Captain America – The first Avenger
USA 2011
Regie: Joe Johnston
Hauptdarsteller: Chris Evans (Steve Rogers / Captain America), Hugo Weaving (Johann Schmidt/The Red Skull), Stanley Tucci (Dr. Abraham Erskine), Tommy Lee Jones (Colonel Chester Phillips), Hayley Atwell (Peggy Carter)
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Neben seinen Superkollegen nimmt Captain America eine Sonderstellung ein: Er vertritt nicht nur sinnvolle Moralvorstellungen, sondern steht mit seinem guten Namen und seiner rot-blau-weißen Kostümierung auch für die Vereinigten Staaten von Amerika ein wie kein anderer Held (des Marvel-Universums). Etwas spitzer formuliert, Captain America ist Propaganda. Acht Monate vor dem Eintritt der Amerikaner in den Zweiten Weltkrieg, bezog Captain America – von seinen Fans liebevoll Cap genannt – bereits Stellung: Auf dem Cover seines ersten Comics verpasste er Hitler gleich mal einen Kinnhaken. Kann ein amerikanisches Aushängeschild einen unterhaltsamen Kinoabend bescheren?
Ja, kann es. Mit Captain America – The First Avenger gelingt es Regisseur Joe Johnston (Wolfman) jegliche Gedanken an Propaganda vorzusorgen, einen unterhaltsamen Actionfilm zu drehen und ihn mit glaubhaften Charakteren zu bestücken. Wie es funktionieren kann, hat uns bereits der erste Iron-Man-Film gezeigt, doch anstatt die Unterhaltung nur an Robert Downey Jr. alias Tony Stark aufzuhängen, verkauft Johnston den ersten Avengers-Film als in sich schlüssiges Gesamtpaket.
Sein „total package“ (Muskelpaket) kann Chris Evans in der Rolle als Steve Rogers zu Beginn des Filmes jedoch nicht präsentieren. Die Special-Effects-Abteilung hat seinen Körper eingedampft und ihn zu einem schwachbrüstigen Zwerg gemacht, dessen einzige Waffe sein eiserner Wille und sein Glauben an das Gute ist. Ein bisschen pathetisch vielleicht, doch muss er für diese Haltung auch ordentlich Haue und Erniedrigung einstecken. Nach der vierten Ausmusterung scheint Steves Traum, der Armee beizutreten, endgültig ausgeträumt. Erst als Dr. Erskine (Stanley Tucci) seine inneren Werte entdeckt und ihn für das „Project Rebirth“ auswählt, beginnt seine Ausbildung.
Obwohl Steve bereits zu Beginn seiner Ausbildung das Zeug zum Helden hat, durchleben wir mit ihm ein paar typische Trainingsszenen in der U.S. Army. Ziel dieser Übung ist nicht die Werbung für die amerikanische Armee oder Steves Formung zu einem Supersoldaten, sondern eine stilechte Einstimmung auf die 1940er Jahre. Natürlich dreht sich alles um den Zweiten Weltkrieg, doch es ist auch die Zeit, in der knochenharte Ausbilder wie Colonel Chester Phillips (Tommy Lee Jones) ihre zynischen Kommentare zwischen Zähnen und Zigarre herauspressen. Eine Zeit, in der sich die britische Agentin Peggy Carter in den schwachbrüstigen Steve verliebt. Der Film umschreibt die Vergangenheit ausgiebig. Die Ausbildung dient somit vielmehr dem Zuschauer, der lernen muss, sich in das Zeitalter einzufühlen.
Man erwartet nach dem Abschluss von „Project Rebirth“, der Verwandlung von Steve Rogers in einen Supersoldaten, eine Zäsur. Doch bleibt Johnston seinen Figuren treu: Zwar sieht Evans jetzt aus wie ein Supersoldat, doch behandeln alle ihn so, als sei er einfach nur Steve. Phillips macht ein paar schlechte Witze, Carter guckt ihn noch immer verliebt an und Steve ist so naiv wie zuvor. Wenn da nicht dieser aufgepumpte Körper wäre. Doch auch den setzt der Regisseur sinnvoll ein: Er schickt Steve gleich mit gestähltem Oberkörper, aber ohne Kostüm in seinen ersten Kampf. Es macht einfach Spaß, Steve bei der Arbeit zuzugucken, wie er rennt, springt und den Bösewicht verprügelt. Endlich kann er sich wehren. Doch die Freude ist nicht von großer Dauer, denn in den Krieg darf das Geheimprojekt immer noch nicht ziehen. Zuerst muss er als buntes Werbeplakat herumlaufen.
Ebenso wie die Captain-America-Erfinder Joe Simon und Jack Kirby vor ihnen, machen die Drehbuchautoren Christopher Markus und Stephen McFeely (Die Chroniken von Narnia) keinen Hehl daraus, dass der Supersoldat auch immer ein Superplakat ist. Im Gegensatz zu pathetischen Filmen wie Pearl Harbor führt Johnston den Patriotismus in Captain America vor, indem er ihn einfach in die erste Reihe stellt. Da Rogers trotz neuer Muskelpakete nicht in den Krieg ziehen darf, macht er kurzerhand Werbung für Kriegsanleihen; er verkauft seinen Körper. Wunderschön trashig sieht die gesamte Bühnenshow aus. Erst bei seinen Auftritten an der Front wird Steve bewusst, was er verloren hat: seine Überzeugung gegen das Böse zu kämpfen. Also zieht er los, um Nazis zu verhauen und seinen Kumpel Bucky zu befreien. Natürlich ist Captain America auch nach dem Ende seiner Karriere im Showbusiness noch immer eine amerikanische Werbeikone. Doch hat der Film in der erst Hälfte geschafft, uns das unschuldige Gesicht von Steve Rogers in die Retina zu brennen. Wir sehen nicht mehr nur Cap, wir sehen Steve.
Caps Gegner hat eher weniger Interesse an Werbung, obwohl er das Gesicht dafür hätte. Langjährig geschult als das ultimative Böse in der Matrix-Trilogie, passt Hugo Weaving die Rolle des Nazis Johann Schmidt wie angegossen. Der Film vollführt eine wunderbare Doppelung: Je mehr sich Steve in Captain America verwandelt, desto mehr blättert Schmidts Maske. Zum Vorschein kommt Red Skull. Auch nach der endgültigen Aufdeckung seiner Identität kann man hinter der blutroten Fratze noch immer Weavings harte Wangenknochen und sein fieses Grinsen erkennen. Nach einer kurzen philosophischen Debatte über Gut und Böse kann der spaßige Teil des Films losgehen, der sich wie folgt zusammenfassen lässt: Cap verprügelt Nazis.
Für den Rest des Filmes sollte man die 3D-Brille noch einmal zurechtrücken und sich zurücklehnen. Es gilt in Europa die Fabriken von Hydra zu zerstören und den teuflischen Plan von Red Skull zu durchkreuzen. Nicht wirklich einfallsreich, aber dafür actiongeladen. Ebenso lange wie Steve ausgeharrt hat, der Armee beitreten zu dürfen, musste der Zuschauer warten, um Captain America bei seiner Arbeit zuzusehen. Das Warten hat sich gelohnt: Sein Schild fliegt durch die Gegend, Strahlenkanonen und Flammenwerfer werden abgefeuert und Panzer, die eben noch den Weg versperrten, werden kurzerhand gekapert. Ob sich Steve den Krieg so vorgestellt hat, bleibt fraglich. Zumindest stellt man sich so eine Comicverfilmung von Captain America vor.
Während andere Actionfilme sich damit begnügen, eine einigermaßen glaubhafte Rahmenhandlung zu präsentieren, hat das Team von Captain America – The First Avenger die nächste logische Hürde genommen: Weder Vorgeschichte noch Epilog werden zur simplen Wartezeit vor und nach der eigentlichen Action degradiert. Vielmehr werden die Figuren, wie in jedem guten Film, zu elementaren Bindegliedern zwischen den verschiedenen Handlungselemente der Geschichte. Das gilt in Johnstons Film sowohl für die Guten wie auch für die Bösen.
Zusätzlich hält der Film für den eingefleischten Comicfan noch ein paar versteckte Anspielungen bereit, die jeder selber finden muss. Wenn Captain America der Gründervater des Marvel-Universums ist, dann legt die Verfilmung seiner Entstehung passenderweise den perfekten Grundstein für das kommende Marvel-Kinocrossover: The Avengers.
Gelungene Comicverfilmung mit spaßiger Action und runden Figuren.
Offizielle Film-Website (englisch)
Offizielle Film-Website (deutsch)
Captain America bei Marvel Comics
Captain America in der Wikipedia
Abbildungen © Marvel Studios / Paramaount Pictures