Filmrezensionen

Constantine (TV-Serie)

 

 constantine tv header

 

„I am a nasty piece of work. Ask anybody.“

NBC strahlt die erste Staffel der Fernsehserie Constantine aus.

 

Am 24. Oktober 2014 startete beim großen amerikanischen Fernsehsender NBC (National Broadcasting Company) die Serie Constantine, welche auf den beliebten Comicserien Hellblazer (DC Vertigo) bzw. Constantine (DC-Comics) beruht. Die bisherigen drei Folgen kann man sich auf der Constantine-Unterseite von NBC anschauen. Der Sender NBC ist eine altehrwürdige amerikanische Institution und künstlerisch sicher weniger radikal als beispielsweise der Bezahlsender HBO, was nicht bedeutet, dass NBC in seiner Geschichte nicht auch teilweise recht moderne und heftige Serien produziert hat, unter anderem auch die Hannibal-Lecter-Fernsehserie Hannibal.

Szene aus der ersten Folge von Constantine

Gibt man bei Google derzeit das Wort „Constantine“ und die Lettern „doe“ ein, wird bereits die Ergänzung „Constantine doesn’t smoke“ vorgeschlagen, was deutlich macht, welche Wellen die Entscheidung der Produzenten schlägt, John Constantine nicht rauchen zu lassen. Während im modernen US-amerikanischen Fernsehen gerade Sadismus und Splatter durchaus recht bizarre Blüten treiben, ist das Thema Rauchen unverändert problematisch. Aber NBC wird für eine Reihe wie Constantine sicher nicht seine Statuten ändern; und wahrscheinlich beugt man mit dieser Art von Nichtraucherschutz auch einer späteren Klage des Hauptdarstellers gegen den Sender vor. Wer könne schon widerlegen, dass NBC den Darsteller nicht gezwungen habe, für seine Rolle bewusst seine Gesundheit zu ruinieren? Im Gegensatz zur klar künstlichen Gewaltdarstellung muss eben immer noch echt geraucht werden, selbst im Zeitalter der CGIs. Nun bedeutet das nicht zwingend, dass John damit Nichtraucher ist, er wird nur eben nicht beim Rauchen gezeigt werden (beim Toilettengang übrigens auch nicht). Zu diesem Thema meinte Matt Ryan in einem Fernsehinterview augenzwinkernd, er sehe es als Herausforderung, hier und da eine Zigarette ins Bild zu schmuggeln. Dass er in der Pilotfolge ein Zippo verwendet, deutet immerhin an, dass er es off-screen vielleicht auch zum Rauchen missbraucht, statt wie jeder ordentliche Christ nur Dämonen damit anzuzünden. Das Promo-Foto mit der E-Zigarette dürfte jedenfalls nur ein Gag gewesen sein. Wenn John raucht, dann richtig.

Der Engel Manny in der ersten Folge von Constantine

Christliche Symbolik prägte stets den Hellblazer-Mythos, und natürlich spielt auch die Fernsehserie mit dem Spannungsverhältnis zwischen Himmel und Hölle. Bereits in der Pilotfolge erscheint ein Engel, der John offenbart, dass für ihn ein Platz in der Hölle reserviert sei, schließlich handelt er mit der Anwendung von Magie eindeutig gegen die Schöpfung. Dieser Grundkonflikt entstammt den bereits 1989 von Garth Ennis geschriebenen Hellblazer-Heften. Deutlich stärker als in den Heften wird angedeutet, dass Johns Kampf um die Rettung seiner Seele wohl ein zentrales Plot-Element der Serie sein wird. Wie im Comic begehrt John gegen die strengen Regeln eines Gottes auf, der Leid zulässt, dessen Schöpfung sich dagegen aber kaum wehren kann. Erwähnenswert scheint mir in diesem Zusammenhang, dass gerade der Engel Manny, der in der Pilotfolge bereits zwei Auftritte hat, aus ähnlichem Material gestrickt zu sein scheint wie das weit verbreitete Klischeebild eines schurkischen CIA-Agenten. Kein Zweifel, dass es hier noch zu dem einen oder anderen Schlagabtausch kommen wird.

Austreibung eines Dämonen in der ersten Folge von Constantine

Die eigentlichen Gegenspieler sind aber natürlich die Dämonen. Johns größtes Trauma, die gescheiterte Rettung des Mädchens Astra vor dem Dämon Nergal, wurde aus den Comics nahezu unverändert übernommen. Wie im Comic verschlägt es Constantine nach diesem Schicksalsschlag in die Nervenheilanstalt Ravenscar, allerdings sucht Constantine im Gegensatz zum Comic die Anstalt aus eigenem Antrieb auf. Dadurch verliert der Ravenscar-Aufenthalt an Drama und Drastik, doch verleiht es John einen gewissen Sinn für Selbstironie; ein Charakterzug, den man sicherlich bewusst eingeführt hat. John als wehrloses und traumatisiertes Opfer der Behandlung durch Ravenscar darzustellen, wie es in den Comics der Fall ist, wäre sicher ein mutiger Ansatz gewesen, aber die vorliegende Lösung ist nachvollziehbar – man will ihn als Player einführen, der sein Leben in Griff hat.

TRAILER:

{source}
<iframe width=“560″ height=“315″ src=“//www.youtube.com/embed/uPE2oBnzROY?list=PLRUSbbQynOdGDHtWaJhW8k07GpVPJ60KJ“ frameborder=“0″ allowfullscreen></iframe>
{/source}

 

40 Minuten Sendezeit sind nicht viel für eine Pilotfolge, und die erste Constantine-Episode gerät durchaus zeitweise holprig. Viele Schlüsselszenen lassen Grundkonflikte anklingen, die im weiteren Verlauf der Reihe sicher wieder aufgegriffen werden, aber gerade aufgrund dieser straffen Konstruktion ist für die einzelnen Szenen zu wenig Zeit. Eine Doppelfolge hätte hier sicherlich gutgetan. Was man bisher zu sehen bekam, ist ein etwas mechanisch wirkender Reigen aus klassischen Horrorklischees, der erst in der zweiten Hälfte der Episode seinen Rhythmus findet und dann auch schon in einem kleinen Showdown mündet. Das Ende des Piloten gerät dann auch etwas läppisch und mühelos für den Helden, was aber für eine Pilotfolge sicherlich statthaft ist – und zumindest werden geschickt Andeutungen kommender Konflikte eingestreut.

John Constantine, Demonologist

Die Spezialeffekte sind ordentlich und die Monster zeitgemäß, wenn auch etwas geisterbahnmäßig inszeniert. Mir sind es zu viele Licht- und Blinkeffekte, aber eine Serie wie Hellblazer so umzusetzen, dass jeder Fan zufrieden ist, dürfte ohnehin ein Ding der Unmöglichkeit sein. In der gelungensten Szene der Pilotfolge wird die Umgebung durch Zauberkraft eingefroren, während die Akteure sich zwischen den Figuren, die zum Standbild erstarrt sind, bewegen. Das ist kein neuer Effekt, man kennt ihn aus so unterschiedlichen Filmen und Serien wie Angel, Heroes, Matrix oder auch The Hudsucker Proxy, und doch ist es ein effektvolles Element, das gerne noch öfter zum Einsatz kommen darf. Wichtiger als alle Effekte ist jedoch das Casting, und da ist, zumindest was die Hauptfigur betrifft, ein kleines Wunder geschehen: Matt Ryan sieht nicht nur aus wie der echte John Constantine, er ist echter Brite (aus Wales) und spricht die aus dem Comic teils 1:1 übernommenen Oneliner überzeugend, wenn auch vielleicht ein wenig manieriert.

Comiczeichnungen in der ersten Folge von Constantine

Gut möglich, dass Constantine einige Zeit benötigt, bevor die Reihe eine klare Linie findet. Die erste weibliche Hauptperson jedenfalls ist bereits nach der ersten Folge wieder aus der Reihe hinausgeschrieben worden. Ab der zweiten Episode hat John eine neue Begleiterin, die bereits im Vorfeld Ahnungen von ihm hatte und manisch Bilder von ihm malte (ebenfalls ein altbekanntes, aber wirkungsvolles Klischee). Es ist unschwer zu erkennen, dass diese Bilder der Comicserie entlehnt sind. Eine nette kleine Geste gegenüber den Comicfans und auch den Künstlern, wie ich meine.

Ein Großteil der Figurenkonstellation entstammt der richtungsweisenden Hellblazer-Erzählung des Briten Jamie Delano, der in den 80er Jahren allerdings auf eine wesentlich kratzbürstigere Art und Weise erzählte. Aber modernes amerikanisches Fernsehen ist eben ein anderes Tier als eine experimentell angehauchte Comicserie für erwachsene Leser. Man würde sich wünschen, dass die Drehbuchautoren sich nicht nur Delanos Figurenrepertoire angeeignet hätten, sondern auch etwas von dessen sensiblem Gespür für Charakterisierung und menschliche Schwächen. Die derzeitige inhaltliche Ausrichtung, das zeigt sich noch deutlicher in der zweiten Folge, entspricht aber eher einer Dramaturgie, wie sie in amerikanischen Gruselcomics der 70er Jahre zu finden war. Aber es ist zu früh, sich ein abschließendes Urteil zu bilden.

 

Mein vorläufiges Fazit: Sicherlich hätte die Reihe deutlich mehr Schwierigkeiten, Aufmerksamkeit zu erzeugen, wäre Constantine nicht bereits eine voll etablierte Kultfigur. Andererseits ist der Erwartungsdruck an die Serie durch die Fans auch ein Hemmschuh, von dem sich die Serie erst mal freischwimmen muss. Der charismatische Hauptdarsteller und der offensichtliche Elan der Beteiligten lassen mich hoffen, dass sich das Projekt zu einer gesunden und langjährigen Serie entwickeln wird. Mir macht sie derzeit jedenfalls mehr Spaß als die neue Constantine-Reihe der New 52.

 

[Christian Muschweck ist unser Hellblazer-Experte. Wer mehr über die Comicserie erfahren möchte, dem sei seine ausführliche Dossier-Reihe zu den Epochen von Hellblazer empfohlen. Übersicht am Ende des verlinkten Artikels.]

 

Constantine Folge 1 bei NBC anschauen (Tipp: mit dem CC-Button lassen sich die Untertitel einblenden)

Constantine Folge 2 bei NBC anschauen

Constantine Folge 3 bei NBC anschauen

 

Abbildungen © NBC