Interviews

Debüt und Relaunch: Karacho kommt, Comixene verändert sich

Es tut sich was auf dem Feld der Comic-Fachzeitschriften: Im Sommer 2012 startet das vierteljährliche Magazin Karacho aus der Edition Alfons, herausgegeben von Volker Hamann und Matthias Hofmann, den Machern des Jahrbuchs Comic Report. Zuvor erscheinen zwei kostenlose Nullnummern als PDF zum Download – die erste am 22. Dezember.

Fast gleichzeitig zur Ankündigung von Karacho meldet sich auch die Comixene mit interessanten Neuigkeiten: Das alteingesessene Fachblatt, 1974 gegründet und seit 2003 beim Verlag JNK unter Leitung von Martin Jurgeit am Start, erschien zuletzt nur noch unregelmäßig und selten. Das soll sich nun ändern: Ab der kommenden Ausgabe 111, die im Dezember erscheint, wird die Comixene alle zwei Monate herauskommen, der Heftumfang wird etwas verringert, dafür sinkt der Verkaufspreis von 9,00 Euro auf 5,90 Euro.

Ob man daraus nun einen Zweikampf um die Leser- und Käufergunst konstruieren möchte oder nicht – auf jeden Fall kommt etwas Bewegung in das zuletzt eher ruhige Gewässer der Magazine über Comics. Thomas Kögel stellte den Machern beider Zeitschriften ein paar Fragen per E-Mail:

 

KARACHO – Der Comicreporter
Fragen an Volker Hamann und Matthias Hofmann

Karacho – Der ComicreporterComicgate: Wann und wie kam es zu der Idee, eine neue Zeitschrift über Comics auf den Markt zu bringen?

Volker Hamann: Durch die extrem gute Zusammenarbeit von Matthias und mir am Comic Report und aus unserem gemeinsamen Bedürfnis, eine regelmäßig erscheinende, zuverlässige und inhaltlich interessante Zeitschrift über Comics lesen zu wollen. Und weil unserer Meinung nach so viele Themen und Aspekte dieser tollen Literaturgattung quasi auf der Straße liegen und bislang unbearbeitet blieben. Wir haben das durch den Start von Comic Report Online gemerkt, und Matthias kam im Juni dann mit der Idee, das Nachrichtenmagazin über Comics herauszugeben.

CG: Eure Pressemitteilung spricht von einer „richtungsweisenden Publikation, die neue Maßstäbe setzt“. Was kann man sich denn darunter vorstellen und wie wird sich Karacho von anderen Sekundärmagazinen (wie z.B. der Comixene) unterscheiden?

Matthias Hofmann: Da sind zunächst einmal viele äußere Unterschiede. Wir wollten etwas Lautmalerisches, Wohlklingendes, Internationales, etwas das sich sofort einprägt. Mach‘ einfach den Test: Sag mal das Wort „Comixene“. Diese vielen E’s und das I. Das klingt nicht so gut. Und dann sag mal laut „Karacho“. Und dann stell Dir vor, 61.673 Comicfans stehen in Fußballarena „AufSchalke“ und intonieren „Karacho“. Da fliegt das Dach weg.

Aber das ist natürlich nicht ganz ernst gemeint.

Hier die drei wichtigsten Unterschiede und ein Bonus-Unterschied: Erstens eine regelmäßige Erscheinungsweise. Was wir ankündigen, wird auch eingehalten. Karacho wird zuverlässig sein. Zweitens die Farbe. Karacho wird vollfarbig und schön bunt sein. Drittens: die inhaltliche Vielfalt. Wir beschäftigen uns zum Beispiel auch mit Manga, und zwar nicht nur so nebenbei mal kurz mit Taniguchi & Co, weil es schick ist. Wir wollen die starren Grenzen der Szene aufbrechen und werden crossmedial berichten. Karacho wird für Interessierte außerhalb der Szene ebenso interessant sein, wie für die Insider. Und viertens, durch den Comic Report sind wir extrem gut vernetzt. Wir haben Kontakte in die entlegendsten Winkel der Szene, die andere nur vom Hörensagen kennen.

Aber eins ist klar: Es gibt das Rad schon. Wir können und wollen es nicht neu erfinden. Aber wir machen es moderner und interessanter. Wir wollen, dass Karacho zum „Essential Reading“ für alle Comic-Leser wird. Das Magazin soll nicht nur informieren, es soll effektiv helfen, sich im Dschungel der Neuerscheinungen zurechtzufinden. Darüber hinaus soll es unterhalten und Spaß machen. Wir wollen einen neuen Standard setzen, gerade in Verbindung mit Regelmäßigkeit und Zuverlässigkeit. Im Prinzip eine Mischung aus der guten, alten Comixene (als Becker & Knigge aktiv waren) und RRAAH!, aufgeladen mit modernem Esprit. Wer Karacho liest, wird das Gefühl haben, bestens im Bilde zu sein. Und wer es nicht liest, wird das Gefühl haben, etwas zu verpassen.

CG: An welche Leserschaft richtet sich Karacho und wo wird man das Heft kaufen können? 

VH: Karacho soll alle Leser von Comics und Mangas ansprechen und mit seinen Themen erreichen. Der Vertrieb erfolgt über den Bahnhofsbuchhandel, den Fachbuchhandel und ausgewählte Buchhandelsketten.

CG: Wird es thematisch quer durch den Gemüsegarten gehen oder gibt es inhaltliche Schwerpunkte? Kommen auch Manga in Karacho vor?

Karacho-BeispielcoverMH: Wir wollen nicht den Dossier-Fehler begehen. Das haben bereits andere vorexerziert. Es wird keine monochromen Titelbilder geben, denn Karacho wird auch am Bahnhofskiosk verkauft und muss jedermann ansprechen – viel mehr als die üblichen Verdächtigen.

Es wird feste Rubriken geben. Wir versuchen die ausgetretenen Pfade zu verlassen. Also keine einschläfernde 20-seitigen Abhandlungen über Atomkraft im Comic, sondern zwei knackige Seiten mit Geschenktipps für comic-affines Volk zu  Weihnachten. Oder ganz was anderes. Einfach überraschen lassen. 

Manga wird übrigens eine größere Rolle spielen. Zumindest größer, als in allen bisherigen Comicfachmagazinen, die es so gegeben hat und gibt. Da passiert einfach recht viel und die Verlage, die Manga bringen, haben kompetente Leute. Da  wurde viel zu lange weggeschaut.

CG: Das dicke Jahrbuch Comic Report, regelmäßige Ausgaben der Reddition, ein konstanter Output auf comic-report.de und jetzt auch noch ein vierteljährliches Magazin als jemand, der sich selbst auf diesem Gebiet tummelt, stellt sich mir natürlich sofort die Frage: Wie stemmt ihr das eigentlich alles?

VH: Zunächst einmal mit viel Enthusiasmus und vor allem mit einer ganzen Latte von sehr guten und zuverlässigen Mitarbeitern. In den mittlerweile 25 Jahren, in denen ich die Reddition alleine herausgebe, konnte ich ausreichend Erfahrungen sammeln, was das zeitliche Management angeht und ein gutes Netzwerk aufbauen, das sich durch Matthias noch einmal vergrößert hat. Wir konnten fast vierzig Leute zur Mitarbeit einladen und haben bereits jetzt eine hohe Bereitschaft signalisiert bekommen. Ab 2012 wird es also neben dem jährlichen Comic Report auch zwei Mal im Jahr eine neue Ausgabe der Reddition geben, die ja ohnehin mehr monographisch aufgebaut ist, und eben das vierteljährliche Karacho.

CG: Welchen Einfluss wird die Produktion des Magazins auf die Website des Comic-Reports haben? Gibt es dort künftig weniger Stoff oder noch mehr? Oder kommt gar bald noch Karacho-Online dazu? 

MH: Nein, „Karacho Online“ wird es vorerst nicht geben. Die Webseite CRON wird 2012 sicherlich etwas anders aussehen als in diesem Jahr. Wir haben jetzt sehr viele Erfahrungen gesammelt und bereiten einen kleinen Facelift vor. Inhaltlich wird das Onlinemagazin mit Karacho abgestimmt sein. CRON wird als schnelle Plattform aktiv sein und z.B. Themen aufgreifen und weiterführen, die im Printmagazin angestoßen wurden. Wichtige Artikel und Beiträge werden in Karacho publiziert. Wenn es darum geht, schnell und zackig etwas zu verbreiten oder gar zu kommentieren, dann wird das über CRON erledigt. 

Außerdem kann man davon ausgehen, dass wir auch im Bereich Social Media aktiv werden. Mehr oder weniger notgedrungen, weil wir beide keine Fans von Facebook & Co. sind. 

CG: Letzte Frage: Seit ich Eure Pressemitteilung gelesen habe, habe ich einen bösen Ohrwurm von Heino im Ohr, den ich nicht mehr wegbekomme. Wie könnt Ihr das verantworten?

VH: Die Verantwortung für den Ohrwurm liegt natürlich ganz bei dir ;o) Oder vielleicht auch bei Georg Tempel, der ihn wohl einigen Leuten ins die Gehörgänge gesetzt hat?! Bei mir jedenfalls klingelt da nix und ich verbinde den Ausdruck „Karacho“ mit einem durchaus altmodischen, aber sehr wohl auch bei Jugendlichen von heute gängigen Ausdruck für etwas, das losgehen soll – und zwar mit einiger Kraft und einigem Willen! So stellen wir uns eine Publikation über Comics vor!

 


 

COMIXENE
Fragen an Martin Jurgeit

ComixeneCG: Könntest du kurz die Umstände schildern, die dazu führten, dass ihr euch Gedanken über einen „Relaunch“ der Comixene gemacht habt?

Martin Jurgeit: Schon vor einem Jahr haben wir inhaltliche Änderungen vorgenommen – weg von den großen Themenheften, hin zu kürzeren Artikelstrecken –, die bei der Leserschaft sehr gut ankamen. Die schmaleren, dafür aber häufiger erscheinenden Hefte unterstreichen diese Neuorientierung jetzt auch formal.

Außerdem hat sich durch die Etablierung des monatlichen Comix eine ganze Menge verändert. Wir sind jetzt im Pressevertrieb ganz anders aufgestellt und können zudem Kombi-Abonnements von Comixene mit Comix anbieten, die natürlich nur bei einem schnelleren Erscheinungsrhythmus Sinn ergeben.

CG: Die CX wird also bald in kürzeren Abständen erscheinen und einen günstigeren Verkaufspreis haben? Was ist sonst noch neu? Wird sich auch inhaltlich etwas ändern?

Cover Comixene 109MJ: Neben den bereits in der ersten Fragen angebenen Punkten planen wir unter anderem wieder regelmäßige Bestsellerlisten ins Heft zu nehmen. Hierbei kooperieren wir mit dem Branchenblatt „Buchreport“, das auch die Spiegel-Bestsellerlisten erstellt. Auch sonst wird sich im Detail noch einiges tun, so soll sich die neue Mitarbeiterin in der Redaktionsleitung, Anne Delseit, auch verstärkt bei Manga-Themen einbringen – im Prinzip wurde die neue Linie aber bereits durch die Nummern 109 und 110 vorgegeben.

CG: Zuletzt erschien die Comixene ja ziemlich unregelmäßig und recht sporadisch – welche Maßnahmen sind geplant, um in Zukunft ein regelmäßiges, zweimonatliches Erscheinen sicherzustellen?

MJ: Wie bereits angeführt, hat sich gerade vertrieblich durch Comix eine ganze Menge für uns verändert, so dass diese Entwicklung bei der Comixene überhaupt erst möglich ist. Noch vor zwei Jahren wären die Vertriebskosten – gerade in den Bahnhofsbuchhandel – zweimonatlich überhaupt nicht zu stemmen gewesen. Auch der Zeitaufwand war so immens, dass uns hier sehr hilft, dass der Freibeuter Vertrieb inzwischen auf Levin Kurio von Weissblech Comics übergegangen ist, der einen wirklich tollen Job macht. Ich persönlich bin zwar noch für die Distribution beim Freibeuter Vertrieb verantwortlich, aber Versand und vor allem Abrechnung belasten uns jetzt nicht mehr zeitlich.

CG: Die Preissenkung zielt sicher auch darauf ab, die Zahl der verkauften Hefte zu steigern. Wie würdest du das Potenzial für ein Magazin wie Comixene einschätzen? Und – nachdem das ja gerade angekündigt wurde verträgt der Markt auch zwei ähnlich ausgerichtete Magazine?

Cover Comixene 110MJ: Es sind natürlich noch viel mehr Magazine auf dem Markt. Wenn man sich die Pressemitteilung zu dem von dir wohl angedachten „zweiten Magazin“ ansieht, dann scheint dieses explizit als Publikums- und Servicemagazin in Richtung Comic-Fans ausgerichtet zu werden. Da dürfte wohl eher Die Sprechblase eine Konkurrenz sein, die Chefredakteur Gerhard Förster gezielt in den letzten Jahren für franko-belgische und amerikanische Themen geöffnet und damit inzwischen auch viele Leser erreicht hat, die früher etwa das Comic Forum oder RRAAH! gelesen haben.

Wir sehen die Comixene aber eher als Branchenblatt und Kulturmagazin mit stark feuilletonistischen Einschlag, für den auch unsere Mitarbeiter stehen, die oft für große Zeitungen und als Publizisten arbeiten. Wir haben deshalb auch einen großen Vertriebsschwerpunkt jenseits des klassischen Comic-Fachhandels. Somit glaube ich, dass hier ganz klar unterschiedliche Profile gegeben sind, die aber gegebenfalls unter der neuen Situation noch geschärft werden müssten.

CG: In der Pressemitteilung ist auch die Rede von geplanten Apps. Kannst du dazu noch ein bisschen was verraten?

MJ: Da kann ich leider noch nicht konkreter werden, da die Planungen mit unserem Partner textunes noch laufen. Es ist aber klar, dass wir hier aktiv werden müssen und spätestens im nächsten Frühjahr sollen Kernbereiche unserer Produktion auch als Apps angeboten werden.

 

links

Offizielle Ankündigung von Karacho
Pressemitteilung der Comixene