern, wenn der Held seinen toten Sohn findet. Das muss richtig bedient werden, damit die Szene wirkt. Aber die Onkelszene ist auch wichtig, da diese den ersten Hinweis auf das Thema der Unsterblichkeit enthält. Also raus mit dem Onkel, rein mit dem Sohn. Übrig bleibt eine Szene, in der Andrej statt des Onkels seinen Sohn von seinen Qualen erlösen muss. Das ist nicht nur gebündelter, sondern auch für Andrej ein viel größeres Opfer. Und mehr Druck auf den Figuren ist immer gut, wenn man nur wenig Platz zur Verfügung hat. Die Emotionen und die Informationen bleiben für die Geschichte erhalten, aber man braucht nur eine Szene dafür.
Einziges Opfer: Der Onkel. Aber hey, wir können uns ja schließlich nicht um alle kümmern. Zumal der Onkel für den weiteren Verlauf der Geschichte im Roman keine Rolle spielt.

Da Wolfgang Hohlbein „Die Chronik der Unsterblichen“ durchgängig aus der Sicht Andrejs erzählt, schien mir im Comicmedium die beste Umsetzung davon zu sein, zusätzlich zu den Sprechblasendialogen in den Erzählkästen keinen allwissenden Erzähler, sondern nur die innere Stimme Andrejs wiederzugeben.

Ich habe das Ganze dann in Drehbuchform geschrieben; d.h. ich habe nur die Szenen so knapp wie möglich mit Handlungen und Dialogen beschrieben, aber nicht festgelegt, wie viele Panels eine Szene braucht und was in welchem Panel passiert. Die „Regie“, also das Seitenlayout, blieb Thomy vorbehalten.

Das Skript wurde dann von Wolfgang Hohlbein abgenickt, und Thomy hat sich an die Arbeit gemacht.

CG: „Von Wolfgang Hohlbein abgenickt“ klingt so lapidar. Gab es gar keine Kritik seinerseits, wo Du doch so sehr in die Geschichte eingreifen musstest?

BE: Nein. Er hatte keinen Änderungswunsch, meinte sogar, er hätte das wahrscheinlich so nicht hingekriegt, da er als der Erfinder der Geschichte sich natürlich schwerer damit tut, Handlungsstränge und Figuren zu opfern. Da hat man den Abstand nicht. Aber abgesehen davon hatte ich nicht den Eindruck, dass er jemals vorhatte, sich im Detail einzumischen. Er war netterweise so großzügig, uns einfach machen zu lassen. Der Mann ist ja auch unglaublich beschäftigt und produktiv. Ich glaube, er hat weit über 180 Bücher geschrieben, das entspannt wahrscheinlich in Detailfragen zum Oeuvre ungemein. Aber da spekuliere ich jetzt.
Außerdem habe ich zwar gekürzt und umgeschrieben, aber ich habe mich bemüht, nicht das Herz der Geschichte zu verändern. Mit einer gutgelaunten Inquisitions-Komödie wäre ich wohl kaum so einfach durchgekommen.

CG: Thomy, Wolfgang Hohlbeins „Die Chronik der Unsterblichen“ findet in einer eigenen Fantasy-Welt statt. Wie geht man als Zeichner vor, um so eine Welt eigenständig und wiedererkennbar umzusetzen, also wie kann man dem Ganzen visuell gerecht werden?

TK: Die Welt der Chroniken ist eigentlich keine Fantasy-Welt, sondern im ersten Buch Transilvanien im 15.Jahrhundert. Ursprünglich wollte ich eine Recherchereise nach Rumänien unternehmen und hätte hierfür in Eric Desideriu [Kollege bei der Artillerie – Anm. d. Red.] einen prima Reiseführer gehabt, aber der Verlag wollte dies aus irgendeinem Grund nicht finanzieren. Also hat sich meine Recherche aufs Internet konzentriert. Im nächsten Schritt habe ich von allen Locations einige Entwürfe und Grundrisszeichnungen angefertigt, damit ich beim Layouten die Kameraeinstellungen gut planen konnte. Langsam habe ich mich dann mit kleinen Farbsketchen der eigenen Farbpalette angenähert. Die Farbwelt der Chroniken ist gewollt sehr düster und soll mit Farbakzenten die Dramaturgie unterstützen.

CG: Bitte erzähl ein bisschen mehr über Deine Technik.

TK: Meine Technik ist eigentlich dem Zeichentrickfilm entliehen. Die Hintergründe sind mit Acryl gemalt, die Figuren mit Feder gezeichnet und anschließend mit Photoshop coloriert. Der Dreck und das Blut an den Figuren habe ich mit Bleistift und Acrylfarbe separat angelegt und als Ebenen im Photoshop auf die kolorierten Figuren multipliziert. Um die Figuren endgültig in die Hintergründe zu integrieren, musste ich die Panels in Photoshop mal mehr, mal weniger nachbearbeiten, je nachdem ob die Figuren im Vorder-, Mittel- oder Hintergrund stehen, oder ob sie von Elementen wie Feuer oder Nebel verdeckt werden.

CG: Okay, kommen wir zum unangenehmen Teil für Dich, der aber sicherlich viele Leser interessiert, und deswegen muss ich das leider auch fragen: Wie kam diese riesige Verspätung zustande? Hast du dein Arbeitstempo falsch eingeschätzt, hat man zu viel auf einmal verlangt?

TK: Wie wir ja nun alle wissen, haben wir hier in Deutschland keinen allzu großen Markt für Comics, was sich natürlich negativ auf die Bezahlung für Comicschaffende auswirkt.

Jetzt musst du wissen, ich bin ein “jetzt erst recht!” Typ und hab mir gedacht, gut, machst du es halt extrem aufwendig, dann kann man es wenigstens gut ins Ausland verkaufen.

Die Verspätung ist auch entstanden, weil ich an vielen Stellen unzufrieden war. Schon alleine die vier fertigen Seiten für das Preview zum Comic-Salon in Erlangen 2002 haben mir erzählerisch nicht mehr gefallen. Sie wieder loszulassen und einen guten Einstieg in die Geschichte zu finden hat ewig gedauert.Als ich dann wieder fünf Seiten fertig hatte und sie zum Testandruck gegeben hatte, kamen die Farben vollkommen anders als am Bildschirm. Alles war total zugesuppt, ich durfte meinen Bildschirm neu kalibrieren lassen und nochmal von vorne anfangen.
Du siehst schon, Perfektionismus ist gut, macht aber viel Arbeit. Ausserdem musste ich nebenher noch meine Familie ernähren (München ist teuer) und manchmal schlafen.

Letztlich hätte aber keiner etwas von einer riesen Verspätung gemerkt, wenn der Verlag nicht utopische Erscheinungstermine an die Öffentlichkeit gebracht hätte.
Die waren da halt auch ein bisschen euphorisch und haben ein „Ich werds versuchen, kann es aber nicht versprechen, weil der Stil doch sehr aufwendig ist und ich auch meine Familie ernähren muss“ mit einem „Schaff ich locker“ gewertet.
Das letzte dreiviertel Jahr habe ich zusammen mit meiner Praktikantin Raschana, meinem Bruder Roland und dem unermüdlichen Benjamin ausschliesslich an den Chroniken gearbeitet, wodurch ich dann auch viele Freunde beim Dispo-Team unserer Sparkassenfiliale gefunden habe.

Das Album ist jetzt bei uns auf dem Markt und wird auch bald in anderen Ländern wie Frankreich, Spanien, Holland, vielleicht sogar Amerika erscheinen, und ich habe selbst Freude daran, es zu lesen.
Also denke ich, der Aufwand hat sich gelohnt, und man sieht dem Comic an, wieviel Zeit in ihm steckt.

CG: Wie war deine Vorgehensweise, das im Endeffekt dann doch sehr offene Skript von Benjamin in Layouts umzusetzen? Waren viele Versuche nötig, um den Fluss der Geschichte in die Layouts zu übertragen?

TK: Benjamin ist ebenfalls Zeichner und hat daher immer eine genaue visuelle Vorstellung von dem, was er schreibt. Obwohl wir, was Geschichten betrifft, einen ähnlichen Geschmack haben, gehen unsere Meinungen, eine Szene in Bildern umzusetzen, oft auseinander. Das ist der Grund dafür, dass Benjamin das Skript für mich so offen angelegt hat.

Der Einstieg in die Geschichte ist mir sehr schwer gefallen, und ich habe dafür viele Versuche benötigt.
Eigentlich funktioniert die Szene immer noch nicht. Wir hätten noch zwei weitere Seiten benötigt, um einen guten Fluss zu erreichen, aber der Text der nächsten Seiten erklärt dann wieder einiges. Ganz zufrieden bin ich nicht.

Da mein Bruder Schauspiel gelernt hat, habe ich während der Arbeit an den Chroniken guten Kontakt zu einem hervorragenden Jungregiseur bekommen, der mir dramaturgisch so einiges beigebracht hat.
Ein Beispiel ist die Szene, in der Andrej sich im Morgengrauen mit Frederik auf der Waldlichtung unterhält und die beiden von drei Seite angegriffen werden.
Hätte ich das so erzählt, hätte ich drei Seiten Dialog und dann Spannung gehabt. Indem ich aber auf der ersten Seite zeige, dass die beiden von Kriegern beobachtet werden, habe ich drei Seiten Spannung erzeugt.

Um über die Bildabfolge zu diskutieren, bin ich während des Projekts auf jeden Fall davon abgekommen, meine Layouts in DIN A4 anzulegen. DIN A8 genügt vollkommen und es tut nicht weh, eine Seite zu verwerfen. Denn für mich ist es wichtiger, eine Szene gut und flüssig zu erzählen, als sie hinterher toll zu malen und zu zeichnen.

CG: Benjamin, wie lange hast du dann alles in allem für das Skript gebraucht?

BE: Für die erste Fassung ca. zwei bis drei Wochen. Nach Rücksprache mit Thomy dann noch mal ein paar Tage, höchstens eine Woche für die zweite Fassung. So genau weiß ich das nicht mehr, ist ja schon eine Weile her. Da Thomy und ich im selben Raum in der Artillerie sitzen , war die Zusammenarbeit damit aber nicht beendet. Wenn er eine visuelle oder erzählerische Idee beim Layouten oder Zeichnen hatte, konnte ich noch den Text daraufhin anpassen (natürlich nur unter Gefluche und Protest. Allüren sind das Erste, das man in diesem Geschäft lernt) oder umgekehrt.

In den letzten drei Monaten, als die Seiten nach und nach fertig wurden, habe ich dann die Sprechblasen platziert und dabei dem Text den letzten Schliff gegeben. Erst wenn man die fertige Seite mit Text am Bildschirm vor sich hat, kann man ja so richtig beurteilen, wie sie fließt, ob sie funktioniert. Da waren noch so einige Änderungen nötig.

CG: Inwiefern kann man sich denn überhaupt an einen fremden Stil annähern? Es klingt, als ob du ein ziemlich gutes Gespür für die Geschichte hattest. Wieviel Arbeit war es für dich, wie Wolfgang Hohlbein zu denken?

BE: Ich bin für vier Wochen bei Wolfgang und seiner Familie eingezogen und habe mit ihnen zusammen gelebt, ihn rund um die Uhr beobachtet…
Nein, Quatsch, ich hatte schon immer ein Faible für düstere Kriegergeschichten im Mittelalter. Ich musste mich gedanklich nicht quälen, um mich in die Welt der Chronik hineinzuversetzen.

CG: Hattest du beim Schreiben Kontakt mit Wolfgang Hohlbein betreffs eventueller Rückfragen?

BE: Nur einmal. Damals waren erst drei Romane der Chronik erschienen, und das Geheimnis der Herkunft der Unsterblichen noch nicht enthüllt. Thomy und ich hatten überlegt, im Comic schon beim Design der Rüstungen oder Blutzeichen an der Wand etc. Hinweise darauf zu verstecken, eventuell auch in den Dialogen.
Also rief ich Wolfgang Hohlbein an und fragte ihn, ob er schon wisse, wo es so hingeht mit der Geschichte und wo die Unsterblichen denn so herkommen.
“Nö.“
Es gibt mittlerweile sieben Romane, und die Frage ist immer noch offen.
Geplant waren ursprünglich übrigens nur vier Bücher.

CG: Ihr habt den fertigen Comic zusammen mit Wolfgang Hohlbein auf der Frankfurter Buchmesse 2004 vorgestellt. Wie war’s? Welche Eindrücke sind hängen geblieben?

TK: Tja. Eigentlich haben wir ihn leider gar nicht vorgestellt. Die geplante Präsentation zusammen mit Hohlbein wurde von Georg Tempel, dem Chefredakteur von vgs Ehapa, abgesagt, da er sich nicht sicher war, ob wir rechtzeitig fertig werden, damit das Album gedruckt zur Buchmesse vorliegt. Daraufhin wurden uns zwei Termine zum Signieren vorgeschlagen, Freitag oder Sonntag. Wir haben uns für Freitag entschieden und das Hotel entsprechend gebucht. Dann stellte sich aber heraus, dass zum geplanten Zeitpunkt direkt am Ehapa-Stand der traditionelle Kölsch-Umtrunk stattfindet. Ein denkbar schlechter Zeitpunkt zum Signieren! Hick!

Ansonsten waren die Reaktionen auf das Album sehr positiv, was uns natürlich sehr freut.
Auf die zahlreichen erzählerischen Schwächen, die das Album trotz aller Mühe noch hat, hat uns freundlicherweise außer Boris Kiselicki [Artillerie-Kollege und Schöpfer von The Cool Bros – Anm. d. Red.] niemand so direkt hingewiesen. Aber zum Zeitpunkt der Messe hatte ja auch kaum jemand Gelegenheit gehabt, das Ding in Ruhe zu lesen.

CG: Wird „Die Chronik der Unsterblichen“ fortgesetzt? Wenn ja, wie lange wird es deiner (realistischen) Schätzung nach dauern, bis wir den zweiten Band in den Händen halten können?

TK: Benjamin schreibt zur Zeit am 2. Band, und ich freue mich auch schon darauf, weiter daran zu arbeiten, aber weil der Verlag uns noch nicht genügend zahlen kann, müssen wir nebenher auch noch arbeiten. Aus diesem Grund, und weil man ja aus Fehlern lernt, kann ich keinerlei Angaben zum Erscheinen des 2. Bandes machen, außer, dass es ihn geben wird.

CG: Benjamin, war dies eigentlich Dein erstes Skript? Könntest Du Dir vorstellen, so etwas nebenbei weiterzumachen, oder möchtest Du Dich „nur“ aufs Zeichnen konzentrieren?

BE: Ich habe ein Comic-Skript für mich selbst geschrieben, das jetzt aber leider schon seit fast fünf Jahren in der Schublade liegt. Das aber ernsthaft in mehreren Alben zeichnerisch anzugehen, ist ohne Erbschaft dann doch nicht so einfach. Aber ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Es gibt da noch einen entfernten Onkel in Singapur, aber der hat einen Haufen Kinder, da müsste ich schon extrem nachhelfen. Ansonsten habe ich einen Haufen unfertiger Story-Konzepte im Giftschrank, denen ich mich in Zukunft gern mehr widmen würde, wenn ich mit dem Überleben im teuren München fertig bin.

CG: Wisst Ihr, ob es nun noch andere Projekte dieser Art geben wird? Und warum sollte es so etwas Eurer Meinung nach überhaupt geben? Kann ein Comic etwas „besser“ machen als ein Buch?

TK: Soviel ich weiß, plant der vgs-Verlag eine Umsetzung einer anderen Fantasyromanreihe. Der Grund hierfür dürfte, ähnlich wie beim Film, ein rein marketing-technischer sein.

CG: Danke für die Beantwortung der Fragen und alles Gute Euch beiden!

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