Filmrezensionen

Dredd 3D

Dredd 3D FilmplakatDredd
GB / USA /Indien 2012
Regie: Pete Travis

Hauptdarsteller: Karl Urban (Judge Dredd), Olivia Thirlby (Cassandra Anderon), Lena Headey (Ma-Ma)

 

Mega-City One, die Multimillionenstadt im postapokalyptischen Amerika. Verbrechen sind an der Tagesordnung, doch die „Judges“ versuchen, die strengen Gesetze durchzusetzen. Judge Anderson, eine junge weibliche Nachwuchskraft, hat zwar nicht alle Tests bestanden, gilt aber als sehr talentiert – nicht zuletzt, weil sie offenbar Gedanken lesen kann. Als Aufnahmeprüfung soll sie einen kompletten Einsatztag zusammen mit dem erfahrenen Judge Dredd verbringen, der anschließend beurteilen wird, ob sie für den Dienst geeignet ist. Ihr erster gemeinsamer Einsatz führt die beiden in ein gigantisches Hochhaus, das von der Drogenmafia unter der Führung der skrupellosen Ma-Ma kontrolliert wird. Dort sind sie sehr bald von der Außenwelt abgeschlossen und müssen einen gnadenlosen Kampf ums Überleben führen.

Szene aus Dredd 3DDie Figur des Judge Dredd – Polizist, Staatsanwalt, Richter und Vollstrecker in Personalunion – ist seit Jahrzehnten das Aushängeschild des populären britischen Comicmagazins 2000 AD, das seit 1977 jede Woche neue Dredd-Episoden druckt. 1995 gab es eine erste Verfilmung mit Sylvester Stallone in der Hauptrolle – ein völlig missglückter Versuch, der an den Kinokassen floppte und bei den Fans ebenso durchfiel wie bei der Kritik. Nun will man alles besser machen: Der neue Film hält sich sehr viel enger an die Comicvorlage, zum Beispiel wurde penibel darauf geachtet, dass Judge Dredd niemals ohne seinen Helm zu sehen ist. Für das Design ist der Comiczeichner Jock zuständig, der selbst schon etliche Dredd-Comics gezeichnet hat. Auch für Regie und Drehbuch wurden Briten verpflichtet, die die Figur vermutlich schon seit ihrer Jugend kennen: Pete Travis (8 Blickwinkel) führte Regie, das Skript stammt vom renommierten Autor Alex Garland (The Beach, Sunshine, 28 Days Later).

Dredd ist extrem konzentriert – sowohl zeitlich als auch räumlich. Die komplette Handlung spielt sich im Verlauf eines Tages ab, und fast alles findet innerhalb eines Gebäudes statt: im Peachtree-Komplex, einem gigantischen Hochhaus mit 75.000 Bewohnern. Außerdem beschränkt sich der Film auf eine Laufzeit von 95 Minuten. Das sorgt für ein straffes Korsett, das dem Film sehr gut tut. Ein kurzer Text aus dem Off erklärt dem Zuschauer zu Beginn die Grundlagen der Welt von Mega-City One, und dann geht’s auch schon direkt los. Keine umständliche Origin-Story, Kindheitsanekdoten oder ähnliches, sondern ein sofortiger Sprung in die Story. Und die ist schnell, actionreich und brutal.

Szene aus Dredd 3DSehr brutal sogar. Der Film spart nicht mit Blut und Gewalt und hat sich seine 18er-Freigabe redlich verdient. Ein zahmerer, weniger gewalthaltiger Ansatz wäre dem Comic wohl kaum gerecht geworden, denn die Judges, das wird hier schnell deutlich, gehen buchstäblich über Leichen, wenn sie kompromisslos für Recht und Ordnung sorgen und die Todesstrafe an Ort und Stelle vollstrecken. Nun ist so ein harter Hund wie Dredd, der eine knallharte Law-and-Order-Politik vertritt und dem man dabei nicht mal in die Augen schauen kann (der charakteristische Helm verdeckt das gesamte Gesicht bis auf Mund und Kinn), nicht gerade eine sympathische Figur. Umso wichtiger ist also die Rolle von Judge Anderson. Die sorgt nicht nur dafür, dass wir es hier mit der klassischen Konstellation „alter Cop und junger Rookie“ zu tun haben, sondern bietet auch Identifikationspotential für den Zuschauer. Sie ist diejenige, die etwas Menschlichkeit in diese zynische Welt bringt. Sie ist die Person, die eine Entwicklung durchmacht, während Dredd am Ende des Films der selbe ist wie am Anfang.

Szene aus Dredd 3DEin wesenliches Element in Dredd ist der visuelle Effekt, der immer dann zum Einsatz kommt, wenn es um die Designerdroge „Slo-Mo“ geht, die gerade der neue heiße Scheiß in Mega-City One ist. Wer sie nimmt, für den fühlt sich alles extrem verzögert, wie in Superzeitlupe an. Das ist toll, wenn man gerade Sex hat, und ziemlich furchtbar, wenn man gerade von den Schergen der Drogenbaronin gehäutet und ein paar hundert Stockwerke nach unten geworfen wird. Travis inszeniert diese Drogenszenen in einem Look, der sich stark von der ansonsten sehr düsteren Optik des Films abhebt: bunte, extrem gesättigte Farben, viel Gelb, Rot und Orange, dazu ein gewisses Wabern der Bilder wie in einer Lavalampe und natürlich extrem verlangsamte Zeitlupe. Damit wird auch der Zuschauer auf einen Trip geschickt – ein wirkungsvolles Gimmick, das auch dem (eigentlich wie so oft überflüssigen) 3D eine gewisse Berechtigung verleiht.

Was den Plot angeht, so dürfte bei einigen Genrefreunden ein Déja-Vu-Effekt eintreten: Gesetzeshüter, die sich durch ein Hochhaus kämpfen, das von fiesen Kriminellen kontrolliert wird – genau die gleiche Konstellation hatte kürzlich der indonesische Martial-Arts-Kracher The Raid. Im direkten Vergleich, um den man bei der Ähnlichkeit der Handlung nicht herumkommt, schneidet Dredd schwächer ab, da er nicht mit der intensiven Körperlichkeit von The Raid mithalten kann und weniger filmische Überraschungen bietet. Trotzdem kann man nicht von einem schamlosen Abkupfern sprechen – wahrscheinlich handelt es sich hier wirklich um einen blöden Zufall.

Szene aus Dredd 3DHauptdarsteller Karl Urban (bekannt aus Der Herr der Ringe und dem letzten Reboot von Star Trek) hat in der Titelrolle wenig Gelegenheit zu glänzen, schließlich sieht man immer nur sein Kinn. Er verkörpert Judge Dredd aber sehr überzeugend als supertrockenen, abgehärteten, humorlosen Bastard, dem nie ein Lächeln über die Lippen kommt und der fast ausschließlich in Form von One-Linern kommuniziert.

Dredd ist ein handwerklich toll gemachter Actionfilm der härteren Gangart, der dem Geist der Comicvorlage viel näher kommt als die Stallone-Katastrophe von 1995 und der dank seiner Knappheit gut unterhält. Eines gelingt ihm allerdings kaum: die in den 2000 AD-Comics angelegte Satire, ihren zynisch-sozialkritischen Ansatz auf die Leinwand zu bringen. Da wäre weit mehr drin gewesen, doch der Film bleibt leider sehr oberflächlich und verlässt sich lieber auf Ballerorgien und cool inszenierte Drogentrips. Bleibt also noch Luft nach oben – vielleicht für einen möglichen zweiten Teil?

 

Wertung: 6 von 10 Punkten

Konsequent, kompromisslos, knochentrocken: Ein sehr solider Action-SF-Reißer, nicht mehr, nicht weniger.

 

Abbildungen: © Universum Film