Thor
USA 2011
Regie: Kenneth Branagh
Hauptdarsteller: Chris Hemsworth (Thor), Natalie Portman (Jane Foster), Tom Hiddleston (Loki), Anthony Hopkins (Odin), Stellan Skarsgård (Erik Selvig), Rene Russo (Frigga)
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Marvel läutet das Superhelden-Kinojahr 2011 ein und schickt jenen Helden auf die Leinwand, der von all den „großen“ Superhelden-Figuren des Marvel-Universums vielleicht am schwierigsten in einen Film zu packen ist. Das Konzept von Stan Lee und Jack Kirby aus den Sechziger Jahren, nordische Götter in amerikanische Großstädte zu schicken und sie dort gegen allerlei Bösewichte antreten zu lassen, die Verquickung von alter Mythologie und Superheldenaction mag als Comic prächtig funktionieren, in realistischen Filmbildern könnte die Mischung jedoch schnell albern wirken. Regisseur Kenneth Branagh gelingt es, diese Peinlichkeits-Klippe zu umschiffen. Trotzdem zerfällt sein Film in zwei Teile, die sich seltsam fremd bleiben und kaum zusammenfinden.
Große Teile des Films, vor allem in der ersten Hälfte, spielen in Asgard, jenem nordischen Pantheon, in dem die Götter unter Führung ihres Hauptgottes Odin leben. Odin (gespielt von Anthony Hopkins) zieht zwei Söhne heran: den draufgängerischen Thor und den ruhigen Loki. Einer von beiden soll die Thronfolge antreten. Als es soweit ist und Thor den Götterthron besteigen soll, entflammt ein alter Konflikt neu: Der mühsam erhaltene Frieden mit dem Volk der Frostriesen von Jotunheim zerbricht, nicht zuletzt wegen Thors Heißsporn. Zur Strafe schickt Odin den jungen Thor auf die Erde und entzieht ihm seine göttlichen Kräfte, die durch den Hammer Mjolnir versinnbildlicht werden. Auch der landet auf der Erde und soll seinem Träger erst dann wieder Macht verleihen, wenn er sich dieser als würdig erwiesen hat.
Thor landet also mitten in der Wüste von New Mexiko, wo er von einer Forschergruppe unter Führung von Jane Foster (Natalie Portman) und Dr. Erik Selvig (Stellan Skarsgård) aufgelesen wird. Um den Hammer, der in ein paar Kilometer Entfernung aufgeschlagen ist, kümmern sich derweil die Agenten von S.H.I.E.L.D.
Mit Thors Ankunft auf der Erde vollführt der Film einen radikalen Wechsel seiner Tonlage: War es bis dahin ein lautes Spektakel voller CGI-Effekte, pompöser Kulissen und pathetischer Dialoge, sieht man nun plötzlich eine amüsante „Fish out of water“-Komödie voller sympathischer Figuren. Ein einst allmächtiger Gott als Fremdling in einer für ihn schwer begreiflichen, modernen Welt, noch dazu in einem kleinen Kaff in der Wüste – das ist zwar keineswegs originell oder neu, hat aber viel komödiantisches Potential, das die Drehbuchautoren gerne ausschöpfen. Hier kann Thor-Darsteller Chris Hemsworth so richtig auftrumpfen: als leicht tolpatschiger, ahnungsloser Typ lässt er seinen Charme spielen und wirkt ähnlich charismatisch wie Robert Downey Jr. in den Iron Man-Filmen. Natürlich darf auch ein bisschen mit Natalie Portman geflirtet werden, aber zur großen Lovestory artet dies glücklicherweise nicht aus.
Stattdessen muss Thor auch auf der Erde heroische Taten vollbringen: Weil Thors intriganter Bruder Loki einen fiesen Plan schmiedet und selbst den Thron besteigen will, planen Thors Freunde, die „Warriors Three“, ihn von der Erde zurückzuholen. Loki schickt ihnen den Destroyer hinterher, ein riesenhaftes Blechmonster und ein idealer Gegner für Thor, um den Menschen zu zeigen, dass er ein Held ist. Und nach einem epischen Kampf weiß Thor dann auch wieder, wo sein Hammer hängt …
Jener Kampf gegen die monströse Blechbüchse Destroyer ist dann auch die Szene, die das Problem der Thor-Verfilmung am besten deutlich macht: Bis hierhin hatte man im Grunde zwei sehr verschiedene Filme, die jeder für sich recht gut funktionieren: Zum einen die hübsch unspektakulären, mit viel Ironie und Humor erzählten Szenen auf der Erde, in denen sich Thor als Fremdling behaupten muss. Zum anderen der Teil der Geschichte, der in Asgard und in Jotunheim spielt: Ein wahres Gewitter an Computer-Effekten, künstlichen Kulissen und herrlich übertriebenen Kostümen, das in seiner Mixtur aus Science-Fiction und Fantasy wirkt, als habe jemand die Star Wars-Prequels mit Peter Jacksons Herr der Ringe und ein wenig Harry Potter vermengt, umgerührt und alles nochmal ein wenig aufgeblasen.
Beide Bestandteile, so verschieden sie auch sind, wissen durchaus zu unterhalten und funktionieren für sich genommen prächtig. Allein, sie passen nicht zusammen. Und das wird nirgends besser deutlich als im Kampf gegen den Destroyer, der eigentlich der Höhepunkt des Films sein müsste. Stattdessen schaut man Thor und den „Warriors Three“, die ein bisschen aussehen, als seien sie die Zweitplatzierten beim Casting zu Herr der Ringe gewesen, mit einer gewissen Gleichgültigkeit beim Kämpfen zu. Da ohnehin jeder weiß, wie diese Klopperei ausgehen wird, fehlt die Spannung, man bekommt lediglich ein Mehr an Effekten, Explosionen und Action. Dabei hat man den Action-Höhepunkt zu diesem Zeitpunkt längst gesehen – eine toll inszenierte Schlacht gegen die Frostriesen und ihr imposantes Riesenmonster, die wirklich großen Spaß macht, mit der der Film sein Pulver aber schon etwas zu früh verschießt.
Auch schauspielerisch regieren die Gegensätze: Chris Hemsworth darf man als echte Entdeckung verbuchen, er zeigt nicht nur imposante Muskelpakete, sondern auch Charme und Augenzwinkern. Die Stars Natalie Portman und Anthony Hopkins spielen routiniert, aber unspektakulär. Enttäuschend ist dagegen Tom Hiddleston als Loki, der furchtbar blass und ausdrucklos bleibt und niemals so listig und verschlagen wirkt, wie die Figur eigentlich sein sollte.
Und Kenneth Branagh? Konnte er dem Film seinen Stempel aufdrücken? Dass Marvel ihn als Regisseur ausgesucht hat, war ja durchaus eine Überraschung, ist der Brite doch bisher vor allem durch seine Shakespeare-Verfilmungen aufgefallen (okay, bei Stan Lee sprechen die Götter eine Art gefaktes Shakespeare-Englisch, aber ob das als Begründung ausreicht?). Eine Handschrift ist in Thor allerdings nicht zu erkennen, der Film sieht aus, wie ein 3D-Blockbuster im Jahr 2011 nun mal aussieht. A propos 3D: Wer die Möglichkeit hat, den Film auch in herkömmlicher Form zu sehen, kann sich die unbequeme Brille und den Preisaufschlag gerne sparen. Die dritte Dimension führt nur selten zu sehenswerten Ergebnissen, gerade bei den Kampf- und Actionszenen regieren schnelle Schnitte und viel Gewusel, so dass der räumliche Effekt kaum zur Geltung kommt.
Wertung:
Mischung aus pompösen Effektschlachten und angenehm geerdeter Ironie, die für sich gut funktionieren, aber nie zusammenfinden.
Offizielle Film-Website (englisch)
Offizielle Film-Website (deutsch)
Thor bei Marvel Comics
Thor in der Wikipedia
Abbildungen © Marvel Studios/Paramount