The Amazing Spider-Man 2
USA 2014
Regie: Marc Webb
Hauptdarsteller: Andrew Garfield (Spider-Man / Peter Parker), Emma Stone (Gwen Stacy), Jamie Foxx (Electro / Max Dillon), Dane DeHaan (Green Goblin / Harry Osborn), Paul Giamatti (Aleksei Sytsevich), Sally Field (Aunt May)
Nachdem Sam Raimi im Jahr 2007 seine erfolgreiche Spider-Man-Trilogie beendet hatte und ein zunächst geplanter vierter Teil nicht zustande kam, brauchte das Filmstudio Sony eilig Ersatz. So kam es 2012 nach nur fünf Jahren Pause zu einem Reboot, die Filmreihe wurde als Amazing Spider-Man mit Regisseur Marc Webb und komplett neuer Besetzung neu gestartet. Abermals wurde die Ursprungsgeschichte von Peter Parker und seinen Spinnenkräften erzählt, und obwohl Amazing kein wirklich schlechter Film war, konnte er nicht so recht aus Raimis Schatten treten. Zu wenig unterschied sich die Neuinterpretation in Stimmung und Tonalität von den Vorgängern, sie bot kaum eigene Akzente und nie wurde so recht klar, warum das Franchise nach so kurzer Zeit einen Neustart bekommen musste. Ein Erfolg an der Kasse war ASM natürlich trotzdem, und so bekommt Marc Webb mit der Fortsetzung Rise of Electro nun die Gelegenheit zu zeigen, ob er sich doch noch emanzipieren und Spider-Man in eine neue, eigene Richtung führen kann.
Der Hauptunterschied zwischen Webbs erstem Spidey-Film und denen von Sam Raimi war die Grundstimmung, die bei Webb düstererer, ernsthafter und dunkler daherkam, was aber nicht so recht zu Spider-Man passte und der Comicvorlage nicht gerecht wurde, bei der Humor und flotte Sprüche immer eine wichtige Rolle spielten. Das Sequel vollzieht hier eine deutliche Wendung: Von Beginn an fällt eine positivere, fröhlichere Stimmung auf, mit mehr Humor und weniger Düsternis als im ersten Teil. Peter Parker liebt es, Spider-Man zu sein, er hat einen frisch erworbenen Schulabschluss und mit Gwen Stacy eine tolle Freundin. Es geht ihm gut. Natürlich kann das nicht so bleiben, aber generell kehrt hier eine Leichtigkeit zurück, die im ersten Teil schmerzlich fehlte.
Auch in den Actionszenen hat sich Amazing Spider-Man deutlich verbessert. Die Effektspezialisten wissen die 3D-Technik diesmal viel besser zu nutzen, es macht großen Spaß, als Kinozuschauer Spider-Mans Blickwinkel einzunehmen und mit ihm durch New Yorks Häuserschluchten zu schwingen. Dazu kommt ein häufig eingesetzter Effekt, der ein wenig an den angestauben Bullet-Time-Trick aus The Matrix erinnert, sich aber viel frischer anfühlt: Das Bild wird stark verlangsamt oder ganz eingefroren, während sich die Kamera freischwebend weiter durch die Szene bewegt – im Zusammenspiel mit dem 3D-Effekt ein sehr wirkungsvolles visuelles Mittel.
Neben der überzeugend inszenierten Action legt Marc Webb, dessen erster größerer Filmerfolg die Indie-Romanze (500) Days of Summer war, auch großen Wert darauf, dass sich seine Figuren auch abseits von Kostümen und Kampfszenen entfalten können. Es gibt reichlich ruhigere Momente, in denen es mehr um Schauspielkunst als um Effekte geht. Vor allem Hauptdarsteller Andrew Garfield als Peter Parker weiß hier zu glänzen, besonders schön sind einige Szenen mit Sally Field als Tante May. Im Mittelpunkt steht freilich Peters Beziehung zu Gwen Stacy (Emma Stone, mit der Garfield auch im echten Leben liiert ist). Die geht durch Höhen und Tiefen und spielt von netten Dialogen bis zum ganz großen Drama so ziemlich alle möglichen Tonlagen durch.
Als Hauptgegner bekommt diesmal Electro seinen Auftritt, ein Angestellter der Firma Oscorp, der sich nach einem Arbeitsunfall die Kraft des elekttrischen Stroms zu eigen machen kann. Das Erscheinungsbild von Electro, der von Jamie Foxx gespielt wird, wurde im Vergleich zu den Comics komplett neu designt. Leider bleibt dieser Schurke in Motivation und Verhalten sehr klischeehaft und Foxx vermag es kaum, seiner Figur eigene, originelle Nuancen zu geben.
Das ist aber nicht das größte Problem an Amazing Spider-Man 2. Wenn man sich einerseits auf Electro als Schurken und andererseits auf Peters Privatleben konzentriert hätte, hätte das ein richtig runder, unterhaltsamer Superheldenfilm werden können. Doch Webb und sein Autorenteam (Alex Kurtzman, Roberto Orci und Jeff Pinkner) begehen den gleichen Fehler, den Sam Raimi seinerzeit beim dritten Teil begangen hatte: Sie überladen den Film mit noch einem Handlungsstrang, noch einem Schurken, noch einer Rückblende, noch einem Problem, und diese Überfachtung tut ihm gar nicht gut. Neben den Beziehungsproblemen mit Gwen und der Bedrohung durch Electro bekommt es Peter mit seinem alten Kumpel Harry Osborn (Dane DeHaan) zu tun, der als Green Goblin in die Fußstapfen seines Vaters tritt, und als wäre das noch nicht genug, begibt sich unser Held auch noch auf Spurensuche in der Vergangenheit seines eigenen verstorbenen Vaters.
All das sorgt nicht nur für eine ausufernde Lauflänge von 142 Minuten, was dem Publikum viel Sitzfleisch abverlangt, der Film verliert auch an Schwung, weil sich zu viele Handlungsstränge parallel entwickeln und sich gegenseitig behindern. Jeder dieser Subplots hat seine Berechtigung und wäre in einer lange laufenden Serie (was Spider-Man in seiner Urform als Comic ja auch ist) bestens aufgehoben. In einem abgeschlossenen Film jedoch stehen sie sich gegenseitig im Weg und Peter Parker alias Spider-Man wirkt wie ein überforderter Jongleur, der verzweifelt versucht, allzu viele Bälle in der Luft zu halten.
Die Drehbuchschreiber Kurtzman, Orci und Pinkner sind ein erfahrenes Trio, das schon lange gemeinsam schreibt, bisher vor allem für TV-Serien wie Alias und Fringe. Gut möglich, dass sie hier bewusst versucht haben, dem Kino ein bisschen Serienmentalität einzuhauchen. Das klappt stellenweise auch, zum Beispiel bei der gelungenen Sequenz am Ende, wenn noch einmal ein weiterer Schurke eingeführt wird, was gleichzeitig als Ausblick auf den nächsten Spider-Man-Film bzw. das geplante Spin-Off mit den „Sinister Six“ dient. Insgesamt aber verzetteln sich die Macher in einem Zuviel an Handlung und Nebenhandlung und überfrachten damit einen Film, der eigentlich sehr vielversprechend begonnen hat. Am Ende überzeugt Amazing Spider-Man 2 dann weniger durch seine Story als durch seine Schauwerte und sehenswerte Actionszenen.
Wertung:
Offizielle Filmseite: theamazingspiderman2.de
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